Klinische Neurophysiologie 1998; 29(1): 29-36
DOI: 10.1055/s-2008-1060115
Originalia

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Elektrophysiologische Befunde bei der Synästhesie

Electrophysiological Findings in SynesthesiaK. Schiltz2,3 , K. Trocha3 , B. M. Wieringa1 , H. M. Emrich3 , S. Johannes1 , T. F. Münte1,2
  • 1Neurologische Klinik mit klinischer Neurophysiologie, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Department of Cognitive Science, University of California San Diego, USA
  • 3Abteilung Klinische Psychiatrie, Medizinische Hochschule Hannover
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Publication History

Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

Synesthesia is a rare condition in which individuals who are stimulated in one modality simultaneously experience sensations in another (e.g. coloured hearing). A relation to eidetic abilities has been suggested. A group of 17 persons with colour-word synesthesia and a control group (n = 17) were tested in an experiment designed to induce a sensory conflict: In a study phase subjects were exposed multiple times to 4 Japanese characters, each of which having a specific colour. In the test phase, the subjects were again exposed to these characters. However, the colour-symbol combinations now varied randomly with the subjects' task to press one of four buttons having the same colour as the visualised symbol. Parallel to the testphase event-related potentials were recorded from 19 electrodes. The reaction times of both groups showed an interference between the colour learned during the study phase and the color presented in the test phase. No effect of learned colour was observed in the brain potentials. Hence the proposed relation of synesthesia to eidetic abilities could not be ascertained. However, a marked group difference was obtained, in that the waveforms of the synaesthetic subjects were more positive over anterior brain areas. This suggests that the frontal lobe plays a crucial role in the generation of the synaesthetic experience.

Zusammenfassung

Unter Synästhesien versteht man Sinneseindrücke in einer nicht stimulierten Modalität, die die Stimulation in einer anderen Modalität obligat begleiten (zum Beispiel „farbiges” Hören). Eine Beziehung zu eidetischen Fähigkeiten wird angenommen. Eine Gruppe von 17 Personen mit Synästhesien und eine gleichgroße Kontrollgruppe wurden in einem Experiment getestet, das darauf abzielt, intersensorische Konflikte zu induzieren. Während einer Lernphase wurden 4 japanische Buchstaben vielfach in einer immer gleichen, jedoch für jedes Symbol verschiedenen Farbe präsentiert. In der Testphase, während der von 29 Skalppositionen die ereigniskorrelierten Hirnpotentiale registriert wurden, wurden die japanischen Symbole in verschiedenen Farben präsentiert. Die Probanden hatten die Aufgabe, für jedes Symbol einen Knopf zu drücken, der die dem Symbol entsprechende Farbe hatte. Die Reaktionszeiten beider Gruppen zeigten einen geringen, gleichgroßen Interferenzeffekt der gelernten Farbe. Die Hirnpotentiale ergaben hingegen keinen Unterschied zwischen gelernten und nicht gelernten Farb-Symbol-Kombinationen. Somit konnte die postulierte Beziehung von Synästhesien zu eidetischen Fähigkeiten durch dieses Experiment nicht bestätigt werden. Es fand sich jedoch ein signifikanter Gruppenunterschied, dergestalt, daß die Synästhesie-Probanden über frontalen Kortexarealen einen wesentlich positiveren Kurvenverlauf nahmen. Die mögliche Rolle des frontalen Kortex bei der Entstehung von Synästhesien wird diskutiert.

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