Geburtshilfe Frauenheilkd 1993; 53(6): 369-378
DOI: 10.1055/s-2007-1022899
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Bedeutung der intrapartalen Asphyxie für die Entstehung von kindlichen Hirnschäden

Importance of Intrapartal Asphyxia for the Development of Brain DamageH. Schneider
  • Universitäts-Frauenklinik Bern
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Die Prävalenz der Zerebralparese ist während der letzten 30 Jahre weitgehend konstant geblieben und beträgt im Mittel 0,2%. Retrospektive Fall-Kontrollstudien lassen in der Mehrzahl keinen Zusammenhang zwischen einer perinatalen Asphyxie und der Entwicklung einer ZP erkennen. Weniger als 10% aller ZP-Fälle weisen in der Vorgeschichte eine schwere Asphyxie im Zusammenhang mit der Geburt als Hauptpathologie und wahrscheinliche Ursache für die ZP auf. Schwere Fälle von Geburtsasphyxie mit Multiorganversagen und Symptomen im Sinne einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie sind mit einer hohen Mortalität belastet und auch das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen ist um den Faktor 10 bis 30 erhöht. Aber dennoch ist die Entwicklung bei den Überlebenden in bis zu 90% der Fälle normal. Durch die Assoziation einer perinatalen Asphyxie mit einer neuromotorischen Entwicklungsstörung ist die kausale Verknüpfung keineswegs bewiesen. Intrapartale CTG-Veränderungen sind unspezifisch für eine fetale Asphyxie und weisen nur eine begrenzte Korrelation mit dem Apgar des Neugeborenen und dem Nabelschnur-pH auf. Ein pathologisches CTG bedingt kein erhöhtes Risiko einer neuromotorischen Entwicklungsstörung und die Verbreitung der intrapartalen CTG-Überwachung hat nicht zu einer Senkung der ZP-Häufigkeit geführt. Zusätzlich zu Mißbildungen sind für die Entstehung von Hirnschäden verschiedene antepartale Pathologien wie Frühgeburtlichkeit, Wachstumsretardierung, konnatale Infektionen von zentraler Bedeutung. Für die Erfassung jedes Falles von Geburtsasphyxie müssen asphyxiebedingte Hirnveränderungen sowie Zusatzpathologien wie konnatale Infektionen und Mißbildungen durch entsprechende diagnostische Untersuchungen einschließlich Schädel-CT, NMR und Ultraschall nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Darüberhinaus ist eine sorgfältige Verlaufsdokumentation für eine abschließende Beurteilung unerläßlich. Für unauffällige Termingeburten sollten vier Voraussetzungen erfüllt sein, bevor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Asphyxie und der Entstehung einer ZP angenommen werden kann:

  • Die Asphyxie muß schwer und anhaltend sein.

  • In der frühen Neugeborenenphase müssen klinische Symptome einer mäßigen bis schweren hypoxischischämischen Enzephalopathie mit funktioneller Beeinträchtigung auch anderer Organe gegeben sein.

  • Die neurologische Symptomatik muß typisch für Störungen sein, die als Folge einer intrapartalen Asphyxie auftreten.

  • Die diagnostische Abklärung zum Ausschluß einer schweren Pathologie muß vollständig sein (21).

Abstract

The prevalence of cerebral palsy is around 0.2% and has remained constant during the last 30 years. Retrospective case-control studies do not show a clear correlation between perinatal asphyxia and the development of cerebral palsy. Less than 10% of all cerebral palsy cases show signs of severe asphyxia during labour and delivery as the major pathological and likely cause for the brain damage. Severe cases of birth asphyxia with multiorgan defects and signs of hypoxicischaemic encephalopathy have a high mortality and the risk of permanent brain damage is increased by a factor of 10 to 30. Inspite of this, 90% of the survivors show normal development. The association between perinatal asphyxia and neuromotor developmental disturbances does not provide proof of a causal connection. Intrapartal abnormalities of foetal heart rate monitoring are not specific for foetal asphyxia and show only a limited correlation with the apgar and the cord blood pH. Foetal heart rate recording with pathological changes does not imply an elevated risk of later problems with neuromotor development and the widespread use of foetal heart rate monitoring during labour and delivery did not result in a significant reduction in the frequency of cerebral palsy. In addition to malformations, various forms of antinatal pathology like prematurity, intrauterine growth retardation and congenital infections are related to the development of brain damage. In each case of birth asphyxia, additional pathology like congenital infections or malformations in addition to changes in brain structure as a result of asphyxia must be ruled out using specific diagnostic methods like ultrasound, computed tomography and magnetic resonance. Furthermore, a careful documentation of the developmental phases is of fundamental importance for a final evaluation. In otherwise unremarkable deliveries at term, four conditions must be fulfilled to postulate a causal relationship between asphyxia and the development of cerebral palsy:

  • The asphyxia must be severe.

  • During the early neonatal period, clinical symptoms of moderate to severe hypoxic-ischaemic encephalopathy with functional impairment of other organs must be present.

  • The neurological symptoms must be typical for intrapartal asphyxia.

  • Documentation of diagnostic evaluation to rule out other forms of pathology must be complete (21).

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