Radiologie up2date 2006; 6(3): 177-178
DOI: 10.1055/s-2006-944717
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

PET-CT, SPECT-CT und andere Herausforderungen für Radiologie und Nuklearmedizin

W.  Steinbrich
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Publication Date:
19 September 2006 (online)

Eigentlich sind Nuklearmedizin und Radiologie als Fachgebiete ja durch die prinzipiellen Unterschiede ihrer Techniken klar und übersichtlich voneinander zu unterscheiden: hier die Inkorporation von Radionukliden, dort die Bildgebung mittels Strahlen aus medizintechnischen Anlagen. Der Umgang mit diesen sehr unterschiedlichen Grundprinzipien bringt einige Spezialanforderungen mit sich (Umgang mit offenen Radionukliden respektive röntgentechnischen Anlagen, spezifische Aspekte des Strahlenschutzes, spezielle Kenntnisse der Anatomie und des Stoffwechsels), die zu einer separaten Entwicklung beider Fächer geführt haben. Begünstigt wurde diese Differenzierung auch durch die unterschiedlichen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der jeweiligen Verfahren, wobei für die Radiologie der morphologische Aspekt und für die Nuklearmedizin die Möglichkeit der Quantifizierung von Stoffwechselvorgängen je spezifische Zugangsweisen erlaubte. Beide Fächer haben im Gefolge einer sehr aktiven Entwicklungsarbeit in den Universitäten und in der Industrie eine stürmische Entwicklung durchlaufen und sich eine erhebliche Bedeutung für die moderne Medizin erarbeitet.

Aktuell kompliziert wird diese eigentlich klare Abgrenzung beider Fachgebiete durch die stets kreativen Entwickler in der medizintechnischen Industrie. Den Wunsch nach Bildfusion aus radiologischen und nuklearmedizinischen Schnittbilduntersuchungen haben diese mit einer Fusion gleich der ganzen Anlagen beantwortet. PET-CT und SPECT-CT heißen die entsprechenden Geräte und die Integration von MRT und PET steht offenbar vor der Tür. Es ist heute schon absehbar, dass diese Kombinationsmaschinen ein Erfolg werden. Aktuell werden z. B. isolierte PET-Anlagen kaum noch verkauft; ganz überwiegend werden PET-CTs geordert. Die Vorteile dieser Geräteingegrationen sind nämlich unmittelbar offensichtlich: Endlich ist eine stets präzise anatomische Zuordnung nuklearmedizinischer Informationen möglich. Selbst wenn dabei das CT lediglich im Low dose-Bereich gefahren wird, entstehen dennoch Bilder, die präzise anatomische Zuordnungen und eine detaillierte morphologische Interpretation zulassen. Entsprechend ist absehbar, dass sich auch SPECT-CTs durchsetzen werden. Mittelfristig wird wohl in der Nuklearmedizin die Schichtbilddiagnostik weitgehend von derartigen Kombinationsanlagen durchgeführt werden. Welche Auswirkungen aber wird dies auf die Fachgebietsdefinitionen und den Leistungsauftrag beider Fächer haben?

Die in den großen Kliniken mit einer voll entwickelten Nuklearmedizin auf diese Frage gegebene Antwort ist meist eine freundliche, gleichzeitig aber sehr konservative: Wenn wir den jeweiligen Fachgebietsrahmen respektieren und eine Anlage sowohl nuklearmedizinische als auch radiologische Bilder erzeugt, müssen wir uns halt zusammensetzen, um die entsprechenden Untersuchungen gemeinsam zu interpretieren. Zweifellos kann so die maximal mögliche Fachkompetenz zusammenfinden und eine adäquate Interpretation der Ergebnisse ermöglichen. Trotzdem darf bezweifelt werden, dass dies eine adäquate Antwort auf die Herausforderung darstellt, die hier auf uns zukommt. Wenn nämlich der Anteil derartiger Kombinationsuntersuchungen erst einen substanziellen Teil aller nuklearmedizinischen Untersuchungen ausmacht, wird sowohl der ökonomische Druck hinsichtlich einer Prozessoptimierung als auch die Ablauflogistik verbieten, auch für weniger komplizierte Fälle stets Spezialisten aus beiden Fachdisziplinen zusammenzurufen. Es wird also nichts anderes übrig bleiben, als dass sich die Nuklearmedizin die entsprechende Kompetenz in ihre eigenen Reihen holt, sei es durch Anstellung von Radiologen/-innen oder durch Erlernung des radiologischen Teils. Viele jüngere, in nuklearmedizinischer Ausbildung befindliche Kolleginnen und Kollegen haben dies längst verstanden und bereiten sich auf einen Doppelfacharzt vor.

Eine solche Entwicklung ist zweifellos qualitätssichernd - aber ist sie auch zukunftsträchtig? Meines Erachtens werden mit der einfachen Anwendung der bisherigen Konzepte die wahren Herausforderungen für Radiologie und Nuklearmedizin verkannt. Ohne allzu schwarz zu sehen, ergibt nämlich eine ehrliche SWOT-Analyse 1 doch erhebliche Risiken für die Radiologie, geringer wohl auch für die Nuklearmedizin. Die stürmische Entwicklung unserer Methoden hat zu einer erheblichen Abhängigkeit der Zuweiser von der Qualifikation unseres Fachpersonals geführt, die uns selbstverständlich geworden ist. Diese rührt aber mehr aus der Beherrschung der immer neuen und anfangs meist sehr komplexen Methoden und weniger aus der klinischen Detailkenntnis bei verschiedenen Erkrankungen. Der Umgang mit neuen Methoden wird im Laufe der Zeit aber selbstverständlicher und meist auch einfacher. An mehreren Stellen hat die Entwicklung gezeigt, dass die sog. klinischen Disziplinen den Umgang mit radiologischen Methoden selbstverständlich lernen, wenn es für die Weiterentwicklung ihrer Fachdisziplinen opportun ist (z. B. Sonographie, Herzkatheter). Ob uns unser methodischer Vorsprung und ggf. gesetzliche Regelungen (z. B. Bewilligung für den Umgang mit offenen Radionukliden) stets helfen, diese natürliche Konkurrenz zu bestehen, darf bezweifelt werden. Aktuell sind nach einer sehr fruchtbaren Entwicklungsphase gänzlich neue bildgebende Verfahren offenbar nicht in Sicht. Die hier besprochene Fusion von verschiedenen Systemen in einer Anlage ist diesbezüglich lediglich als Optimierung und nicht als Neuentwicklung zu betrachten. Entsprechend wir die o. g. Abhängigkeit der klinischen Disziplinen von unseren Qualifikationen eher abnehmen.

1 Stärken-Schwächen-Möglichkeiten-Risiken-Analyse

Wie aber sind wir den zukünftigen Herausforderungen besser gewachsen? Hierzu sollte man den Blick weg von den Methoden und hin zu den Entscheidungsprozessen im Erkrankungsmanagement wenden. Sehr rasch wird einem dann nämlich klar, dass diesbezüglich auf radiologisch/nuklearmedizinischer Seite erkrankungsspezialisierte Ansprechpartner gebraucht werden, die übergreifend den gesamten Bereich der bildgebenden Diagnostik beherrschen - eben umfassend ausgebildete Imaging-Spezialisten mit gleichzeitig vertiefter Ausbildung in einem Erkrankungsgebiet. Organspezialisierung bei gleichzeitig umfassender methodischer Kompetenz über Radiologie und Nuklearmedizin ist das Gebot der Zukunft, um gegenüber den sich ständig weiter spezialisierenden „klinischen” Disziplinen als ernst genommene Ansprechpartner auftreten zu können. Nur so lässt sich im Übrigen auch die eigentlich zwischen Radiologie und Nuklearmedizin herrschende erhebliche Konkurrenz um die jeweils geeigneten Methoden aufheben. Die Verwirrung, die wir bei unseren klinischen Kollegen/-innen verursachen, wenn wir z. B. Perfusionsuntersuchungen eines Organs erkrankungsunabhängig sowohl mit radiologischen als auch nuklearmedizinischen Schichtbildverfahren anbieten, schwächt unsere Position eher und erhöht u. U. auch die Behandlungskosten.

Um aber in den entsprechenden Weiterbildungen in einigermaßen nützlicher Zeit zu derartigen überlappenden Kompetenzprofilen zu kommen, müssen auf beiden Seiten die methodische Ausbildung gestrafft und die Möglichkeiten zur Organspezialisierung verbreitert werden. Ohne ein integriertes Ausbildungskonzept über Radiologie und Nuklearmedizin hinweg wird dies kaum gelingen.

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