Klin Padiatr 1996; 208(4): 172-178
DOI: 10.1055/s-2008-1046469
Epidemiologische Studien

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Case Control Study of Neuroblastoma in West-Germany after the Chernobyl Accident

Fallkontrollstudie zum Anstieg der Neuroblastom-inzidenz in Deutschland nach dem Tschernobyl-UnfallJörg  Michaelis1 , Hans Günter Haaf1 , Jan  Zöllner1 , Peter  Kaatsch1 , Frank  Krummenauer1 , Frank  Berthold2
  • 1Institut für Medizinische Statistik und Dokumentation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 2Universitäts-Kinderklinik Köln
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Publication Date:
13 March 2008 (online)

Abstract

Background To explore possible causes of a 1988 incidence peak of infant neuroblastoma in west German regions which were contaminated with more than 6000 Bq/m2 Csl37 from the Chernobyl accident. The primary working hypothesis was that parents of the diseased children had been contaminated by an excessive intake of locally produced food, especially mushrooms or deer.

Design Case control study with 1:2 (cases:controls) matching. Data were collected from the children's parents by questionnaires and telephone interviews.

Setting Nation-wide study (former FRG) based on the German Childhood Cancer Registry.

Subjects Cases born in 1988 and reported with a neuroblastoma to the registry until March 1992. Population based healthy controls, matched for age, sex and residence at time of diagnosis.

Results The working hypothesis could not be confirmed by the study, because the parents of cases tended to eat less locally grown food than the parents of controls (RR = 0.63,95% CI: 0.20-1.97). Possible influence factors which previously have been described to be associated with neuroblastoma incidence could not be confirmed by the study. Parental exposure to herbicides and pesticides was associated with the occurrence of neuroblastoma (RR = 4.2,95% CI: 1.4-12.9). Neuroblastoma stage distribution in the contaminated regions was shifted towards lower stages as compared to the less contaminated regions and previous age cohorts.

Conclusions The study does not show additional evidence that the observed increase in neuroblastoma incidence might have been caused by exposure to fallout from the Chernobyl accident. The observed shift towards lower clinical stages may rather indicate increased diagnostic awareness. The association between neuroblastoma and parental exposure with herbicides and pesticides resulted from an extensive exploratory data analysis and needs to be confirmed in further studies.

Zusammenfassung

Hintergrund 1988 wurde ein Inzidenzpeak für Neuroblastome bei Säuglingen in den westdeutschen Regionen beobachtet, die nach dem Tschernobyl-Unfall mit mehr als 6000 Bq/m2 CsI37 belastet waren. Die Arbeitshypothese lautete, daß die Eltern der erkrankten Kinder möglicherweise durch die Ingestion lokal erzeugter, insbesondere stärker kontaminierter Lebensmittel, wie Pilze oder Wild, einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt waren.

Studiendesign Eine Fallkontrollstudie mit einem Matching von 2 Kontrollen zu einem Fall wurde durchgeführt. Daten wurden von den Eltern anhand eines Fragebogens und eines ergänzenden telefonischen Interviews erhoben.

Patienten und Kontrollen Bundesweit wurden 1988 geborene, dem Deutschen Kinderkrebsregister bis März 1992 mit einem Neuroblastom gemeldete Kinder in die Studie einbezogen. Als Bevölkerungskontrollen wurden alters- und geschlechtsgleiche nicht erkrankte Kinder aus den gleichen Wohnorten wie die erkrankten Kinder über Einwohnermeldeämter ausgewählt.

Ergebnisse Die Arbeitshypothese konnte nicht bestätigt werden, da die Eltern der erkrankten Kinder weniger lokal erzeugte Lebensmittel zu sich nahmen als die Eltern der Kontrollen (relatives Risiko RR = 0,63; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,20-1,97). Mögliche, bereits beschriebene Einflußfaktoren von Neuroblastomen konnten ebenfalls nicht bestätigt werden. Die elterliche Exposition mit Herbiziden und Pestiziden ergab jedoch mögliche Assoziationen mit dem Auftreten von Neuroblastomen (RR = 4,2; 95%-KI: 1,4-12,9). Es zeigte sich, daß in den Regionen mit erhöhter Inzidenz deutlich mehr Patienten mit frühen Erkrankungsstadien zu verzeichnen waren als in den nur gering kontaminierten Regionen oder in früheren Alterskohorten.

Schlußfolgerungen Die Studie erbrachte keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Unfall in Tschernobyl und dem erhöhten Auftreten von Neuroblastomen. Eine Verschiebung der Stadienverteilung hin zu niedrigeren Stadien in den höher kontaminierten Regionen mag auf eine erhöhte diagnostische Aufmerksamkeit zurückzuführen sei. Die beobachtete Assoziation zwischen der elterlichen Exposition mit Herbiziden und Pestiziden und dem Auftreten von Neuroblastomen ergab sich aus explorativen Datenanalysen und bedarf einer Überprüfung in Studien mit anderen Populationen.

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