Pädiatrie up2date 2007; 2(3): 245-264
DOI: 10.1055/s-2007-966673
Endokrinologie/Stoffwechsel

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Säuglingsernährung

Erika  Sievers, Mathilde  Kersting
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Publication Date:
31 July 2007 (online)

Besonderheiten und Chancen

Die Anforderungen an eine optimale Ernährung sind in der frühen Kindheit besonders hoch. Die Ernährung in diesem Alter kann neben kurzfristigen Effekten auch langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben (Abb. [1]) [1] [2] [3] [4]. So haben z. B. Kinder mit normaler Geburtslänge und -gewicht, deren BMI in den ersten 6 Monaten stark anstieg, mit 7 Jahren ein deutlich höheres Risiko, übergewichtig zu sein [5]. Die frühe Gewichtsentwicklung verdient deshalb eine sorgfältige Beobachtung in der kinderärztlichen Vorsorge. Eine gesunde Ernährung von Anfang an eröffnet besondere Chancen einer Primärprävention, eine ungeeignete Ernährung im frühen Kindesalter kann dagegen schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen.

Abb. 1 Kurz- und langzeitige Effekte der frühen Ernährung (nach [1]).

Die natürliche Form der Säuglingsernährung ist das Stillen. Es wird von nationalen und internationalen Fachorganisationen einhellig empfohlen [2] [6] [7] [8]. Heute liegen neben umfangreichen Kenntnissen über die ernährungsphysiologischen und funktionellen Besonderheiten der Muttermilch auch Empfehlungen zum Stillmanagement und zur Unterstützung stillender Mütter vor.

Stillen - die aktuelle Entwicklung in Deutschland

Nachdem lange Zeit nur die Minderheit der Säuglinge gestillt wurde und obwohl die Stillraten in den letzten Jahren wieder steigen (Tab. [1]), kann im Unterschied zu den skandinavischen Ländern noch nicht wieder von einer selbstverständlichen „Stillkultur” in Deutschland gesprochen werden. Dies macht, wie z. B. auch in den USA [6], eine professionelle Unterstützung insbesondere durch die Kinderärzte notwendig. Andererseits ist eine informierte Entscheidung der Mütter/Familien gegen das Stillen zu respektieren und ihnen eine entsprechende fachliche Beratung anzubieten. Der Vergleich mit den Ergebnissen aus Schweden (Tab. [1]) verdeutlicht, dass in Deutschland derzeit besonders Maßnahmen zur Stillförderung verstärkt werden sollten, die in der Schwangerschaft oder den ersten Monaten nach der Geburt ansetzen. Dies wird auch durch einen Review zu Effekten des Stillens auf die Gesundheit und Modellberechnungen aus den Niederlanden gestützt [4].

Tabelle 1 Anteil der gestillten Kinder in Deutschland und Schweden Land, Untersuchung Initial 2 Monate 4 Monate 6 Monate gestillte Säuglinge (%) insgesamt gestillt ausschließlich gestillt Deutschland, bundesweit 1997/1998 SuSe 9 86 42 33 10 Deutschland, Stillverhalten in Bayern 2005/2006 10 89,5 44,7 41,7 21,4 Schweden, landesweit, Stillstatistik 2004 11 98 77,3 63,8 19,2 SuSe: Studie „Stillen und Säuglingsernährung”

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Priv. Doz. Dr. Erika Sievers, MPH

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