Minim Invasive Neurosurg 1983; 26(3): 66-79
DOI: 10.1055/s-2008-1053615
Originalarbeiten - Articles

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anfallsprophylaxe mit Carbamazepin nach schweren Schädelhirnverletzungen*

Epilepsy Prophylaxis with carbamazepine in severe brain injuriesF. L. Glötzner, I. Haubitz, F. Miltner, G. Kapp, K.-W. Pflughaupt
  • Neurologische Universitätsklinik Würzburg (Direktor: Prof. Dr. H. G. Mertens)
  • Neurochirurgische Universitätsklinik Würzburg (Direktor: Prof. Dr. K.-A. Bushe)
  • Rechenzentrum der Universität Würzburg
* Teilweise mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms «Epilepsieforschung».
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Zusammenfassung

In der vorliegenden Untersuchung wird die Wirksamkeit einer vorbeugenden Gabe von Carbamazepin nach schweren Schädelhirnverletzungen geprüft. Zugleich wird versucht, ausreichende Kriterien für die Indikation zu einer solchen Behandlung zu erarbeiten. In die Studie wurden 139 Patienten aufgenommen, die älter als 15 Jahre waren und eine substantielle Hirnschädigung erlitten hatten. Die Verletzten wurden nach dem Zufall in zwei Gruppen - Carbamazepin versus Placebo - eingeteilt. Die Behandlung erfolgte im einfachen Blindverfahren, wurde möglichst unmittelbar nach dem Unfall auf der neurochirurgischen Intensivstation begonnen und erstreckte sich über 1 œ bis 2 Jahre. Carbamazepin wurde nach der Blutspiegelbestimmung dosiert und im therapeutischen Bereich gehalten. Beim Auftreten eines klinischen oder EEG-Anfalles unter Placebo-Gabe wurde sofort auf Carbamazepin umgestellt. Unter Carbamazepin fanden sich signifikant weniger Verletzte mit Anfällen als unter Placebo (p < 0.05). Dieser Unterschied war auch bei den Frühanfällen der 1. Woche signifikant, jedoch nicht mehr bei den Spätanfällen. Als Verletzungen, die besonders zu posttraumatischen Anfällen disponieren, stellten sich Schäden in der parietalen und temporalen Region, Subduralhämatome in allen Lokalisationen, temporale und bis nach okzipital ausgedehnte Kontusionen, parietale komplizierte Epiduralhämatome und die schweren Komazustände mit Ausnahme des primären Mittelhirnsyndroms heraus. Das primäre Mittelhirnsyndrom, das weitgehend mit der Hirnstammkontusion zusammenfällt, war mit einem geringen Risiko behaftet. Alle anderen genannten Verletzungsfolgen können als Indikation zur gezielten antiepileptischen Prophylaxe herangezogen werden. Als Therapieplan wird die orale Carbamazepin-Gabe anfangs über die Magensonde in der Dosierung von 3 × 100 mg in den ersten 2 Tagen und dann ansteigend auf 3 × 200 mg je nach Blutspiegel empfohlen. Wenn die orale Applikation in den ersten 12 Stunden nicht möglich ist, kann mit 750 mg Phenytoin als Phenydan®-Infusions-konzentrat am 1. Tag und 250-500 mg intravenös am 2. Tag bis zum Übergang auf Carbamazepin begonnen werden. Die Behandlung sollte etwa ein Jahr dauern.

Abstract

In this article the efficacy of carbamazepine for seizure Prophylaxis in severe head injuries is tested. In addition, conditions with high risk of seizures requiring prophylactic regimen, were defined. One hundred and thirty-nine patients above 15 years of age with severe head injuries were included in the study. They were randomly divided into two groups - carbamazepine versus placebo. Prophylaxis was started immediately after the accident and was continued for one and a half to two years. Carbamazepine dosage was adjusted individually to provide serum levels within therapeutic range. In case of a seizure all the necessary clinical management was initiated. Patients on carbamazepine showed a lower probability of post-traumatic seizures than those on placebo (p < 0.05). This difference was statistically significant with regard to early seizures within the first week and with regard to the follow-up time in total, but not regarding late seizures per se.

Brain lesions with a high risk of post-traumatic seizures were situated in the parietal and temporal areas and included acute subdural haematomas in all locations, temporal lobe contusions, parietal epidural haematomas accompanied by other lesions and the deep stages of coma. Brain stem contusions were accompanied by a rather low probability of seizures. The above mentioned types and locations of brain lesions with the exception of brain stem contusions justify antiepileptic Prophylaxis. The regimen consists of oral carbamazepine 100 mg three times daily by gastric tube during the first two days increasing to about 200 mg three times daily on the third day corresponding to the serum level. If oral medication is not possible within the initial twelve hours, phenytoin in a dose of 750 mg Phenhydan®-Infusion Konzentrate is given on the first day, followed by an intravenous dose of 250-500 mg on the second day or until oral carbamazepine administration is tolerated. Treatment should be continued for one year.

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