Klinische Neurophysiologie 1995; 26(2): 83-88
DOI: 10.1055/s-2008-1060222
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Elektrophysiologische Befunde bei Farbselektionsprozessen

Electrophysiological findings of color selection processesS. Johannes, T. F. Münte, G. R. Mangun1
  • Neurologische Klinik mit Klinischer Neurophysiologie dor Medizinischen Hochschule Hannover
  • 1Center for Neuroscience der University of California
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

In perception, certain criteria have to be used to select and process stimuli prior to conscious recognition. One possible selection criterion is the color of the stimuli. In previous work it has been shown that color and color selection influence visual event-related potentials (ERP). A frontally localized positivity occuring about 200 ms post stimulus and a more widely distributed negativity from 150 to 350 ms post stimulus have been described. We further explored the mechanisms of color selection with the ERP-technique. The specificity of the effects of color selection and the topographical distribution of the effects by means of isovoltage maps were of particular interest.

In two experiments the same 8 healthy subjects viewed a randomized order of stimuli appearing in one of two possible colors. The subjects had the task to attend to stimuli of one color while ignoring those of the other color and to press a button whenever a defined target stimulus appeared in the attended color. Between both experiments the physical aspects of the stimuli varied with respect to form and definition of the target stimuli. This allowed a separation of color-specific and color-nonspecific selection processes. Color specific selection processes have to be independent of physical stimulus aspects, while the effects of nonspecific selection processes vary with the experiments.

The earliest effects of color selection on the ERP were found from 200 ms after stimulus presentation. While the latency of the frontal P2-component varied significantly between the two experiments, a superimposed frontal positivity in the range from 200 to 250 ms, which did not vary between the two experiments, could be separated. Also, a more widely distributed negativity between 250 and 500 ms post stimulus was found. While the latency and amplitude of the frontal positivity did not vary between the two experiments, the amplitude of the negativity was significantly larger in one experiment than in the other. These findings are interpreted in terms of a color specific frontal positivity, which is also independent of the P2-component and a color nonspecific negativity. The isovoltage maps showed a frontal maximum for the positivity. These results are discussed with respect to the results of other ERP-and Positron Emission Tomography (PET) - studies of color selection.

Zusammenfassung

Vor der bewußten Wahrnehmung von Reizen erfolgt anhand von bestimmten Kriterien eine Selektion und Verarbeitung im Gehirn. Ein mögliches Selektionskriterium stellt die Farbe der Reize dar. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, daß Farbe und Farbselektion die ereigniskorrelierten Potentiale beeinflussen. Als Korrelate der Farbselektion wurden eine frontal lokalisierte Positivität im Zeitbereich um 200 ms sowie eine breiter über den Kopf verteilte Negativität im Zeitbereich zwischen 150 und 350 ms beschrieben.

In den hier dargestellten Versuchen werden die Mechanismen der Farbselektion anhand der Registrierung von ereigniskorrelierten Potentialen auf ihre Farbspezifität und ihre topographische Verteilung mittels Errechnung von Isopotentiallinien untersucht. In zwei verschiedenen Versuchen hatten jeweils dieselben 8 gesunden Probanden die Aufgabe, von Reizen, die in zwei verschiedenen Farben präsentiert wurden, diejenigen einer bestimmten Farbe zu beachten und beim Auftreten von definierten Zielreizen der beachteten Farbe eine Taste zu betätigen. Die andere Farbe war zu ignorieren.

Zwischen beiden Versuchen wurden die physikalischen Charakteristika der Reize in Bezug auf die Form und die Definition der Zielreize variiert, um eine Separation von farbspezifischen und nicht farbspezifischen Selektionsprozessen zu erlauben. Für die Farbselektion spezifische Veränderungen der ereigniskorrelierten Potentiale müssen unabhängig von den physikalischen Versuchsbedingungen gleichermaßen in beiden Versuchen nachweisbar sein, während andere, unspezifische Selektionsprozesse zwischen den Versuchen variieren können.

Die frühesten Effekte der Farbselektion auf die ereigniskorrelierten Potentiale fanden sich ab 200 ms nach Reizpräsentation. Während die Latenz der frontal lokalisierten P2-Komponente signifikant zwischen beiden Versuchen variierte, konnte eine überlagerte, frontal verteilte Positivität im Zeitbereich von 200-250 ms nach Reizpräsentation separiert werden, die nicht zwischen den Versuchen variierte. Weiterhin trat eine breiter über den Kopf verteilte Negativität im Zeitbereich von 250-500 ms auf. Während die frontale Po-sitivität zwischen beiden Versuchen in Bezug auf Latenz und Amplitude nicht differierte, war der Effekt der Farbselektion auf die Amplitude der Negativität in einem Versuch signifikant größer als in dem anderen. Dieser Befund wird als Indiz dafür interpretiert, daß die frühe Positivität im Gegensatz zur späteren Negativität ein farbselektionsspezifisches Korrelat ist und auch unabhängig von der P2-Komponente ist. Die Errechnung von Isopotentiallinien für die frühe Positivität zeigt, daß diese ein frontal lokalisierter Prozeß ist.

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