physioscience 2008; 4(2): 53-54
DOI: 10.1055/s-2008-1027481
Editorial

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Ethische Gesichtspunkte wissenschaftlicher Untersuchungen

D. Brötz1
  • 1Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, MEG-Zentrum
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Publication Date:
13 May 2008 (online)

Wissenschaftliche Studien in der Physiotherapie haben das Ziel, den Nutzen diagnostischer Verfahren, Erfolge von Behandlungsmaßnahmen und Prophylaxe darzustellen und zu optimieren. Außerdem sollen Entstehungsmechanismen und Heilungsvorgänge von Krankheiten besser verstanden werden. Dazu sind Untersuchungen am Menschen notwendig. Der Weltärztebund verabschiedete 1964 auf seiner 18. Generalversammlung die Deklaration von Helsinki zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung (www.bundesaerztekammer.de/downloads/ 92Helsinki.pdf). Seither sollen Studien am Menschen, an identifizierbarem menschlichem Material oder identifizierbaren Daten nach festgelegten ethischen Grundregeln durchgeführt werden. Diese Grundregeln wurden seit dem 1. Beschluss kontinuierlich überarbeitet und ergänzt.

Zur Sicherung der Qualität muss vor Beginn einer jeden Untersuchung am Menschen einer Ethikkommission das entsprechende Studienprotokoll vorgelegt werden. Erst wenn die Ethikkommission ein positives Votum abgegeben hat, wird mit der Studie begonnen. In der Regel geben die Mitglieder der Kommission, die die Sichtweise des Patienten vertreten und nicht direkt in ein Projekt involviert sind, sehr hilfreiche Hinweise zur Optimierung des Prüfplans. Insbesondere die unmissverständliche Aufklärung des Patienten über Risiken, persönlichen Nutzen oder Nichtnutzen und der Datenschutz werden überprüft. Wesentliche Gesichtspunkte sind außerdem die Freiwilligkeit der Teilnahme, Unabhängigkeit von Sponsoren oder anderen äußeren Einflüssen, die das Ergebnis verfälschen könnten, Kompetenz und Qualifikation der beteiligten Wissenschaftler, Wahrscheinlichkeit des Nutzens für den teilnehmenden oder nachfolgende Patienten. 2 für Studien zur Wirksamkeit von Physiotherapie bedeutsame Punkte sind:

Punkt 29: Vorteile, Risiken, Belastungen und die Effektivität eines neuen Verfahrens sind gegenüber denjenigen der gegenwärtig besten prophylaktischen, diagnostischen und therapeutischen Methoden abzuwägen. Dies schließt nicht die Verwendung von Plazebos oder die Nichtbehandlung bei Versuchen aus, für die es kein erprobtes prophylaktisches, diagnostisches oder therapeutisches Verfahren gibt. Punkt 30: Am Ende des Versuchs sollten alle Patienten, die an dem Versuch teilgenommen haben, die sich in der Erprobung als am wirksamsten erwiesenen prophylaktischen, diagnostischen und therapeutischen Verfahren erhalten.

Punkt 29 spricht die wesentlichen Themen Nichtbehandlung und Plazebobehandlung an. Da sich die Physiotherapie immer wieder der Frage ausgesetzt sieht, ob sie überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang gebraucht wird, sind vergleichende Studien mit Nichtbehandlung und unterdosierter Behandlung als Plazebo in einem Studienarm wünschenswert. Dadurch könnten die unerfreulichen Diskussionen der Krankenkassen und der Kostenträger von Krankenhäusern über die notwendige Bezahlung von Physiotherapie Einhalt geboten werden. Dann ließen sich nutzlose Methoden und Behandlungen mit zu geringer Behandlungszeit wirklich einsparen und nützliche Methoden mit einer angemessenen Behandlungszeit auch angemessen bezahlen.

Punkt 30 bringt unter Umständen erhebliche Kosten mit sich. Untersucht man beispielsweise die Wirksamkeit von 2 verschiedenen Strategien zur Schlaganfallrehabilitation mit einem Training über 4 Wochen mit werktäglich 2 Stunden Therapie an 30 Patienten, muss man die Kosten für zusätzliche 4 Wochen Therapie für die 15 Patienten aus dem Studienarm der weniger wirksamen Therapie einplanen.

Ein Ethikantrag muss folgende Schriftstücke enthalten:

Anschreiben an die Ethikkommission mit der Bitte um Abgabe eines Votums zum beiliegenden Studienvorhaben; Studienprotokoll; Aufklärungsschrift; Einverständniserklärung; Dokumentationsbögen; Gegebenenfalls Literaturbeispiele, Patienteninformationsbroschüre und Fotos des Versuchsaufbaus.

Doris Brötz

Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, MEG-Zentrum

Ottfried-Müller-Str. 47

72076 Tübingen

Email: doris.broetz@web.de

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