Aktuelle Neurologie 1998; 25(7): 269-276
DOI: 10.1055/s-2007-1017699
Neues in der Neurologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zentrale Schmerzen - Klinik, pathophysiologische Konzepte und Therapie

Central Pain - Clinical Characteristics, Pathophysiological Concepts and TherapyG. Wasner, R. Baron
  • Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Direktor: Prof. Dr. G. Deuschl)
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Publication Date:
30 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Als zentralen Schmerz bezeichnet man chronische Schmerzen nach einer Läsion des zentralen Nervensystems. Die Ursache der Schmerzen ist ein primärer Prozeß im ZNS. Die Schmerzen können bei Verletzungen im gesamten Bereich der Neuraxis entstehen, wobei sich die höchste Inzidenz nach Rückenmarkverletzungen und Läsionen im unteren Hirnstamm und Thalamus findet. Sie entstehen nur dann, wenn die Funktion spino-thalamiko-kortikaler Bahnsysteme involviert ist. Isolierte Störungen im lemniskalen System sind nie mit einer Schmerzentstehung vergesellschaftet.

Klinisch handelt es sich meist um brennende Spontanschmerzen, einschießende Schmerzattacken sowie evozierte Schmerzen (Hyperalgesie und Allodynie) im betroffenen Körperareal, die erst mit einer Latenz von Wochen bis Monaten nach dem auslösenden Ereignis einsetzen. Der Nachweis einer Läsion des ZNS mit bildgebenden Verfahren, insbesondere mit der MRT, oder neurophysiologischen Techniken ist zur Diagnosesicherung erforderlich. Eine periphere Neuropathie sollte ausgeschlossen sein.

Die pathophysiologischen Mechanismen der Schmerzentstehung sind nicht bekannt. Funktionsänderungen der Neurone in bestimmten Thalamuskernen nach Thalamusläsionen, eine neuronale Überaktivität des Thalamus nach einer spinothalamischen Denervation oder eine Supersensibilität von spinalen Neuronen nach partiellen Rückenmarktraumen werden als Ursache diskutiert.

Die Therapie zentraler Schmerzen ist extrem schwierig und führt nur selten zu befriedigenden Ergebnissen. Eine individuelle Wirksamkeitserprobung der einzelnen Substanzen und eine sorgfältige Dosistitration sind erforderlich. Trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva oder, in schweren Fällen, Opioide sollten in Kombination mit der transkutanen elektrischen Nervenstimulation eingesetzt werden. Destruktive Verfahren sind wegen häufiger Schmerzrezidive nicht angezeigt.

Summary

Central pain is defined as chronic pain following a lesion or dysfunction of the central nervous system (CNS). The cause of pain is a primary process within the CNS. The highest incidence is observed after spinal cord injuries, lesions in the lower brainstem and thalamus. An affection of the spino-thalamo-cortical pathways is crucial for the development of central pain whereas isolated lesions of the lemniscal system are never associated with pain.

The clinical characteristics are spontaneous burning pain, shooting pain and evoked pain (hyperalgesia, allodynia) within the affected body part. Often pain develops with a latency of weeks or months after the inciting event. In order to diagnose central pain it is necessary to demonstrate the CNS lesion with CT, MRI or electrophysiological techniques and to exclude painful peripheral neuropathy as a cause.

The pathophysiological mechanisms of central pain have not been clarified. Neuronal dysfunction in medial thalamic nuclei after lesions of the lateral thalamus, central sensitization of denervated thalamic neurons after lesion of the spinothalamic tract and sensitization of spinal dorsal horn neurons after incomplete spinal cord injury are discussed.

The therapy of central pain is difficult. Tricyclic antidepressants, anticonvulsants, opioids, GABA-agonists and TENS should be tried. New therapeutic strategies are now under test, i.e. new anticonvulsive drugs and NMDA-antagonists.

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