Neuroradiologie Scan 2011; 1(1): 23-24
DOI: 10.1055/s-0030-1256921
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Li Z, Santhanam P, Coles CD et al. Increased „default mode“ activity inadolescents prenatally exposed to cocaine. Hum Brain Mapp 2011; 32: 759 – 770

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Publication Date:
12 October 2011 (online)

Pränatale Kokainexposition: Übermäßige Aktivität im „Default Mode Network“ nachgewiesen

Eine pränatale Kokainexposition geht im Kindes- und Jugendalter nicht nur mit kognitiven Defiziten, sondern häufig auch mit unsozialem Verhalten, Substanzmissbrauch, Schulversagen und emotionalen Störungen einher. Dies könnte für neurale Defekte auf einer übergeordneten Ebene der Hirnfunktionen sprechen. Zhihao Li aus Georgia, USA, und seine Arbeitsgruppe untersuchten die Aktivität des „Default Mode Network“ (DMN) bei Jugendlichen mit pränataler Kokainexposition.

Das DMN entspricht bestimmten Hirnregionen, die im Ruhezustand eine höhere Stoffwechselrate aufweisen als bei zielgerichteten Aufgaben und Aktionen. Bei kognitiven Anforderungen nimmt die Aktivität im DMN also typischerweise ab, was wahrscheinlich die Fokussierung auf die Aufgabe erleichtert. Veränderungen der Aktivität und Konnektivität des DMN wurden bereits bei zahlreichen Erkrankungen wie Schizophrenie, Alzheimer-Demenz, Autismus, ADHS und posttraumatischer Belastungsstörung gezeigt.

Laut den Autoren führt die pränatale Kokainexposition bei betroffenen Kindern und Jugendlichen zu einer leichteren Ablenkbarkeit und zu einer verminderten Konzentration auf kognitive Aufgaben (Bild: Thieme Verlagsgruppe).

Im Rahmen der Studie wurde die Aktivität des DMN bei 33 Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren mit pränataler Kokainexposition und 23 altersentsprechenden Kontrollpersonen mittels funktioneller MRT (fMRT) unter Ruhebedingungen und bei Ausführung verschiedener kognitiver Aufgaben untersucht.

Verminderte Deaktivierung bei kognitiven Aufgaben

Im Ruhestatus zeigten die Jugendlichen mit Kokainexposition im Vergleich zu den Kontrollen eine stärkere funktionelle Konnektivität im DMN. Während der Ausführung von verbalen Aufgaben für das Arbeitsgedächtnis ging die Aktivität des DMN deutlich weniger zurück als bei Jugendlichen ohne Kokainexposition. Bei Verwendung zusätzlicher emotionaler Stimuli in Form von Bildern zeigte sich eine deutlich geringere DMN-Deaktivierung und ein gesteigertes fMRT-Signal bei den Jugendlichen mit Kokainexposition.

Die DMN-Funktion wird sowohl als interne Selbstreflexion als auch als externes Umgebungsmonitoring interpretiert. Eine erhöhte Aktivität – wie in dieser Studie gezeigt – könnte eine ganze Reihe von Problemen kokainexponierter Kinder erklären. Dazu gehören ein vermehrtes „Tagträumen“, leicht zu störender Schlaf und eine vermehrte Ablenkbarkeit bei kognitiven Aufgaben durch irrelevante (vor allem emotionale) Stimuli. Alles zusammen genommen könnte zu Schulversagen und Verhaltensstörungen dieser Kinder und Jugendlichen beitragen. Einschränkend muss gesagt werden, dass die genaue Funktion des DMN noch nicht vollständig aufgeklärt ist.

Fazit
Eine pränatale Kokainexposition scheint unter anderem zu verstärkter Aktivität und verminderter Hemmbarkeit im „Default Mode Network“ zu führen, was zu einer leichteren Ablenkbarkeit und einer verminderten Konzentration auf kognitive Aufgaben betroffener Kinder und Jugendlicher beitragen könnte.

Maria Weiß, Berlin

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