Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(47): 2726
DOI: 10.1055/s-2005-922065
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erfahrungen mit der Realisierung innovativer Studiendesigns am Beispiel der HOPE-Studie

Zum Beitrag aus DMW Supplement 2/2005V. Traut
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Publication Date:
17 November 2005 (online)

Der Autor des Supplement-Beitrages [9] hat in unzulässiger Weise in „Ergebnisse der HOPE-Studie“ den Bezugsrahmen für die Resultate von HOPE [7] gewechselt u. der „Reduktion der Inzidenz von Schlaganfall und Myokardinfarkt“ die hohen Resultatzahlen der Risikoreduktion zugeordnet.

Dadurch wurden - einem Lupeneffekt gleich - die in HOPE durch Ramipril erreichten tatsächlichen Verhinderungen an Schlaganfällen von korrekten minimalen 1,5 % auf irreguläre 32 % und die der Myokardinfarkte v. 2,4 % auf falsche 20 % erhöht. Dem Leser wird hieraus suggeriert, Ramipril könne gegenüber Plazebo jeden dritten Patienten vor einem Insult und jeden 5. Patienten vor einem Herzinfarkt schützen, real sind es jedoch nur einer bzw. 2 von 100 Kranken!

Mit einer derartigen, für das ärztliche Verordnungsverhalten gravierenden Fehlinformation assoziiert der Autor eine „signifikante Senkung d. kombinierten prim. Endpunktes aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall, auch für alle Einzelparameter.“

Dieser allerdings nur statitischen Signifikanz steht nach den publizierten HOPE-Resultaten mit 1,5-3,8 % Verhinderung v. Krankheitsereignissen durch Ramipril eine im Vergleich zu Plazebo außerordentlich geringe klinische Relevanz gegenüber (Tab. [1]).

Tab.1 Resultate der HOPE-Studie. Ramipril (n = 4 645 Placebo (n = 4 652) Differenz = Ereignisreduktion Primärer Endpunkt 14,0 % 17,8 % 3,8 % Herzinfarkt 9,9 % 12,3 % 2,4 % Schlaganfall 3,4 % 4,9 % 1,5 % Gesamtmortalität 10,4 % 12,2 % 1,8 % Neu aufgetretener Diabetes 3,6 % 5,4 % 1,8 %

Hierzu kommentierte Taylor [5] 2001, dass die Randomisation für HOPE misslungen und die Ergebnisse dadurch überbewertet sind, da mit Ausnahme von Diabetes und Hypertonie die Plazebogruppe stärker mit Risikofaktoren belastet war. Dies zeigt die Tab. [1] im HOPE („Base-line characteristics“) mit auffallendem tendenziellen Exzess des Plazeboarms bei 12 von 14 Risiken.

Nicht nachvollziehbar erscheint die weitere Behauptung des Beitrags, dass ein Hauptteil der Ramiprilwirkung nicht von der Blutdrucksenkung abhinge. Mehrfache Fakten sprechen dagegen:

Eine HOPE-Substudie 4 konnte per 24-h-Blutdruckmessung nachweisen, dass sich gegenüber der in HOPE dokumentierten mittleren RR-Absenkung v. 3 mmHg systol./2 mmHg diastol. eine wesentlich stärkere Blutdrucksenkung von mittleren 10/4 mmHg (nachts sogar 17/8!) durch Ramipril im Vergleich zu Plazebo fand. Aus den ALLHAT 6- und VALUE 8-Studien ist bekannt, dass bereits 1-2 mmHg RR-Senkung kardiovaskuläre Krankheitsereignisse reduziert. Mit der PEACE-Studie 1 ist der Nachweis geführt, dass bei kardiovaskulären Risikopatienten mit einem gegenüber HOPE und der Nachfolgestudie EUROPA 3 niederem Ausgangsblutdruck (hier im Mittel nur noch 133/78 mmHg, HOPE = 139/79, EUROPA = 137/82), optimierter Komedikation und gesicherter LEV > 40 % die Hinzunahme eines ACE-Hemmers (in PEACE Trandolapril) keinen „kardioprotektiven Schutz“ bewirkt.

Fazit

Aus der HOPE-Studie kann nur geschlossen werden, dass Ramipril gering wirksamer ist als Plazebo, infolge nicht vollständig gelungener Randomisierung möglicherweise noch überbewertet. Der im Beitrag propagierte blutdruckunabhängige Wirkungsvorteil von Ramipril ist überholt, Erkenntnisse der PEACE-Studie, unterstützt durch die in gleiche Richtung gehenden Ergebnisse v. Langzeitblutdruckmessungen einer HOPE-Substudie belegen einen RR-Senkungs- bzw. kardialen Rekompensations-Effekt. Für den Praxisalltag besteht kein begründeter Anlass, Ramipril gegenüber anderen (z. B. preiswerteren) ACE-Hemmern zu bevorzugen. Die vom Autor mit der HOPE-Studie verbundenen „bahnbrechenden Ergebnisse“, gar „Paradigmenänderung in der Behandlung von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko“ entsprechen eher jenem Verflechtungsproblem des industriell-medizinischen Komplexes mit nicht mehr objektiv pharmakologisch-kritischem Denken, wie erst jüngst in dieser Zeitschrift überzeugend dargestellt 2.

Literatur

  • 1 Braunwald E. et al . ACE-inhibition in stablecoronary artery disease.  N Engl J Med. 2004;  351 205-2068
  • 2 Engelhardt K. Der medizinisch-industrielle Komplex: Ethische Implikationen.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 1778-1780
  • 3 Fox K M. The EUROPA-study.  Lancet. 2003;  362 782-788
  • 4 Svensson P. et al . Comparative effects of ramipril on ambulatory and office blood pressure: a HOPE Substudy.  Hypertension. 2001;  38 28-32
  • 5 Taylor R. How large studies may mislead: the HOPE study.  Pract Diab Int. 2001;  208-211
  • 6 The ALLHAT officers and coordinators for the ALLHAT collaborative Research . The Antihypertensive and Lipid-Lowering treatment to Prevent Heart Attack Trial (ALLHAT).  JAMA. 2002;  288 2981-2997
  • 7 The Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators . Effects of an angiotensin-converting-enzyme inhibitor, ramipril, on cardiovascular events in high-risk patients.  N Engl J Med. 2000;  342 145-153
  • 8 Weber M A. et al . Blood pressure dependent and independent effects of antihypertensive treatment on clinical events in the VALUE Trial.  Lancet. 2004;  363 2049-51
  • 9 Rangoonwala B. Erfahrungen mit der Realisierung innovativer Studiendesigns am Beispiel der HOPE-Studie.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 S82-S85

Dr. med. V. Traut

Am Himmelreich 1

79312 Emmendingen

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