Fortschr Neurol Psychiatr 2008; 76(3): 173
DOI: 10.1055/s-2008-1038112
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellungnahme

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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Stellungnahme

Amalgam besteht aus metallischem Quecksilber und einem Legierungspulver. Letzteres setzt sich vorwiegend aus Silber, Zinn und Kupfer zusammen, und, bei einigen Zubereitungen, wiederum geringen Quecksilberanteilen. Der Quecksilber-Endgehalt von Amalgam liegt daher auch bei Verwendung neuerer Legierungspulver bei ca. 50 Prozent und nicht - wie in der älteren Broschüre des BfArM genannt - bei unter zwei Prozent. Amalgam ist zweifellos eine wesentliche Quelle der humanen Quecksilberbelastung.

Gegenstand der hier geführten Diskussion ist der Zusammenhang von Quecksilber und Alzheimer-Demenz (AD) - nicht eventuelle andere Wirkungen von Quecksilber auf das Nervensystem und andere Organe. Speziell zur Frage der AD liegen bisher nur wenige und uneinheitliche Befunde vor. Epidemiologische Studien, ob mit positiven oder negativen Befunden, sind leider mit einer Reihe methodischer Probleme belastet, zum Beispiel dem Verlust Amalgam-tragender Zähne im Alter, Ungewissheit über den früheren Zahnstatus, verschieden toxischen Formen des Quecksilbers, variable Freisetzung von Quecksilber aus Füllungen, schwacher Zusammenhang von aktuellen Spiegeln mit früherer Aufnahme und aktueller ZNS-Belastung etc.

Ca. ein Drittel der über 90-jährigen sind dement - zwei Drittel also nicht dement. Erst bei Höchstaltrigen über 95 Jahre steigt der Anteil auf über 50 Prozent, in niedrigeren Altersklassen leidet nur eine kleine Minderheit unter AD [1]. Welcher Prozentsatz der Amalgamträger letztlich betroffen ist, ist aber für die Frage einer möglichen Begünstigung von AD durch Quecksilber nicht entscheidend. Dass hier anderen Faktoren eine wesentliche Bedeutung beikommt, ist sicher, vor allem dem APO-E-Polymorphismus sowie weiteren ungenügend geklärten genetischen Faktoren, welche der starken familiären Disposition bei sporadischer AD zugrunde liegen, und außerdem metabolische Risikofaktoren. Zufolge der Amyloid-Hypothese entsteht die AD durch eine Schädigung von Nervenzellen im Gefolge der (Über-)Produktion von β-Amyloid. Dass dieser Prozess langsam über Jahrzehnte abläuft, erklärt, warum das Lebensalter der bei weitem stärkste Risikofaktor der AD ist - unbeschadet einer eventuellen Rolle von Quecksilber. Die erhebliche Steigerung der Lebenserwartung, zuletzt um circa 10 Jahre im vergangenen halben Jahrhundert, sowie des Bevölkerungsanteils Hochbetagter, genügt sehr wahrscheinlich, um die steigende Inzidenz der AD zu erklären. Hinweise für eine Erhöhung der altersbezogenen Inzidenz in den letzten Jahrzehnten liegen nicht vor; es gibt allerdings auch erst seit vergleichsweise kurzer Zeit zuverlässige Daten. Ein Zusammenhang von AD und erhöhtem Amalgameinsatz nach dem zweiten Weltkrieg kann von dieser Seite nicht unterstützt werden.

Literatur

  • 1 Bickel H. Epidemiologie und Gesundheitsökonomie. In: Wallesch CW, Förstl H (Hrsg.): Demenzen. Stuttgart: Thieme 2005: 1-15

Prof. Dr. Klaus Schmidtke

Zentrum für Geriatrie und Gerontologie

Lehener Str. 88

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Email: klaus.schmidtke@uniklinik-freiburg.de

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