Balint Journal 2007; 8(2): 61
DOI: 10.1055/s-2007-981227
Buchbesprechung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der zwischenmenschliche Ansatz in der Medizin: Die Arzt-Patienten-Beziehung

B. Maoz, S. Rabin, H. (Eva) Katz, A. Matalon
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 June 2007 (online)

Aus dem Hebräischen von Antje C. Naujoks, Logos Verlag Berlin 2006, 258 Seiten, 25,-€, ISBN 978-3-8325-0972-9

Obwohl vier Autoren für dieses Buch verantwortlich zeichnen, ist es doch ein Buch aus einem Guss, was daran liegt, dass der Senior-Autor, Benyamin Maoz, bis in dieses Jahrtausend hinein das Studienprogramm für Psychotherapie an der Ben-Gurion Universität in Be'er Sheva geleitet hat und dabei enge Arbeitsbeziehungen zu den Mitautoren entstanden sind. Herausgekommen ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis, wobei Praxis hier als praktische ärztliche Tätigkeit gemeint ist, ob in der Klinik oder in der eigenen Praxis. Die Arzt-Patient-Beziehung, die das Handeln von Ärzten und Patienten bestimmt, wird in der nur an Fakten interessierten Evidence Based Medicine ausgeklammert. Das Arzt-Sein und auch das Patienten-Sein ist vielfältigen Veränderungen unterworfen, dadurch ändert sich auch das Umfeld der Hausarztes. Viele Anregungen enthält das Buch über den Umgang mit Patienten aus anderen Kulturkreisen, was ja auch bei uns zunehmend wichtiger wird.

Die Probleme der Nähe-Distanz-Regulierung werden mit Hinweisen für zu starkes Engagement oder zu starke Distanzierung an praktischen Beispielen verdeutlicht. Das Kapitel Loyalitätskonflikte stellt sich insbesondere für den Hausarzt oder Familienarzt, also für den, der mehrere Familienmitglieder betreut. Es ergeben sich aber auch zunehmend häufiger Konflikte im Zusammenhang mit der Loyalität gegenüber der Gesellschaft und dem Anliegen eines Patienten. Wie gehe ich als Arzt mit Verletzungen und Beleidigungen um? Wie steuere ich meine eigene Aggressivität? Und wie gehe ich um mit Patienten im Schatten des Todes? Das sind Fragen, die an konkreten Beispielen erörtert werden. Die sich daraus ergebenden Handlungsanweisungen, die hier entwickelt werden, werden nachvollziehbar aus der Praxis, d. h. aus der jeweils individuellen Arzt-Patienten-Beziehung, abgeleitet. Die ständigen Veränderungen im Gesundheitssystem tragen ebenso zum berufsbedingten Stress bei, wie die überhöhten Ansprüche des Arztes und etwaige Allmachtsphantasien, die sich dann z. B. darin ausdrücken, dass der Tod eines Patienten als persönliche Niederlage empfunden wird.

Die Reduzierung der eigenen Ansprüche auf ein realistisches Maß und die Ausbalancierung zwischen Berufs- und Privatleben sind wesentliche Bausteine der Burnout-Prophylaxe. Die mit dem Berufsideal verbundenen unrealistischen Standards eines „omnipotenten” Arztes sollten Platz machen für die Vorstellung eines hinreichend guten Arztes. Die Reflexion über die eigenen Beweggründe und Handlungsvollzüge wird gefördert durch die Teilnahme an Balint-Gruppen, in denen sich ein Arzt bewusst werden kann, warum er mit einer bestimmten Art von Patienten Schwierigkeiten hat, was häufig gar nicht primär mit dem Patienten zu tun hat, sondern mit der Geschichte des Arztes. Solche Balint-Gruppen sensibilisieren die Wahrnehmung und dienen gerade in belastenden Situationen der eigenen Psychohygiene.

Die verschiedenen Interventionsmöglichkeiten werden mit ihren Folgewirkungen an praktischen Beispielen exemplifiziert. Im 14. Kapitel gehen die Autoren der Frage nach, wie der zwischenmenschliche Ansatz in der Medizinerausbildung vermittelt werden kann, sodass Kommunikationsfähigkeit, Gefühle und Wissen in der Diagnosestellung und Therapieplanung zusammenfließen. Hieraus ergeben sich wichtige Ansätze für die Umsetzung der neuen Approbationsordnung bei uns, damit die Diagnose sich auf das Leiden des kranken Menschen, also auf das Kranksein bezieht und „nicht im Bereich der Interpretation von Befunden stecken bleibt”.

Die Autoren schließen mit kurzen Kapiteln über Systemdenken und Salutogenese. Das salutogenetische Paradigma geht von einem Kontinuum zwischen Gesundsein und Kranksein aus, d. h., man findet bei jedem Kranken etwas Gesundes und bei jedem Gesunden auch etwas Krankes.

Ein solches Denken bezieht sich auf das Narrative, also auf die Geschichte, die das Krankwerden darstellt.Es wird sich auf die Dinge konzentrieren, die sich dem Gesundwerden entgegenstellen und so auch zur Ressourcenaktivierung beitragen.

Diese sehr praxisnahen Kapitel stellen für jeden Arzt eine Bereicherung dar, der sein Tun nicht auf Faktensammlung und technische Applikationen beschränkt sehen will. Dies wird sowohl für den Patienten als auch für den Arzt zu einem größeren Maß an Befriedigung in der Begegnung führen.

Im letzten Kapitel von Petzold und Perlitz wird ein Brückenschlag versucht, in einem eher theoretischen Exkurs, zwischen Salutogenese und der anthropologischen Medizin Viktor von Weizsäckers. Und sie liefern so für Vieles, von dem was vorher besprochen wurde, einen theoretischen Bezugsrahmen.

Friedhelm Lamprecht, Schömberg

    >