Sprache · Stimme · Gehör 2002; 26(2): 57-64
DOI: 10.1055/s-2002-32294
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Welche Kindergärten und Schulen besuchen Kinder mit Cochlear Implant?

Entwicklungen in den letzten 7 JahrenWhich Kind of Kindergarten or School Do Children with Cochlea Implant Attend?Gottfried Diller1
  • 1Pädagogische Hochschule Hannover
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Juni 2002 (online)

Zusammenfassung

Das CI verändert die Entwicklungsperspektiven gehörloser Kinder. In erster Linie ist es die Hör- und Sprachentwicklung des Kindes, die als Erfolgskriterium zählt. Erfolg lässt sich an den unterschiedlichsten Kriterien messen. Der Schulbesuchsort wird als ein Indikator für eine erfolgreiche CI-Rehabilitation gesehen. Am Beispiel des CIC Rhein Main wurde die diesbezügliche Entwicklung in den letzten sieben Jahren analysiert. In die Untersuchung wurden 213 prälingual hörgeschädigte Kinder im Alter von 8 Monaten bis zwölf Jahren aufgenommen.

Es wurden Anamnesebogen, Untersuchungsprotokolle, Hör- und Sprachtests, sowie weitere Testunterlagen ausgewertet. Zusätzlich wurden ergänzend Therapeuten- bzw. Elternbefragungen, wie auch Therapie- und Verhaltensanalysen durchgeführt.

Die Qualität bzw. den Erfolg einer CI-Implantation bei Kindern mit Zusatzbehinderungen am Regelschulbesuch zu messen, ist nicht gerechtfertigt. Für diese Gruppe sind andere Maßstäbe in der Bewertung von Bedeutung.

Die Problematik einer zweisprachigen lautsprachlichen Erziehung in Verbindung mit zwei voneinander unterschiedlichen Kulturkreisen ist auch mit dem CI noch nicht zufriedenstellend gelöst. Die Hörfähigkeit mit CI alleine reicht offensichtlich nicht aus, um das Problem bilingual - bikulturell auf der Basis zweier Lautsprachen befriedigend lösen zu können. In Ansätzen ist die Förderung dieser Kinder in Regelkindergärten möglich geworden. d. h. das Kriterium Besuch einer Regeleinrichtung kann als Erfolgsindiz auch für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache gültig sein.

Von den Kindern mit gleicher Muttersprache und Therapiesprache besucht etwa die Hälfte eine Regeleinrichtung, und die andere Hälfte wird in sonderpädagogischen Einrichtungen gefördert, wobei die Tendenzverschiebung zugunsten der Regeleinrichtungen nicht zu übersehen ist.

Die durchgeführte Untersuchung bestätigt, dass das Alter bei Implantation offensichtlich einen signifikanten Einfluss auf die künftige Entwicklung eines CI-Kindes hat.

Die vorliegenden Daten geben keinen zweifelsfreien Hinweis darauf, dass eine bestimmte Kodierungsstrategien bzw. ein bestimmtes CI-System die Chancen des Hörenlernens deutlich verbessern oder die Aussichten auf einen Regelschulbesuch erhöhen.

Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen einem umfassend hörgerichteten Kommunikationsverhalten und dem Besuch einer Regeleinrichtung.

Offensichtlich ist das Kommunikations- und Erziehungsverhalten der Eltern ihrem Kind gegenüber von außerordentlich großer Bedeutung. Das „Wie” der Rehabilitation unter Einbeziehung der Eltern kann einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Kindes nehmen.

Abstract

The CI changes the perspectives for development of deaf children. The primary criterion for success is the development of hearing and speech. Success can be measured by diverse criteria. The school site is one such criterion for a successful rehabilitation. The development within the last seven years was analysed through the example of the CIC Rhein Main. 213 prelingually hearing-impaired children at the age of 8 months to 12 years were included in the study.

Anamnesis files, study protocols, hearing and speech tests as well as further test data were evaluated. These were supplement by interrogations of therapists and parents, analysis of therapy and behaviour were added as well.

The evaluation of quality or success of a CI-implantation in children with additional handicaps, as concerns the attendance of a regular school, is not justified. For this group other criteria are of importance.

The problems of raising a child bilingually by speech in combination with a bicultural upbringing cannot be solved satisfyingly by the CI as of yet. The ability to hear with the CI obviously does not suffice to solve the problem bilingual-bicultural on the basis of two different spoken languages.

As a starting point for the support of such children the attendance of regular kindergartens is possible, thus making the criterion ”attendance of a regular institution” an indication for success even for children whose mother-tongue is not German. Half of the Children with identical mother-tongue and therapy language attend a regular institution, the other half attend special institutions, though a shift towards regular institutions is clearly noticeable.

The study clearly shows that the age of the child at the time of implant has significant influence on the development of a CI-child.

The dada do not show without doubt that a special code strategy or a special CI-system improve the chances of learning to hear or of being able to attend a regular school.

There was a definite connection between an extensive hearing oriented communication and the attendance of a regular institution.

Quite obviously the communication and child-raising methods of the parents towards their children is of great importance.

The ”how” of rehabilitation with the inclusion of the parent’s treatment of their children has great influence on the further development of the children.

Literatur

  • 1 Diller G, Graser P, Schmalbrock C. Hörgerichtete Frühförderung hochgradig hörgeschädigter Kleinkinder. Heidelberg; 2000
  • 2 Szagun G. Wie das Kind sprechen lernt. 2001
  • 3 Hermann G. Förderung mit Cochlear Implant. In: Diller Gottfried (Hrsg) Hörgerichtetheit in der Praxis. Heidelberg; 2000/2: 197-224
  • 4 Bertram B. Möglichkeiten und Grenzen des Cochlear Implants (CI) im Spiegel der Kritik.  In: hörgeschädigte Kinder.. 1994;  31. Jg. 1 9-13
  • 5 Diller G. (Hrsg) Hörgerichtetheit in der Praxis. Heidelberg; 2000/2
  • 6 Hintermair M, Horsch U. Hörschädigung als kritisches Lebensereignis. Heidelberg; 1998
  • 7 Kiphard E. et al .Sensomotorisches Entwicklungsgitter. Dortmund; 1984
  • 8 Hellbrügge T. et al .Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik. München; 1994
  • 9 Berger K. Weniger ist mehr! Wie Kinder mit Cochlear-Implantaten unterstützt werden, um Hören zu erlernen und Sprache zu erwerben. Tagungsband DGA Zürich (im Druck) 2002
  • 10 Diller G. Zweisprachigkeit und Cochlear Implant. In: Diller G; Gall V; von Ilberg Chr; Kiefer J. (Hrsg) (1999/2000) Das CI an der Schwelle des neuen Jahrtausends - Von der Früherkennung zur Rehabilitation 5. und 6. Friedberger Cochlear-Implant-Symposium. Friedberg; Forum: Hören + Sprache 2000 6/7: 187-198
  • 11 Yoshinaga-Itano C, Sedey A L, Coulter D K, Mehl A L. Language of early- and later-identified cildren with hearing loss.  Pediatrics. 1998;  102 161-1171
  • 12 Steinbrink C, Szagun G. Der Einfluss überdeutlichen Sprechens auf den Spracherwerb von Kindern mit Cochlear-Implant. In: Sprache-Stimme-Gehör 1999

Prof. Dr. Gottfried Diller

Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik

Didaktik


Pädagogische Hochschule Heidelberg

Zeppelinstr. 3

69121 Heidelberg

    >