Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(42): 1279
DOI: 10.1055/s-2000-7848
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Effektivität und Effizienz ambulanter Diabetesschulungen

Zuschrift Nr. 1
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Basierend auf ihren Ergebnissen und im Tenor ihrer Schlussfolgerungen postulieren Haisch und Remmele [2], dass die strukturierte ambulante Diabetesschulung nach dem von den Kassenärztlichen Vereinigungen gestützten Schulungsprogramm für Diabetiker, die nicht Insulin spritzen, trotz der viel aufwendigeren Schulungsangebote in ambulanten Diabetes-Schwerpunkteinrichtungen und auch mehr als 10 Jahre nach ihrer Einführung immer noch aktueller Therapiestandard sein kann. Dieses Programm war in den letzten Jahren häufig als nicht genügend effektiv kritisiert worden, sehr viel intensivere Programme mit psychosozialer Begleitung wurden zur Diskussion gestellt [1] [5] .

Auf Grund der engen Verknüpfung des Körpergewichtes mit Stoffwechseleinstellung und Blutdruckverhalten kommt der Langzeitreduktion des Übergewichtes bei Schulungsprogrammen für Typ-2-diabetische Patienten eine besonders zentrale Bedeutung zu. Wir untersuchten daher prospektiv bei 24 mikroalbuminurischen Patienten (Alter: 60 ± 3 Jahre, bekannte Diabetesdauer: 4 ± 2 Jahre), wie sich Körpergewicht, HbA1c und Blutdruck ein Jahr nach Teilnahme an unserem ambulanten strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramm für Typ-2-diabetische Patienten ohne Insulintherapie verhielten [4]. Unser Schulungsprogramm besteht aus den üblichen Modulen der KV-Schulung, erweitert nur durch einzelne Module eines vergleichbaren Hypertonieschulungsprogrammes und um das Angebot, dass die Patienten der Schulungsgruppen in 3- bis 4-monatigen Abständen mit der Diabetesberaterin zu einem Folgetreffen zusammenkommen können [5] . Es wurden hier jetzt nur mikroalbuminurische Patienten untersucht, weil sich bei diesen bereits eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität durch eine fortgeschrittene generalisierte diabetische Gefäßschädigung nachweisen lässt [5]. Der HbA1c-Wert fiel nach einem Jahr von 7,6 ± 0,4 auf 6,1 ± 0,2 % (p < 0,01), bei durchschnittlicher Einnahme von 0,4 ± 0,3 mg/d Glibenclamid und 650 ± 235 mg/d Metformin. Der Body Mass Index (BMI) fiel von 30,5 ± 0,9 auf 29,1 ± 1,1 kg/m2 (p < 0,01), der Blutdruck von 179/92 ± 9/3 auf 152/88 ± 5/4 mm Hg (p < 0,01/0,05). 12 der Patienten hatten bei Studienende eine antihypertensive Therapie. Bei neun der Patienten (»Non-Responder«) war nach einem Jahr immer noch eine Mikroalbuminurie vorhanden. Diese Patienten unterschieden sich von den 15 Patienten mit normalisierter Albuminausscheidung im Urin (»Responder«) durch ihr höheres Endgewicht (BMI 31,1 ± 1,1 vs. 27,9 ± 0,7 kg/m2, p < 0,01), die geringere Gewichtsabnahme 0,9 ± 0,4 vs. 1,8 ± 0,3 kg/m2, p < 0,05) und den höheren Blutdruck (158/91 ± 5/4 vs. 143/85 ± 6/3 mmHg, p < 0,05). Der HbA1c unterschied sich nicht. 80 % der Patienten mit einem HbA1c < 7 % und einem systolischen Blutdruck < 140 mmHg bzw. 70 % der Patienten mit einem HbA1c < 7 % und einem diastolischen Blutdruck ≤ 80 mmHg waren »Responder«, dagegen nur 50 % der Patienten mit einem HbA1c ≥ 7 % und einem systolischen Blutdruck ≥ 140 mmHg (p < 0,05) bzw. einem diastolischen Blutdruck ≥ 90 mmHg.

Diese Zahlen unterstreichen, dass durch die Teilnahme an einem KV-gestützten Schulungsprogramm, mit einer kompetenten und engagierten Schulungskraft und wenigen Erweiterungen, vor allem im Bereich Blutdruckschulung, auch nach einem Jahr und bei einem ausgesprochenen Typ-2-diabetischen Risikokollektiv eine Stoffwechselverbesserung und damit letztlich Prognosebesserung der Patienten möglich ist [3], wobei die gleichzeitige konsequente Blutdruckkontrolle sicher noch intensiver zum Therapieziel werden muss. Im Übrigen darf die Bedeutung der regelmäßigen Folgetreffen nicht unterschätzt werden, zumal gerade hier auch psychosoziale Probleme der Patienten zur Sprache kommen.

Literatur

  • 1 Bergis K H, Kulzer B, Imhof P, Reinecker H. Medias II: Ergebnisse einer ambulanten Therapievergleichsstudie zur verhaltensmedizinischen Prävention und Therapie des Typ-2-Diabetes.  Diab Stoffw. 1996;  5 Sonderheft 63-64
  • 2 Haisch J, Remmele W. Effektivität und Effizienz ambulanter Diabetikerschulungen.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 171-176
  • 3 Jungmann E. Chemoprophylaxis of diabetic nephropathy in the elderly.  Drugs & Aging. 1996;  9 449-457
  • 4 Jungmann G, Jungmann E. Diabetikerschulung - Herausforderung und Chance für die Praxis.  Fortschr Med. 1997;  115 22-24
  • 5 Jungmann E, Jungmann G. Zum Einfluss von Hypertonie, Adipositas und Stoffwechselkontrolle auf die Mikroalbuminurie bei nicht mit Insulin behandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus.  J Hyperton. 1999;  3 21-26

Prof. Dr. med. Eckart Jungmann
Gisela Jungmann

Schwerpunkt Diabetes-Endokrinologie

St. Vinzenz Hospital Wiedenbrück gem. GmbH

St. Vinzenz Straße 1

33378 Rheda-Wiedenbrück

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