Radiologie up2date 2007; 7(1): 3-4
DOI: 10.1055/s-2007-966113
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stent oder kein Stent - was lernen wir von SPACE

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Publication Date:
28 February 2007 (online)

Die endovaskuläre Behandlung einer Karotisstenose ist eigentlich kein neues Verfahren. Über die erste erfolgreiche Ballondilatation wurde bereits 1979 berichtet, und seit Anfang der 90er Jahre wird die Therapie recht erfolgreich mit der sog. stentgeschützten Angioplastie durchgeführt. Die Vorteile der Stent-Angioplastie liegen auf der Hand: Der Eingriff kann minimalinvasiv in Lokalanästhesie durchgeführt werden, es besteht kein Risiko einer Nervenläsion und die therapiebedingte Okklusionszeit der Karotis ist deutlich geringer als bei einer Operation, was insbesondere relevant ist, wenn die Kollateraliserung durch den Circulus Willisii nicht ausreicht. Von Stent-Skeptikern werden dagegen das theoretisch erhöhte Embolierisiko, eine technisch bedingte Nichtdurchführbarkeit oder auch eventuelle Leistenkomplikationen ins Feld geführt.

Eine Lösung dieses nicht nur wissenschaftlich geführten Disputes konnte nur eine saubere, prospektive, randomisierte Multizenterstudie bringen. Deshalb wurden um das Jahr 2000 herum in verschiedenen Ländern mehrere Studien initiiert: Neben CREST (USA), EVA3S (Frankreich), IICSS (Großbritannien, Skandinavien) startete 2001 auch die SPACE-Studie (Deutschland, Östereich, Schweiz) [1]. In allen Studien ging und geht es um den direkten Vergleich der operativen CEA („carotis endarterectomy”) mit der endovaskulären CAS („carotid artery stenting”) bezüglich des primären Endpunktes „ipsilateraler Schlaganfall oder Tod” im zeitnahen periprozeduralen Fenster (30 Tage). Die französische Studie wurde vorzeitig aus Sicherheitsgründen gestoppt, da die Komplikationsrate im endovaskulären Arm zu hoch war [2]. Die deutsche Studie (SPACE) endete regulär Anfang 2006 nach Einschluss von 1200 Patienten, die Studien CREST und CAVATAS II rekrutieren zur Zeit noch Patienten.

Die Daten zum primären Endpunkt der SPACE-Studie wurden jetzt publiziert und werden seitdem hitzig diskutiert [3]. Die Studie war als sog. Äquivalenzstudie konzipiert worden, d. h., es sollte auf einem ausreichend hohen statistischen Niveau die Gleichheit der beiden Verfahren nachgewiesen werden. Dieses Ziel konnte jedoch mit der Studie nicht erreicht werden. Die Komplikationsrate betrug für die CEA 6,34 % und für die CAS 6,84 % mit einem Unterschied also von 0,51 %. Ursprünglich waren 950 Patienten pro Behandlungsarm vorgesehen gewesen, wobei die Komplikationsrate in der Studienkonzeption jedoch auf unter 5 % eingeschätzt wurde. Die jetzt etwas höhere Komplikationsrate in beiden Armen ließ auch bei Einschluss einer größeren Fallzahl nicht erwarten, das geplante Äquivalenzniveau (angestrebtes 95 % CI < 2,5 %) zu erreichen, weswegen das „steering-committee” die Studie nach Einschluss von 1200 Patienten beendete.

Es ist auf jeden Fall zu bemerken, dass die Studie keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Therapiearmen nachwies (p = 0,09), auch wenn dieser Aspekt kein primäres Studienziel war.

SPACE ist auf jeden Fall ein Erfolg: Es konnte gezeigt werden, dass es auch in unseren regulierten Gesundheitssystemen möglich ist, eine hochwertige, primär klinikinitiierte Studie mit „Bordmitteln” durchzuführen und zum Abschluss zu bringen.

Leider lässt das Studienergebnis viel Raum zur Interpretation, was z. T. ungefiltert berufspolitisch genutzt wird: Der Gefäßchirurg hebt dabei auf den fehlenden Äquivalenznachweis ab und wertet so das Studienergebnis als klaren Beweis für die Überlegenheit des operativen Verfahrens. Der Interventionalist unterstreicht den fehlenden signifikanten Unterschied zwischen CEA und CAS in der zur Zeit größten kontrollierten Studie. Letztlich beträgt der absolute Unterschied bei einer Studienpopulation von 1200 Patienten auch nur 4 Patienten, was sicherlich als eine „gefühlte” Äquivalenz interpretiert werden darf.

Viel wichtiger als die Beantwortung der Frage, welches Therapieverfahren nun das bessere ist, ist jedoch die Erfahrung von SPACE, dass die größten Unterschiede innerhalb der jeweiligen Therapiearme selbst liegen. Nicht die Therapie, sondern der Therapeut ist der entscheidende Faktor, wenn es um die Komplikationsrate geht. Sowohl die CEA als auch das CAS ist eine manuelle Tätigkeit und wird wesentlich von den Fähigkeiten und der Erfahrung des Therapeuten bestimmt. Diese Erkenntnis sollte vor allem aus SPACE gewonnen werden und ihren Niederschlag in der täglichen klinischen Arbeit finden. Für die Interventionalisten bedeutet dies, dass gerade die Behandlungen an der Karotis sehr gut erlernt werden müssen - an einer ausreichend großen Zahl von Patienten und unter enger und guter Supervision. Das Gehirn unserer Patienten ist zu wertvoll, als dass es zum Lernzweck missbraucht werden darf. Das Prinzip „see one - do one” darf hier nicht greifen, und der Besuch einer Wochenendveranstaltung mit Fallvorführungen reicht eben nicht aus, um diese vermeintlich einfache Therapie durchzuführen. Wenn diese Lehre aus SPACE von allen potenziellen Karotis-Interventionalisten - egal welcher Fachrichtung - gezogen wird, war SPACE ein riesiger Erfolg und die interventionelle Behandlung der Karotisstenose wird eine akzeptierte Therapiealternative für den Patienten sein.

Prof. Dr. Olav Jansen

Literatur

  • 1 Ringleb P, Kunze A, Allenberg J R, Hennerici M, Jansen O, Maurer P C, Zeumer H, Hacke W. Evaluation of stent-protected angioplasty for therapy of symptomatic stenoses of the carotid artery. SPACE and other randomized trials.  Nervenarzt. 2003;  74 (6) 482-488
  • 2 Mas J L, Chatellier G, Beyssen B. et al, EVA-3S Investigators . Endarterectomy versus stenting in patients with symptomatic severe carotid stenosis.  N Engl J Med. 2006;  355 (16) 1660-1671
  • 3 The SPACE Collaborative Group . 30-day results from the SPACE trial of stent-protected angioplasty versus carotid endarterectomy in symptomatic patients: a randomised non-inferiority trial.  Lancet. 2006;  published online Aug 10. DOI:10.1016/S0140 - 6736 (06) 69 122 - 8
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