Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(47): 2693
DOI: 10.1055/s-2005-922055
Editorial

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Überkreuz-Lebendspende: Eine Frage der besonderen persönlichen Verbundenheit

Cross-over transplant donors: a question of personal bondingH.-L Schreiber1
  • 1Juristische Fakultät, Georg-August-Universität Göttingen
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Publication Date:
17 November 2005 (online)

Der Beitrag von Witzke, Paul, Broelsch und Philipp in diesem Heft (S. 2699) schildert den Behandlungsbedarf und die Gründe für das Anwachsen der Zahlen an Lebendspenden. Die der Leichenspenden sind nicht wie erwartet gestiegen, für Nierentransplantationen besteht zur Zeit eine Wartezeit von etwa 4-6 Jahren. Die Lebendspende kann diese Zeit entscheidend verkürzen, ihre Ergebnisse sind gut. Freilich ist auch die Zahl der Lebendnierenspenden begrenzt, insbesondere auch durch die Beschränkung des Spenderkreises auf Verwandte und Personen, die dem Empfänger in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen (§ 8 Abs. 1 S. 2 Transplantationsgesetz).

Eine weitere Begrenzung innerhalb dieses begrenzten Spenderkreises stellt die ABO-Blutgruppenunverträglichkeit dar. Mit der Überkreuzspende soll diese Blutgruppenunverträglichkeit überwunden werden. Bei der Überkreuz- bzw. „cross-over”-Spende spenden sich zwei Spender-Empfänger-Paare mit Blutgruppenunverträglichkeit über Kreuz eine Niere. Die besondere persönliche Verbundenheit muss zwischen dem jeweiligen Spender und Empfänger bestehen.

Zweifelhaft erschien, ob die vom deutschen Transplantationsgesetz geforderte jeweilige persönliche Verbundenheit vor dem Auftreten des Transplantationsbedarfs bestehen muss, oder ob es nach § 8 Abs. 1 S. 2 genügt, wenn sie zwischen den Paaren nach dessen Auftreten entsteht. Es wurde befürchtet, dass beim Entstehen der Notwendigkeit einer Transplantation ein Organhandel, also entgeltlicher Austausch vorliege.

Das Bundessozialgericht, nur zuständig für die sozialrechtliche Seite der Angelegenheit, öffnete den Weg für die cross-over-Spende. Es forderte für die besondere persönliche Verbundenheit zwar eine intensive, gefestigte und auch auf die Zukunft gerichtete Beziehung zwischen den Spendern und Empfängern. Diese könne aber auch gegeben sein, wenn die Beteiligten sich erst nach der Entstehung des Transplantationsbedarfs, beim Kennenlernen zum Zweck der Überkreuz-Nierenspende näher gekommen wären. Die persönliche Verbundenheit müsse zwar auf Dauer angelegt, könne aber auch erst angesichts des Erkrankens entstanden sein.

Der in Düsseldorf, Essen und Köln entwickelte Plan zum Aufbau eines gemeinsamen cross-over-Nierentransplantationsprogramms scheint den Erfordernissen des § 8 I S. 2 TPG zu genügen. Problematisch kann sein, ob das Zusammenbringen von Paaren mit den entsprechenden Blutgruppen eine besondere persönliche Verbundenheit im Sinne des Gesetzes begründen kann. Die Begründung einer solchen Beziehung zwischen zwei Paaren stellt keinen verbotenen Organhandel dar. Die Beziehung zielt nicht auf einen anderweitigen Nutzen, sondern jeweils auf den eigenen Partner und dessen Gesundheit ab. Eine Kommerzialisierung kann darin nicht gefunden werden. Allerdings muss die Verbundenheit für jeden einzelnen Fall individuell festgestellt werden, sie kann nicht einfach durch das Kennenlernen zum Zwecke der Organspende als begründet angesehen werden. Die besondere persönliche Verbundenheit ist nicht schon durch das Bekanntmachen und Kennenlernen zum Zwecke der Transplantation zu begründen. Sie muss durch ärztliche Feststellung jeweils im Einzelfall verifiziert werden.

Der in dem Beitrag von Witzke et al. geschilderte Ablauf der Zusammenfügung und Evaluation der entstehenden Beziehung entspricht den Erfordernissen des § 8 I S. 2 TPG. Die Freiwilligkeit der Spende und das Freisein von Organhandel muss der Prüfung durch die Lebendspendekommission unterworfen werden, das Bestehen einer besonderen persönlichen Verbundenheit und deren den Zweck der Organspende überdauernder Charakter und ihre Stabilität unterliegt der ärztlichen Beurteilung im jeweiligen Einzelfall.

Die Beschreibung des Zusammenführens bzw. das Zusammenkommen der Überkreuzpaare entspricht meiner Ansicht nach, die freilich nicht als Ansicht der Transplantationskommission angesehen werden darf, den gesetzlichen Erfordernissen der besonderen auch in die Zukunft gerichteten persönlichen Verbundenheit, die jeweils eine individuelle Prüfung erfordert. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 I 2 dürften damit erfüllt sein. Nicht genügen kann eine nur formelhafte generelle Annahme einer persönlichen Verbundenheit durch das bloße Kennenlernen. Auf dem geschilderten Weg können m. E. die Voraussetzungen für eine Überkreuzspende im Rahmen des Transplantationsgesetzes geschaffen werden.

Prof. Dr. H.-L. Schreiber

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