Klin Monbl Augenheilkd 1996; 208(1): 48-55
DOI: 10.1055/s-2008-1035167
© 1996 F. Enke Verlag Stuttgart

Die inkomplette kongenitale stationäre Nachtblindheit (CSNB). Eine wichtige Differentialdiagnose des kongenitalen Nystagmus

Incomplete Congenital Stationary Night Blindness (CSNB). An Important Differential Diagnosis in Congenital NystagmusBirgit Lorenz, Monika Andrassi, Klaus-Dieter Miliczek
  • Klinikum der Universität Regensburg. Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde (Direktor: Prof. Dr. med. V.-P. Gabel)
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Publication History

Manuskript erstmalig eingereicht am 18.07.1995

in der vorliegenden Form angenommen am 14.08.1995

Publication Date:
08 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Die Klassifikation des kongenitalen Nystagmus bei ophthalmoskopisch normalem Auge und sonst gesundem Kind ist in den ersten Lebensjahren besonders schwierig. Nystagmus und Visusminderung können bei dieser Altersgruppe die einzigen klinischen Zeichen einer kongenitalen stationären Nachtblindheit sein. Wird nicht gezielt nach Nachtblindheit gefragt und ein ERG abgeleitet, kann die Diagnose unerkannt bleiben.

Patienten und Methoden Wir berichten über die klinischen Daten von zwei Familien mit inkompletter CSNB, die lange Zeit nicht diagnostiziert worden war. In beiden Familien war der elektroretinographische Befund gut mit einer CSNB vereinbar. Das ERG der obligaten Konduktorin war normal. Zur Differenzierung zwischen einem kompletten und inkompletten Typ und zur Identifizierung weiterer Konduktorinnenzeichen wurden als psychophysische Untersuchungen die skotopische Perimetrie und die Dunkeladaptation bei den Betroffenen und Überträgerinnen durchgeführt. Die skotopische Perimetrie testet die Funktion der Stäbchensehbahn in ihrer räumlichen Verteilung.

Ergebnisse Bei den Betroffenen mit erloschenem ERG zeigte sich in der skotopischen Perimetrie und in der Dunkeladaptation eine Stäbchenrestfunktion. Somit war die Einordnung der CSNB mit negativem ERG in einen inkompletten Typ möglich. Bei den Überträgerinnen könnte der isolierte Empfindlichkeitsverlust bei 600 nm in der skotopischen Perimetrie ein neues Konduktorinnenzeichen sein.

Schlußfolgerungen Die korrekte Diagnose der verschiedenen Typen von CSNB und die Identifizierung von Überträgerinnen ist für (1) die genetische Beratung und (2) die Genidentifizierung durch weitere Kopplungsuntersuchungen besonders wichtig.

Summary

Background Classifying congenital nystagmus in the absence of biomicroscopically detectable abnormalities of the eye, and in an otherwise healthy child is difficult, especially early in life. At that age, nystagmus and visual loss may be the predominant symptoms of congenital stationary night-blindness. Unless night-blindness is specifically asked for or an ERG performed the correct diagnosis may be missed.

Patients and methods We present the clinical data of two families with X-linked incomplete CSNB previously undiagnosed. ERG recordings in both families were suggestive of CSNB. The ERG of the obligate carrier was normal. In an attempt to distinguish between the complete and the incomplete type, and to identify further carrier signs, scotopic perimetry and dark adaptation were performed in both affected males and carriers. Scotopic perimetry allows to test the rod-mediated visual pathway in its spatial distribution.

Results In affected males with non-recordable ERGs scotopic perimetry and dark adaptation disclosed residual rod function indicating an incomplete type. In carriers, there was a sensitivity loss at 600 nm, which may be a new carrier sign.

Conclusions The correct diagnosis of the different forms of CSNB together with the identification of carriers is important for (1) genetic counselling and (2) linkage studies to identify the gene(s) for CSNB.

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