Klin Monbl Augenheilkd 1996; 209(8/09): 138-143
DOI: 10.1055/s-2008-1035293
Experimentelle und theoretische Studien

© 1996 F. Enke Verlag Stuttgart

Begutachtung der chirurgischen Erstversorgung nach experimenteller Verätzung

Experimental Investigation of the Early Performed Surgical Treatment of Severely Burned EyesJacob Becker, Sabine Salla, Christiane Werry, Karsten Oppermann, Johannes Meyer
  • Laboratorium der Augenklinik der RWTH Aachen (Direktor: Prof. Dr. med. M. Reim)
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Publication History

Manuskript erstmalig eingereicht am 20.09.1995

in der vorliegenden Form angenommen am 14.11.1995

Publication Date:
24 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Die initiale Versorgung schwerster Augenverätzungen ist ausschlaggebend für den oft Monate oder Jahre andauernden Heilungsprozess. Um die Bedeutung der frühzeitig durchgeführten chirurgischen Eingriffe für einen komplikationsarmen Krankheitsverlauf zu verstehen, wurden diese in experimentellen Studien nachvollzogen.

Material und Methoden Jeweils das rechte Auge von 20 Kaninchen wurde 48 Stunden nach schwerster Verätzung des vorderen Segments (1 n NaOH für 30 s) chirurgisch versorgt. Die erste Studie beinhaltete die Nekrosenausschneidung in Kombination mit der Tenonplastik, dem Aufkleben eines künstlichen Epithels und der abschließenden Blepharorhaphie. In einer weiteren Studie wurde auf die Blepharorhaphie verzichtet und die Fornices postoperativ mit Hilfe eines stumpfen Spatels von Verwachsungen freigehalten. Zusätzlich wurde als antiinflammatorische Therapie eine Depotinjektion Volon A 40 verabreicht. Nach der klinischen Beobachtung über einen Zeitraum von 4–18 Wochen wurden die Augen histologisch begutachtet.

Ergebnisse Die durch die Blepharorhaphie ruhig gestellten Augen zeigten ein erhöhtes Infektionsrisiko und ein vermehrtes Auftreten von proliferativen Veränderungen der bindegewebigen Anteile sowie eine höhere Ulzerationsrate der Hornhäute. Im Gegensatz dazu konnten diese Komplikationen in der zweiten Studie durch konsequente klinische Kontrolle des künstlichen Epithels und der Fornices reduziert werden.

Diskussion Es konnte gezeigt werden, dass proliferative Prozesse im Rahmen der Verätzungskrankheit ernstzunehmende Komplikationen darstellen. Das Ausmaß kann jedoch durch konsequente mechanische Behandlung verringert und die daraus resultierende reaktive Entzündung durch eine ergänzende antiinflammatorische Therapie beherrscht werden. Desweiteren wurde deutlich, dass das intakte künstliche Epithel eine wichtige Maßnahme ist, um ein geeignetes Wundbett für eine spätere Keratoplastik zu schaffen. Um eine postoperative Kontrolle zu ermöglichen, sollte von einer Blepharorhaphie abgesehen werden.

Summary

Background Initial surgical treatment of severe eye burns is important for the long lasting healing period. To look closer at the efficacy of the early surgical treatment and the possible consequences for woundhealing, the surgical interventions were examined in an animal experiment.

Materials and Methods The right eye of 20 rabbits each was burned with 1 n NaOH for 30 seconds followed by a surgical treatment 48 hours later. In the first study necrosectomy, tenonplasty, application of an artificial epithelium and ble-pharoplasty were performed. In a comparable study ble-pharoplasty was withdrawn and the fornices were prevented from cicatrization by mechanical treatment with blunt spatula. Antiinflammatory depotinjection of Volon A 40 was ap-plicated additionally. After an interval of 4–18 weeks the eyes were examined histologically.

Results A higher risk for infections could be observed in eyes which underwent blepharorhaphy. Furthermore proliferative processes and corneal ulcerations were predominant. In contrast to these findings the latter complications could be prevented due to the clinical inspection of the artificial epithelium and described mechanical irritation of the fornices in the second study.

Discussion It could be shown that proliferative processes are major complications after severe burns of the eye. Nevertheless the intensity could be minimized by the consequent use of blunt spatula in combination with antiinflammatory therapy. Furthermore it could be demonstrated that the artificial epithelium is an effective tool providing good prognosis for subsequenty planned keratoplasty. To enable necessary postoperativ inspection blepharoplasty should be avoided.

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