Klinische Neurophysiologie 1996; 27(3): 158-163
DOI: 10.1055/s-2008-1060206
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ganganalyse bei Gesunden und Patienten mit Morbus Parkinson

Gait analysis in healthy subjects and parkinsonian patientsU. Dillmann, D. Ohlmann, G. Fuß, C. Krick, M. Grundmann, J. R. Moringlane1 , K. Schimrigk
  • Neurologische und
  • 1Neurochirurgische Universitätsklinik Homburg/Saar
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

In order to get further informations about the pathophysiology of parkinsonian gait, we examined the EMG-pattern of muscles of the lower extremity [tibialis anterior (TA), medial head of gastrocnemius (CC), vastus medialis (VM), biceps femoris (BF), iliopsoas (IP) and gluteus maximus (GM)] in 20 parkinsonian patients and 15 normal controls during normal gait on a treadmill. The different phases of a step were identified by pressure sensors. The begin of a step-cycle was defined by the increase of heel-pressure. The duration of the EMG-activity was given as percentage of the normalized step-cycle, and the amplitude of the EMG-activity was given as percentage of the maximal isometric activity. 14-16 step-cycles were averaged.

The gait velocity was significantly reduced in parkinsonian patients, whereas there was no difference of the step-duration. Within the step-cycle, the stance phase was significantly prolonged in parkinsonian patients. This can be explained by an increased duration and amplitude of EMG-activity of VM and BF in the stance phase. In both groups, TA and CC showed an antagonistic EMG-pattern, the amplitude of TA was significantly increased in parkinsonian patients. In addition, moderately affected patients (Webster-scale) showed a decreased duration of GC-activity which can also result in a prolonged stance phase. The proximal muscle groups showed synergistic activities. In parkinsonian patients, BF was delayed during swing phase. Together with an increased amplitude of VM, this can explain the reduced extent of knee-flexion. The amplitude of the GM was significantly increased which can detoriate hip-flexion. These alterations were more pronounced in moderately affected in comparison with slightly affected patients. These findings were related to the severity of clinical affection and correspond to the clinical signs of the short-stepped and stiff gait of parkinsonian patients.

Zusammenfassung

Zur Klärung der Pathophysiologie des charakteristisch veränderten Gangbildes bei Parkinsonpatienten untersuchten wir die EMG-Aktivität von drei Muskelpaaren der unteren Extremität [M. tibialis anterior und M. gastrocnemius, M. vastus medialis und M. biceps femoris, M. glutaeus maximus und M. iliopsoas] bei 15 Gesunden und 20 Patienten während des Gehens mit normaler Geschwindigkeit auf einem Laufband. Drucksensoren an Ferse und Großzehenballen dienten der Aufzeichnung der Schrittphasen. Durch den Anstieg des Druckes an der Ferse wurde der Beginn eines Schrittzyklus festgelegt. Die Dauer der Muskelaktivität wurde prozentual zum normierten Schrittzyklus und die Amplitude der EMG-Aktivität in Prozent der isometrischen Maximalamplitude angegeben. Die Registrierdauer betrug zwanzig Sekunden, je nach Ganggeschwindigkeit entsprach dies 14-16 Schrittzyklen, die zur Auswertung gemittelt wurden. Die Ganggeschwindigkeit war bei Parkinsonpatienten deutlich reduziert, während die Schrittdauer sich nicht unterschied. Innerhalb des Schrittzyklus zeigten die Patienten eine signifikant verlängerte Standphase. Ursächlich hierfür konnte eine verlängerte Aktivierung und erhöhte Amplitude vom M. vastus medialis und M. biceps femoris in der Standphase nachgewiesen werden. M. tibialis anterior und M. gastrocnemius wiesen in beiden Gruppen ein antagonistisches Muster auf, die Amplitude des M. tibialis anterior war bei Patienten jedoch signifikant erhöht. Bei mittelschwer betroffenen Parkinsonpatienten (Webster-Skala) war zusätzlich eine Verkürzung der Dauer der Aktivierung des M. gastrocnemius nachweisbar, was ebenfalls durch eine verminderte Fußsenkung zur Verlängerung der Standphase führt. Die beiden proximalen Muskelpaare zeigten bei Gesunden synergistische Aktivität von der Schwung- bis in die mittlere Standphase. Bei Parkinsonpatienten wurde der M. biceps femoris später in der Schwungphase aktiviert, zusätzlich zeigt der M. vastus medialis eine deutlich erhöhte EMG-Aktivität. Diese Konstellation erklärt das verminderte Ausmaß der Kniebeugung. Hinsichtlich der Hüftmuskulatur fand sich die Amplitude des M. glutaeus maximus, der als Antagonist der Hüftbeuger wirkt, in der Patientengruppe signifikant erhöht. Dies kann über eine verminderte Hüftbeugung die verkürzte Schwungphase und damit die verkürzte Schrittlänge bei Parkinsonpatienten erklären. Unsere Befunde waren bei mittelschwer betroffenen Patienten stärker ausgeprägt als bei leicht Betroffenen. Der kleinschrittige und steife Gang von Parkinsonpatienten ist durch die von uns beschriebenen Veränderungen der Muskelaktivierung erklärbar.

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