Gastroenterologie up2date 2007; 3(2): 93
DOI: 10.1055/s-2007-966497
Klinisch-pathologische Konferenz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Juvenile Polyposis des Magens

Waltraut  Friedl
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Publication Date:
03 July 2007 (online)

Sicht des Humangenetikers

Isoliert auftretende juvenile Polypen gehören zu den häufigsten Polypen des Kindesalters. In seltenen Fällen kommen juvenile Polypen in Form eines autosomal dominant erblichen Polyposis-Syndroms vor.

Klinische Diagnose

Die klinische Diagnose Juveniles Polyposis-Syndrom (JPS) - auch als familiäre juvenile Polyposis (FJP) bezeichnet - wird bei einem einzelnen Patienten gestellt, wenn bei ihm mindestens 5 juvenile Polypen im Kolon festgestellt wurden oder wenn bei Vorliegen von mindestens einem typischen juvenilen Polypen weitere Familienmitglieder mit juvenilen Polypen bekannt sind. Die Bezeichnung „juvenile Polyposis” beruht nicht auf dem jugendlichen Erkrankungsalter der Patienten, sondern auf dem Vorliegen von charakteristischen juvenilen Polypen, die histologisch von anderen Darmpolypen (z. B. Adenome, Peutz-Jeghers-Polypen, hyperplastische Polypen) unterscheidbar sind.

Genetik

Mutationen. Etwa 50 % der Fälle von JPS werden durch eine Keimbahnmutation in den Genen SMAD4 oder BMPR1A verursacht; dabei weisen Träger einer Mutation im SMAD4-Gen häufiger auch eine massive Polyposis des Magens auf, wie auch in diesem Fallbericht aufgezeigt wurde. Bei Trägern einer Mutation im BMPR1A-Gen werden Magenpolypen hingegen seltener beobachtet.

Diagnostische Abklärung. Polypöse Veränderungen im Magenfundus werden häufig bei Patienten mit der familiären adenomatösen Polyposis (FAP, verursacht durch Keimbahnmutationen im APC-Gen) gesehen. Hierbei handelt es sich aber histologisch meist um Drüsenkörperzysten, selten auch um einzelne Adenome. Die Magenpolypen beim JPS sind histologisch - wie in dem Fallbericht beschrieben - nicht immer charakteristisch für dieses Syndrom. Zur weiteren Abklärung der Verdachtsdiagnose eines JPS sollte deshalb immer eine Koloskopie mit histologischer Aufarbeitung von evtl. vorhandenen Polypen durchgeführt werden. Der Nachweis einer Keimbahnmutation im SMAD4-Gen bei einem Patienten mit Magenpolyposis bestätigt die Verdachtsdiagnose eines JPS. Falls keine Mutation identifiziert wird, kann die Diagnose eines JPS jedoch nicht ausgeschlossen werden, da zum einen nicht alle genetischen Veränderungen im SMAD4-Gen mit den routinemäßig eingesetzten Methoden der molekulargenetischen Diagnostik erfasst werden können und außerdem Veränderungen in anderen, derzeit noch nicht identifizierten Genen eine Rolle spielen können.

Praktisches Vorgehen

Früherkennungsprogramm. Aufgrund des autosomal dominanten Erbgangs haben Kinder eines Patienten ein Risiko von 50 %, ebenfalls ein JPS zu entwickeln. Wegen des erhöhten Krebsrisikos sollten sie das von der DGVS empfohlene Früherkennungsprogramm wahrnehmen.

Humangenetische Beratung. Die Kenntnis der Mutation bei einem Erkrankten ermöglicht eine sichere prädiktive Diagnostik für alle Risikopersonen der Familie. Entsprechend den „Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen” der Bundesärztekammer sollte die prädiktive molekulargenetische Diagnostik im Rahmen einer humangenetischen Beratung erfolgen. Bei Vorliegen von multiplen Polypen im Magen-Darm-Trakt sollte ein Patient an eine humangenetische Beratungsstelle überwiesen werden. Anhand der klinischen Befunde und der Familienanamnese kann dann eine gezielte weitergehende Diagnostik veranlasst und die Patienten und ihre Familienangehörigen können einer adäquaten klinischen Betreuung in hierfür spezialisierten Zentren zugeführt werden.

Dr. sc. hum. Waltraut Friedl

Institut für Humangenetik

Universitätsklinikum Bonn

Wilhelmstrasse 31

D-53111 Bonn

Email: waltraut.friedl@ukb.uni-bonn.de

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