Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(01): 25-29
DOI: 10.1055/a-2213-0302
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Doppelkopf: Gudrun Kreye und Jan Gärtner

Gudrun Kreye

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Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Es ist eine längere Geschichte! Begonnen hat mein Interesse für Palliative Care 1988, als meine Großmutter an einem T-Zell-Lymphom erkrankte. Meine Mutter, ihre Schwiegertochter, Diplomkrankenschwester, ermöglichte es, dass sie die letzten Monate bei uns zu Hause verbringen konnte. Die ganze Familie war in die Pflege mit eingebunden. Meine Großmutter war der erste Mensch, den ich sterben sah. Es war ein schönes Sterben, sie konnte friedlich und gut symptomkontrolliert gehen. Meine Mutter hat mir alle Schritte des Sterbeprozesses erklärt. In den letzten Minuten beteten wir gemeinsam für meine Großmutter ein „Ave Maria“. Da dachte ich, ich möchte gerne einmal einen Beruf ergreifen, wo ich mithelfen kann, dass Menschen gut symptomkontrolliert sterben und wenn möglich, zu Hause. Noch in der Schule habe ich aus Zufall, weil mich eine Freundin gebeten hat, mitzumachen, einen Sozialkurs besucht. Die Lehrgangsleitung war Hildegard Teuschl, eine der Pionierinnen der Palliative Care in Österreich. Sie erzählte mir damals, dass eine neue Palliativstation in Planung sei und dass dort Ehrenamtliche mitarbeiten können. So machte ich den Ehrenamtskurs und durfte während dem Studium am „CS-Hospiz“ am Rennweg in Wien mitarbeiten. Nach Abschluss des Medizinstudiums hörte ich aber damit auf, weil mir das in meiner Freizeit zu belastend gewesen wäre, zumal ich ja auch gleich auf einer Onkologie begonnen habe. Meinem damaligen Chef, Heinz Huber, habe ich begeistert von der Palliativstation am Rennweg erzählt. Er bat mich, dorthin einen Ausflug zu organisieren. Durch diese Aktion erkannte er mein Interesse für Palliative Care und schlug vor, mich zu einer der ersten Sitzungen der Österreichischen Palliativgesellschaft zu entsenden. Die Menschen dort, vor allem Franz Zdrahal, Michaela Werni und Rudolf Likar waren für mich eine große Inspiration! Ich war begeistert, hier mitwirken zu können! Bevor ich meine Laufbahn als Palliativmedizinerin einschlug und vollendete, wollte ich jedoch noch unbedingt forschen. An der Medizinischen Universität Wien und an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore beschäftigte ich mich insgesamt 5 Jahre mit translationaler Forschung. Ich bin sehr froh, dass ich dies tun konnte, denn es hat mir großen Spaß gemacht. Aber es hat mich nicht erfüllt! Deswegen verfolgte ich immer mein langfristiges Ziel: nämlich Palliativmedizinerin zu werden. Ich durfte einige Zeit in Cardiff, Wales und auch in Göttingen auf Palliativeinrichtungen verbringen. Diese Aufenthalte haben mich sehr geprägt. In Wales hat mich sehr beeindruckt, wie effizient und patientenorientiert gearbeitet wurde. Aber nach einer intensiven Zeit des Arbeitens wurde regelmäßig eine Pause für „Tea and Cookies“ eingelegt. In Göttingen habe ich von Friedemann Nauck viel darüber gelernt, wie man Patientenwohl und Forschung effektiv miteinander verknüpfen kann. Und mit meiner „Palliative Care Soul Sister“ Eva Masel in Wien verbinden mich schöne Intervisionen über das Arbeiten im Palliative-Care-Bereich.Letztendlich hat es mich aber wieder in meine Heimat Österreich verschlagen. Dort darf ich seit 2014 ein großartiges Palliativteam am Universitätsklinikum Krems ärztlich leiten. „Mein“ Palliativteam möchte ich gegen keines der Welt eintauschen!

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Schon als Kind wollte ich immer Ärztin werden. Mein großes Vorbild war mein Großonkel aus Hamburg, ein Internist der alten Schule. Mit vier Jahren hat er mir erklärt, ich müsse Latein lernen, wenn ich Ärztin werden wollte. Da habe ich dann meine Mutter gequält, mir Latein beizubringen. In der Mittelschule wollte ich Molekulargenetikerin werden. Erst kurz vorm Studienbeginn habe ich mich dann doch für Medizin entschieden, eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Eine berufliche Alternative wäre Altenpflegerin oder diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Surfnomadin wäre auch eine großartige Option! Manchmal würde ich auch gerne als Bösewichtin in einem Thriller mitspielen, vielleicht bekomme ich ja eines Tages ein tolles Angebot, das ich nicht ausschlagen kann!

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Das ist verschieden. Wenn ich arbeite, stehe ich auf, dusche und fahre die 80 Kilometer in die Arbeit. Dort trinke ich dann einen Malzkaffee mit meinem Team. Wenn ich frei habe, schlafe ich lange oder frühstücke gemütlich mit meinem Mann. In Phasen, wo ich sehr diszipliniert bin, mache ich sechs Sonnengrüße, bevor ich mich auf den Weg mache.

Leben bedeutet für mich …

Jeden Moment auszukosten! Genießen, lieben, lachen, aber auch Tiefpunkte zu durchleben. Zusammenhalten! Wasser in all seinen Formen erleben! Eis essen! Barfuß gehen! Jede Jahreszeit schön finden! Familie! Freunde!

Sterben bedeutet für mich …

Es ist etwas, vor dem ich seit meiner Kindheit Angst habe. Nicht so sehr vor dem Sterbeprozess, obwohl einem da ja auch sehr böse Überraschungen blühen können. Aber vor dem, was nachher vielleicht NICHT kommt. Ich bin unfreiwillige Agnostikerin und schon mein ganzes Leben auf der Suche nach Beweisen, dass nach dem Tod noch irgendetwas kommt. Ein Beweis dafür, dass wir nachher weiter existieren. Dass unser Leben nicht sinnlos ist. Vielleicht ist das auch mit ein Grund, dass ich Palliativmedizinerin geworden bin, weil ich hoffe, in meiner Arbeit dafür Beweise zu finden. Leider ist mir das bis jetzt noch nicht gelungen!

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich möchte in meinem Leben noch die Gewissheit erlangen, dass es ein gutes Leben nach dem Tod gibt. Das ist mein großes Ziel! Das wäre schön, dieses Ziel zu erreichen!Und ich möchte endlich mein Einhorn-Buch fertigschreiben!

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

„Wenn Du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Dass Du es noch einmal zwingst, und voll Freude und Sonnenschein singst!“ Diesen Spruch hat mir meine Mutter als Kind ins Stammbuch geschrieben. In sehr dunklen Momenten meines Lebens hat mir dieser Spruch sehr geholfen. Die Erfahrung, dass selbst, wenn es sehr dunkel aussieht, doch immer wieder ein Licht auftauchen kann.

Was würden Sie gern noch lernen?

Oh, da gibt es sehr viel! Ich möchte gerne noch Cello und Didgeridoo spielen lernen, und mich in Klavier und Orgel verbessern. Gerne würde ich auch in einer irischen Band mitspielen, Bass. Es wäre genial, wenn ich ohne Probleme am Meer grüne Wellen erkennen und surfen könnte. Kiten würde mich auch reizen. An Sprachen würde ich gerne Portugiesisch, Tschechisch oder Slowakisch und Ungarisch lernen. Kräuterkunde reizt mich auch sehr!

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

In den Stunden mit meinem Mann Lars, die wir gemeinsam in Wien, Hannover oder rund um den Globus genießen können. Eine große Kraftquelle ist auch meine Familie, vor allem mein Neffe Florian und meine Nichte Marie, mit denen ich unglaublich viel Spaß habe! Und der Zusammenhalt mit meinen Geschwistern Ulli und Herbert.Die größte Kraft schöpfe ich aus dem Element Wasser. Ich liebe Wasser in allen Formen, egal ob Eis, Schnee oder Wasser, süß oder salzig. Alle Sportarten, die mit Wasser zu tun haben, geben mir Kraft. Vor allem das Surfen. Beim Surfen muss man komplett abschalten. Wenn ich beim Surfen an etwas anderes denke, zum Beispiel an die Arbeit, falle ich ins Wasser. Daher muss ich beim Surfen nicht denken, sondern kann vollkommen im Moment leben!

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Mit Rosalind Franklin. Was, die kennen Sie nicht? Aber Watson und Crick schon, oder? Die haben doch den Nobelpreis für die Entdeckung der DNS (Desoxyribonukleinsäure) erhalten?Aber die wahre Pionierin war Rosalind Franklin! Und weil sie die wenigsten Menschen als Entdeckerin der DNS feiern, möchte ich hier etwas ausführlicher über sie schreiben, vielleicht erinnern sie sich dann an sie, wenn sie das nächste Mal etwas über DNS lesen.Rosalind Franklin war eine britische Chemikerin und Röntgenkristallografin, die entscheidend zur Entdeckung der DNA-Struktur beigetragen hat. Ihre Arbeit wurde lange Zeit übersehen, obwohl sie wichtige Erkenntnisse lieferte. James Watson und Francis Crick erstellten 1951 ein fehlerhaftes DNA-Modell, das auf Franklins Arbeiten basierte. Später, im April 2023, erkannte die Wissenschaft, dass sie eine gleichberechtigte Mitspielerin war. Ihr Fall verdeutlicht die Unterbewertung von Frauen in der Wissenschaft und sollte heutzutage nicht mehr vorkommen.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

Hm, ich würde lieber einen Tag fliegen können, anstatt einen Tag unsichtbar zu sein.

Wie können Sie Jan Gärtner beschreiben?

Jan Gärtner durfte ich 2008 auf einer Fortbildung am Frauenchiemsee kennenlernen. Wir sind täglich gemeinsam um die Insel gelaufen und haben festgestellt, dass wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Aus diesem Aufenthalt heraus hat sich eine wunderbare Freundschaft entwickelt, auch wenn wir uns nicht oft sehen. Ich bewundere Jan für seine unglaubliche Energie! Sein Tag muss 48 Stunden haben! Ich kenne außer ihm keinen Menschen der freiwillig 50 Kilometer läuft, bergauf und bergab! Oder ohne Probleme mal eben 110 km mit dem Rad fährt! Er ist mein Vorbild, was das wissenschaftliche Arbeiten in der Palliativmedizin betrifft. Seine Arbeiten sind immer am Puls der Zeit und geben richtungsweisende Impulse in der Palliativforschung. Da ist er einer der ganz Großen im deutschsprachigen Raum! Und er hat ein unglaubliches Durchhaltevermögen! Das bewundere ich an ihm am meisten. Es würde mich freuen, wenn wir in Zukunft mal ein gemeinsames Projekt starten könnten. Oder eines Tages noch mal gemeinsam ein paar Runden auf der Fraueninsel laufen, auch wenn Jan mich dabei mindestens drei Mal überholen wird!

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Ich bin eine Nachteule und gehe meistens sehr spät ins Bett. Zuerst esse ich noch etwas Leckeres und dann versumpere ich manchmal vor dem Fernseher. Oder ich lese noch ein paar Seiten eines Thrillers vor dem Schlafengehen. Und kurz bevor ich einschlafe, spreche ich noch ein paar Dankesworte ins Universum für den schönen Tag.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Ja: Was können Sie absolut nicht leiden?Das wären da auch so einige Dinge. Zum Beispiel kann ich Klobürsten absolut nicht ausstehen. Und wenn im Winter die Sonne scheint, ohne dass es geschneit hat, das kann ich auch überhaupt nicht ausstehen, da werde ich ganz grantig und unruhig! Da ist mir lieber es regnet oder ist neblig! Fleischfliegen mag ich auch gar nicht. Laufen als Sport mag ich auch nicht. Aber für Jan würde ich eine Ausnahme machen, wenn er mich mitnimmt!

Zur Person

Aus- und Weiterbildung

Ihr Medizinstudium absolvierte Gudrun Kreye von 1991 bis 1998 in ihrer Geburtsstadt Wien an der dortigen Medizinischen Universität.

1997 bis 1999 als Doktorandin an der Klinischen Abteilung für Onkologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I an der Medizinischen Universität Wien. Promotion zur Dr. med. univ. im Februar 1998.

Ab 03/2002 bis 03/2004 war sie Assistenzärztin am Zentrum für Onkologie und Hämatologie am Klinikum Ottakring in Wien.

04/2004 bis 04/2005 internationale Erfahrung als „Post-doc fellow“ im „Laboratory of Molecular Genetics of Female Reproductive Cancer“ am Department of Pathology des Johns Hopkins Medical Institute in Baltimore, MD, USA.

2001 Palliativdiplom der österreichischen Ärztekammer. Ihre Expertise in der Palliativmedizin wurde im 2018 Abschluss ihrer Spezialisierung in Palliativmedizin, zertifiziert von der österreichischen Ärztekammer.

2008 Habilitation und Venia docendi in „Onkologie“ an der Medizinischen Universität Wien.

Seit 2014 übt Dr. Gudrun Kreye die Position der Ärztlichen Leitung der Palliativeinheit an der Abteilung für Innere Medizin 2 am Universitätsklinikum Krems aus. Diese Rolle ermöglicht ihr, ihre Expertise in der Palliativmedizin einzusetzen, um Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen eine umfassende Versorgung zu bieten. Bereits seit 2010 bekleidet sie die Position einer Oberärztin in derselben Abteilung.

Beiratsfunktion

Seit 1/2020 ist sie Mitglied der niederösterreichischen Ethikkommission und Mitglied des „Medizinischen Innovationsboard der Niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur.“

Stipendien und Preise

Dr. Gudrun Kreye wurde für ihre herausragenden Beiträge zur Palliativmedizin und Onkologie mit mehreren renommierten Auszeichnungen und Stipendien geehrt, darunter der „Förderpreis für Palliative Care der Österreichischen Gesellschaft für Palliativmedizin“ im Jahr 2020, der „ESMO Palliative Care Grant“ für ihre Arbeit an der Linderung der Atemnot bei Krebspatienten im Jahr 2008 sowie das „Hertha-Firnberg-Fellowship“ im Jahr 1999 für ihr wegweisendes Projekt „T71-MED“.

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Publication History

Article published online:
09 January 2024

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