Rofo 2009; 181(1): 91-93
DOI: 10.1055/s-0028-1145216
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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Haftung des Radiologen bei Delegation von Injektionsleistungen auf MTRA

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Rechtsanwälte Wigge

Sebastian Sczuka

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Publication Date:
23 January 2009 (online)

 
Table of Contents

Die Entscheidung über die Delegation konkreter ärztlicher Leistungen auf nachgeordnete Mitarbeiter stellt einen Arzt im Einzelfall vor dem Hintergrund des möglichen Vorwurfs eines Behandlungsfehlers immer wieder vor Probleme, denn der niedergelassene Arzt und der Krankenhausarzt haften dem Patienten aus dem Behandlungsvertrag nicht nur für eigene Behandlungsfehler und sonstige Pflichtverletzungen, sondern auch für Pflichtverletzungen, derer sich ihre Mitarbeiter bei der Durchführung delegierter Leistungen schuldig machen. Zudem haften sie für die ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter, an die sie Leistungen delegieren. Auch Radiologen und Nuklearmediziner, die nicht ärztliche Mitarbeiter mit Injektionen und Infusionen betrauen, sind zur Einhaltung dieser Vorgaben gehalten.

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat in einem aktuellen Urteil vom 24.07.2008 (Az.: 4 U 1857/07) entschieden, dass es keinen Behandlungsfehler darstellt, wenn einer erfahrenen und fachgerecht ausgebildeten MTRA intravenöse Injektionen zur Vorbereitung von Diagnosemaßnahmen übertragen werden, sofern für eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung durch den Arzt Sorge getragen wird.

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Delegation an nicht ärztliche Mitarbeiter

Die Heranziehung von nicht ärztlichen Hilfspersonen zu vorbereitenden, unterstützenden, ergänzenden oder mitwirkenden Tätigkeiten ist in der täglichen Praxis üblich. Nur die eigentlichen ärztlichen Leistungen wie Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten (einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen), Stellen der Diagnose, Aufklärung und Beratung des Patienten sowie die Entscheidung über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien (einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe) müssen vom Arzt persönlich erbracht werden. Ebenso sind Pflichten bzw. Tätigkeiten, die aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit für den Patienten, Unvorhersehbarkeit oder wegen der Umstände ihrer Erbringung, insbesondere der Schwere des Krankheitsfalls ärztliches Fachwissen erfordern, nicht delegierbar.

Eine potenzielle Gefährlichkeit für den Patienten ist dann gegeben, wenn die nicht fachgerechte Durchführung einer Leistung durch einen nicht ärztlichen Mitarbeiter den Patienten unmittelbar schädigen oder ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar werdende Schäden verursachen kann. Die Abgrenzung zwischen der zulässigen Hinzuziehung von Hilfspersonen und der unzulässigen Delegation ist im Einzelfall schwierig und sowohl in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Bei der Bestimmung dieser Pflichten bieten u. a. die Ausbildungsgesetze bzw. Ausbildungsordnungen der nicht ärztlichen Berufe wichtige Hilfen. Grundsätzlich gilt die Faustformel, je geringer das Gefährdungspotenzial durch das nicht ärztliche Personal für den Patienten ist, desto eher kann der Arzt die Aufgabe delegieren.

Zu den generell delegationsfähigen Leistungen gehören u. a. der Wechsel einfacher Verbände, Laborleistungen und radiologische Leistungen. Die Delegation von Aufgaben an nicht ärztliche Mitarbeiter darf aber nur erfolgen, wenn die Aufgaben nicht dem Arzt vorbehalten sind. Ein solcher Vorbehalt ist ausdrücklich nicht geregelt. Eine einheitliche Rechtsprechung ist bislang nicht gegeben.

Will der Arzt eine Leistung an einen nicht ärztlichen Mitarbeiter delegieren, der über eine abgeschlossene, ihn dazu befähigende Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen verfügt, kann er sich regelmäßig darauf beschränken, die formale Qualifikation des Mitarbeiters festzustellen und zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitarbeiter sich davon zu überzeugen, dass die Leistungen des Mitarbeiters auch tatsächlich eine seiner formalen Qualifikation entsprechende Qualität haben. Darüber hinaus ist der Arzt zu einer stichprobenartigen Überprüfung der Qualität der Leistungen des nicht ärztlichen Mitarbeiters verpflichtet. Erbringen nicht ärztlichenicht ärztliche Mitarbeiter delegierte Leistungen, ist der Arzt außerdem verpflichtet, sich grundsätzlich in unmittelbarer Nähe (Rufweite) aufzuhalten. Bei Eingriffen mit einem höheren Gefährdungspotenzial für den Patienten fordert die Rechtsprechung eine regelmäßige Überwachung des nicht ärztlichen Eingriffs. Letztlich ist eine Anweisung des nicht ärztlichen Mitarbeiters, bei Zwischenfällen jeder Art unverzüglich den Arzt hinzuzuziehen, unerlässlich.

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Delegation intravenöser Injektionen

In radiologischen Praxen werden regelmäßig MTRA's mit der Durchführung intravenöser Injektionen beauftragt. Für den Bereich der Injektionen hat der Bundesgerichtshof bisher noch nicht ausdrücklich und umfassend darüber entschieden, ob und welche Injektionen ein Arzt dem nicht ärztlichen Hilfspersonal übertragen darf. Grundsätzlich stellt eine intravenöse Injektion jedoch einen Eingriff dar, der zum Verantwortungsbereich des Arztes gehört.

Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 24.07.2008 nun die Auffassung vertreten, dass es sich bei einer intravenösen Injektion um eine grundsätzlich delegierbare Leistung handelt. Bei der die Injektion in dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall ausführenden MTRA handelte es sich um eine erfahrene und fachgerecht ausgebildete Kraft, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits mehrere 1000 gleichartiger Injektionen verabreicht hatte. Sie war mit der intravenösen Injektion schwach radioaktivem Technetiums, die Dosis betrug 54,65 mBq, zur Vorbereitung eines Szintigramms beauftragt. Während der Injektion war der Arzt nur durch eine Glasscheibe von dem Bereich getrennt, in dem die Injektion verabreicht wurde. Während der Injektion kam zu einer starken Blutung und in der Folge zu einer schmerzhaften Verdickung durch eine Verletzung der Arteria brachialis. In der Ellenbogenbeuge bildete sich ein Hämatom, welches seinerseits zu einer Irritation des Nervus medianus führte.

Der Vorwurf, einer nach ihrem Erfahrungsstand zur Vornahme des Eingriffs in die körperliche Integrität des Patienten nicht befugten Person den Eingriff übertragen und bereits damit einen Behandlungsfehler begangen zu haben, wurde vom Gericht nicht bestätigt. Es vertrat die Ansicht, dass es sich bei der intravenösen Injektion schwach radioaktiven Technetiums um eine Tätigkeit handele, die aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit oder Unvorhersehbarkeit nicht zwingend von einem Arzt erbracht werden müsse, da lokale Schädigungen durch die geringe Dosis der Radioaktivität nicht zu befürchten seien und das zur Bindung des Technetiums verwendete Natriumsalz nicht gewebetoxisch ist. Ferner würden bei einer derartigen Injektion allergische Reaktionen nur selten auftreten. Die Risiken einer solchen Injektion seien – nach den Ausführungen des OLG Dresden – mit denen einer Blutentnahme vergleichbar.

Nach dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTAG) soll die Ausbildung zur MTRA dazu befähigen, unter Anwendung geeigneter Verfahren in der Radiologischen Diagnostik und anderen bildgebenden Verfahren die erforderlichen Untersuchungsgänge durchzuführen sowie bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten in der Strahlentherapie und Nuklearmedizin mitzuwirken. Die Vermittlung dieser Kenntnisse erfolgt innerhalb einer 3-jährigen Ausbildung, die u. a. eine praktische Tätigkeit in einem Krankenhaus oder einer gleichartigen Einrichtung beinhaltet. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für technische Assistenten in der Medizin (MTA-APrV) sind die Schüler während dieses Ausbildungsabschnitts in Verrichtungen und Fertigkeiten praktisch zu unterweisen, die für ihre Berufstätigkeit von Bedeutung sind. Nach § 9 Abs. 3 MTAG ist es einem MTA nach Abschluss seiner Ausbildung gestattet, auf ärztliche Anforderung Tätigkeiten auszuüben, deren Ergebnisse der Erkennung einer Erkrankung und der Beurteilung ihres Verlaufes dienen. Es entspricht – zumindest nach Auffassung des OLG Dresden – hiernach dem gesetzgeberischen Leitbild, dass einfache und mit nur geringen Risiken verbundene Injektionen einer MTRA übertragen werden können. Danach verfügen MTRA also grundsätzlich über ausreichende Fähigkeiten, eine Technetium-Injektion unter ärztlicher Überwachung durchzuführen.

Auch die aufgetretenen Komplikationen und Irritationen begründen nicht den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Derartige Irritationen sind – nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen das Gericht beitrat – auch bei größter Sorgfalt nicht immer vermeidbar. Der MTRA könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden, weil die Vene getroffen wurde und das Technetium ordnungsgemäß den Weg in die Blutzirkulation gefunden hat. Allein die versehentliche Irritation des Nervus medianus begründe nicht die Annahme eines Behandlungsfehlers, denn der darin liegende Schluss vom Ergebnis der Injektion auf eine Verletzung ärztlicher Sorgfaltspflichten ist bei der intravenösen Injektion nicht möglich, weil der Geschehensablauf nicht in einem vom Arzt sog. voll beherrschbaren Risikobereich liegt. Diese Feststellung ist vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung den Patienten im Arzthaftungsprozess in den Fällen der voll beherrschbaren Risiken mit einer Beweislastumkehr unterstützt, wichtig. In solchen Fällen muss der Arzt nachweisen können, dass er seine Pflichten in Bezug auf die Durchführung delegierter Leistungen ordnungsgemäß erfüllt hat. Er kann sich also von seiner Geschäftsherrenhaftung für seine Verrichtungsgehilfin (MTRA) nur dann entlasten, wenn er nachweisen kann, dass sich die Delegation nicht auf den Schaden ausgewirkt hat, der eingetretene Schaden also auch bei pflichtgemäßer Delegation entstanden wäre.

Ferner wies das OLG Dresden ausdrücklich darauf hin, dass die MTRA während des Eingriffs regelmäßig überwacht werden müsse. Durch die Trennung des Arztes von dem Bereich, in dem die Injektion verabreicht wurde, durch eine Glasscheibe sah das Gericht die Überwachungspflicht des Arztes als erfüllt an, zumal die MTRA überdies die Anweisung hatte, den Arzt bei Zwischenfällen jeder Art unverzüglich hinzuzuziehen.

Der Auffassung des OLG Dresden ist beizupflichten, da auch die Bundesärztekammer in ihrer Empfehlung/Stellungnahme zur persönlichen Leistungserbringung (Stand: 29.08.2008) die Delegationsfähigkeit intravenöser Injektionen und Infusionen an entsprechend qualifizierte nicht ärztliche Mitarbeiter bejaht (vgl. hierzu RöFo 12–2008, Seite 1137 ff.).

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Risikoaufklärung erforderlich

Im vom OLG Dresden entschiedenen Fall wurde die Patientin ferner nicht über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken aufgeklärt. Eine Aufklärung über das Risiko von Nervenirritationen wäre jedoch vor einer intravenösen Injektion in die Ellenbogenbeuge notwendig gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung bedürfen ärztliche Heileingriffe jeder Art, um rechtmäßig zu sein, grundsätzlich der Einwilligung des Patienten. Diese Einwilligung kann nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und möglichen Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt.

Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert gelten strenge Maßstäbe für die Aufklärung des Patienten über die mit der medizinischen Maßnahme verbundenen Gefahren, sofern der invasive Schritt nicht vital indiziert oder auch nur dringend erscheint. In solchen Fällen hat der Arzt dem Patienten selbst entfernt liegende Komplikationsmöglichkeiten in angemessener Weise zu erläutern. Bei einer Injektion in die Ellenbogenbeuge ist der Patient über das mögliche Risiko einer Nervenirritation bis hin zu einer Nervenläsion aufzuklären. Gerade die Irritation des Nervus medianus sei eine immanente Gefahr einer Injektion in die Ellenbogenbeuge, die nicht vollständig ausgeschlossen werden könne.

Keine Aufklärungspflicht besteht für die Risiken eines Eingriffs, die sich auch für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs ohnehin ergeben. Hierzu zählen bei einer Injektion etwa das Risiko einer Rötung der Einstichstelle sowie kleinerer Hämatome.

Das OLG Dresden sprach der Patientin dennoch kein Schmerzensgeld wegen unterlassener Risikoaufklärung zu, denn der Radiologe konnte sich auf den Einwand der sog. hypothetischen Einwilligung berufen. Das Gericht ging dabei davon aus, dass die Patientin auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Injektion zugestimmt hätte. Einen dem entgegenstehenden Entscheidungskonflikt hatte die Patientin nicht plausibel dargelegt. Einerseits sei die Patientin vor der Untersuchung von 2 weiteren Ärzten eindringlich auf die Gefahr eines bei ihr bestehenden bösartigen Tumors hingewiesen worden, zudem habe sie an Schluckbeschwerden gelitten, welche ihr die Szintigrafie dringlich indiziert erschienen ließen, um einen bösartigen Tumor auszuschließen. Die mit der Untersuchung verbundenen Risiken waren demgegenüber gering, insbesondere waren keine Dauerschäden aus der Injektion zu befürchten. Andererseits habe die Patientin den Umstand, dass sie trotz des nach ihrer Beschreibung verlorenen Vertrauens die radiologische Praxis nur wenige Monate später erneut aufgesucht habe, um dort ein MRT anfertigen zu lassen, nicht nachvollziehbar begründen können.

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Fazit

Der Radiologe hat für eine ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Überwachung der MTRA Sorge zu tragen. Hinsichtlich der Überwachung ist die Anwesenheit des Arztes in der Praxis unumgänglich. Eine hinreichende Überwachung bei der Gabe intravenöser Injektionen durch eine MTRA ist dann gewährleistet, wenn eine regelmäßige Überwachung im Sinne einer Sichtkontrolle erfolgt. Darüber hinaus sollten alle nicht ärztlichen Mitarbeiter angewiesen werden, bei auftretenden Komplikationen in jedem Fall unverzüglich einen Arzt hinzuzuziehen. Werden dem Arzt bei bestimmten nicht ärztlichen Mitarbeitern Fehler bei der Durchführung delegierter Leistungen bekannt, dürfen diese Leistungen auf diese Mitarbeiter zunächst nicht mehr delegiert werden. Der Arzt hat durch geeignete Maßnahmen (z. B. Nachschulungen und eingehende Überwachung sowie Anleitung) sicherzustellen, dass die Anforderungen an eine Delegation zukünftig bei diesen Mitarbeitern wieder erfüllt werden.

Auch wenn in dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall die unterbliebene Risikoaufklärung nicht zur Haftung geführt hat, ist die eingehende und ausführliche Aufklärung des Patienten grundsätzlich als unverzichtbarer Bestandteil jeder Behandlung gefordert, denn es dürfte nur einen Ausnahmefall darstellen, dass die unterbliebene Aufklärung nicht zu einer Haftung geführt hat. Aus Gründen der Beweisbarkeit sollte jede Aufklärung vom Radiologen schriftlich dokumentiert und möglichst schriftlich durch den Patienten bestätigt werden.

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