Klinische Neurophysiologie 1993; 24(4): 234-241
DOI: 10.1055/s-2008-1060294
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ereigniskorrelierte Hirnpotentiale und primäre Negativsymptomatik bei schizophrenen Patienten

Event-related potentials and the primary negative syndrome in schizophreniaG. Eikmeier, F. Lodemann
  • Klinik für Allgemeine Psychiatrie der Rheinischen Landes- und Hochschulklinik Essen
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

Changes of event-relatod potentials that distinguish schizophrenics from healthy controls have been reported several times. But there is only little and often inconsistent information about their relation to psychopathological variables. We present two studies on changes of event-related potentials in schizophrenia and their relation to clinical symptoms:

  1. P300 was recorded in 15 schizophrenic patients during a two-tone-discrimination task in the acute phase and after remission. Clinical symptoms were assessed by BPRS, SANS, InSka and FBF3. Compared to controls (n = 10, studied in the same manner) the patients showed a significantly reduced P300 amplitude and a significantly prolonged P300 latency independent of clinical state (fig. 1). There were no correlations between P300 amplitude or latency and florid symptoms, but P300 amplitude was correlated negatively with the primary negative syndrome.

  2. Contingent negative variation (CNV) and postimperative negative variation (PINV) were recorded in 16 remitted schizophrenics during a warned reaction time paradigm. Symptoms were assessed by BPRS, SANS and the Physical Anhedonia scale of the Chapman Questionnaire. Compared to controls (n = 10, studied in the same manner) the patients showed a significantly elevated PINV amplitude (fig. 2). The difference values „PINVCz-PINVFz” (procedure suggested by van den Bosch) were correlated negatively with the primary negative syndrome.

Based on these results we speculate that the primary negative syndrome in schizophrenia is a behaviour to cope with dysfunctions of the information processing system which are indicated by changes of event-related potentials.

Zusammenfassung

Veränderungen ereigniskorrelierter Hirn-potentiale, durch die sich schizophrene Patienten von gesunden Kontrollprobanden unterscheiden, wurden wiederholt beschrieben. Es gibt aber nur wenige und häufig widersprüchliche Befunde darüber, welche Beziehungen es zwischen diesen Veränderungen und psycho-pathologischen Variablen gibt. Wir berichten über zwei Studien, in denen bei schizophrenen Patienten ereignis-korrelierte Potentiale und deren Beziehung zur Psychopathologie untersucht wurden.

  1. Bei 15 schizophrenen Patienten wurde die P300 während eines Zwei-Ton-Diskriminationsparadigmas im akuten Schub und nach Remission abgeleitet. Die klinische Symptomatik wurde mit der Kurzen Psychiatrischen Beurteilungsskala (BPRS), der Skala zur Beurteilung von Negativsymptomen (SANS), der Intentionalitätsskala und dem Frankfurter Beschwerdefragebogen beurteilt. Im Vergleich zu einer mit gleicher Methodik untersuchten Kontrollgruppe hatten die 10 Patienten, unabhängig vom klinischen Zustandsbild, eine signifikant erniedrigte P300-Amplitude und eine signifikant verlängerte P300-Latenz. Wir fanden keine Korrelation zwischen P300-Amplitude oder -Latenz und floriden schizophrenen Symptomen, die P300-Amplitude war aber negativ mit der schizophrenen Negativsymptomatik korreliert.

  2. Bei 16 remittierten schizophrenen Patienten wurde die Bereitschaftsnegativierung (CNV) und deren Rückbildung (PINV) während eines Reaktionszeitparadigmas mit Ankündigungsreiz abgeleitet. Die klinische Symptomatik wurde mit der Kurzen Psychiatrischen Beurteilungsskala, der Skala zur Beurteilung von Negativsymptomen und der Skala „physische Anhedonie” des Chapman-Fragebogens beurteilt. Im Vergleich zu der mit gleicher Methodik untersuchten Kontrollgruppe (n = 10) hatten die Patienten eine signifikant erhöhte Rückbildung der Amplitude der Bereitschaftsnegativierung. Die Differenzwerte „postimperative Negativierung: Cz minus Fz” (Verfahren nach van den Bosch) korrelierten negativ mit der schizophrenen Negativsymptomatik.

Ausgehend von diesen Befunden wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Negativsymptomatik als Verhalten anzusehen ist, das der Kompensation bestehender Störungen im Informationsverarbeitungssystem dient, die durch die Veränderungen der ereigniskorrelierten Potentiale angezeigt werden.

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