ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2007; 116(6): 267
DOI: 10.1055/s-2007-984577
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Lege artis - Nie mehr ohne?

Cornelia Gins
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Publication Date:
27 June 2007 (online)

Für die vorliegende Ausgabe der ZWR haben wir den Schwerpunkt Endodontologie ausgewählt und liegen damit voll im Trend. Das zeigte auch die 49. Fortbildungsveranstaltung der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein in der Woche vor Pfingsten auf Sylt: Über 1000 Teilnehmer hatten sich für Vorträge und Workshops angemeldet. Selbst das schönste Inselwetter hielt sie nicht davon ab, regelmäßig bei den Veranstaltung zu erscheinen.

In den letzten Jahren hat sich die Endodontologie rasant weiterentwickelt. Neue Aufbereitungs- und Fülltechniken haben dafür gesorgt, dass die Erfolgsrate der Behandlungen gestiegen ist. Doch die Einführung des Mikroskops bedeutet wohl die größte Zäsur in der endodontischen Therapie. „Nie mehr ohne?” Diese Frage stellten sich wohl die meisten Teilnehmer nach den Vorträgen. So sah ich in den Pausen oder abends beim Gespräch viele ratlose Gesichter.

3 WK und 3 WF bei Molaren ist die Versorgung seit Jahrzehnten in den meisten Praxen. In den seltensten Fällen konnte unter Standardbedingungen noch ein 4. Kanal entdeckt werden. Ganz zu schweigen von den Seitenkanälen der Frontzähne und Prämolaren. War man früher mit der Röntgenkontrolle der 1 bzw. 3 lege artis abgefüllten Kanäle zufrieden, beschleicht den Behandler heute ein ungutes Gefühl. Wie das Nildelta können nun lege artis aufbereitete und gefüllte Wurzelkanäle aussehen. Lege artis!!

Vor dem Hintergrund, dass die meisten Kollegen immer noch die Aufbereitung von Hand der maschinellen Aufbereitung vorziehen, erscheint „lege artis” in einem merkwürdigen Licht. In keinem anderen Fachgebiet der Zahnheilkunde wird die Kluft zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen, den technischen Möglichkeiten und der Realität so deutlich wie in der Endodontologie. Die wirtschaftlichen Aspekte einmal ganz außen vor gelassen.

Was ist also zu tun? Wenn schon nicht ein Mikroskop, dann doch wenigsten die beste aller Lupenbrillen kaufen und dann privat liquidieren? Gibt Diskussion mit dem Patienten. Weiter machen, wie bisher „auf Kasse”: 3 WK, 3 WF? Geht nach jetzigem Wissenstand nun nicht mehr. Also: Zahn extrahieren? Geht auch nicht - könnte man als Körperverletzung auslegen.

Wie dem auch sei: Es muss nun, im Hinblick sowohl auf das Wohl des Patienten, als auch die Wirtschaftlichkeit der Praxis, Position bezogen werden. Wissen soll ja bekanntlich Macht bedeuten. In manchen Fällen leider aber auch Ohnmacht.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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