Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(46): 2627
DOI: 10.1055/s-2005-922044
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypertonie-Management im Umbruch?

Management of hypertension: new perspectives?W. Zidek1 , M. Paul1
  • 1Medizinische Klinik IV sowie Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité, Campus Benjamin Franklin, Universitätmedizin Berlin
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Publication Date:
10 November 2005 (online)

Nachdem mit der Einführung der Angiotensin(AT 1)-Rezeptorblocker die vorläufig letzte große Neuerung in der Hypertoniebehandlung abgeschlossen ist, scheinen Hypertonie-Diagnostik und -Therapie auf den ersten Blick keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zu bieten. Tatsächlich haben aber die veränderte gesundheitsökonomische Situation in Deutschland zusammen mit wichtigen Studienergebnissen auch im vergangenen Jahr interessante Weiterentwicklungen in der Hypertonietherapie ergeben:

In den jüngst publizierten Studien hat sich einmal mehr herausgestellt, dass Kalziumantagonisten aus der Initialtherapie des Bluthochdrucks nicht mehr wegzudenken sind. Die Ergebnisse der ASCOT-Studie haben dies erneut gezeigt. Darüber hinaus hat diese Studie auch neue Erkenntnisse in der Bewertung der „neuen” (ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten) versus der „alten” Therapie ergeben (β-Blocker, Diuretika). Damit wird eine Diskussion auf der Grundlage neuer Daten weitergeführt, deren Ende vorläufig nicht abzusehen ist.

Eine weitere Debatte, die uns im vergangenen Jahr beschäftigt hat und voraussichtlich noch weiter beschäftigen wird, geht um die Zielwerte der Hypertoniebehandlung für Patienten mit speziellen Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren. Die gegenwärtige Diskussion konzentriert sich auf Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz und schwere vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Schwierigkeit, Zielwerte zuverlässig zu definieren, ergibt sich vor allem für den systolischen Blutdruck. Die Studienlage ist hier nicht befriedigend, da die Bedeutung des Pulsdrucks und damit der isolierten systolischen Hypertonie für die kardiovaskuläre Prognose erst seit einigen Jahren in vollem Umfang bekannt ist. Für die diastolischen Zielwerte verfügen wir über eine bessere Evidenz.

Diese zum Teil auch gesundheitspolitisch heiß diskutierten Fragen werden im Mittelpunkt der Jahrestagung 2005 der Deutschen Hochdruckliga in Berlin stehen. Kontroverse Diskussionen sind zu erwarten aufgrund der unterschiedlichen Ausgangs- und Interessenslage der beteiligten Diskussionspartner. Auch die theoretische Hypertonieforschung wird einen besonderen Schwerpunkt der Tagung bilden. Die Grundlagenforschung auf dem Hypertoniesektor ist unter anderem deswegen von immer größerem Interesse, weil sich hier allmählich neue Prinzipien der Hypertoniebehandlung abzeichnen. Nach dem großen Innovationsschub der RAS-Hemmung erwarten wir auch im kommenden Jahrzehnt wieder neue Therapieansätze. Der Blick in die Labors der Grundlagenforscher gibt uns einen guten Einblick, was wir in den nächsten zehn Jahren an Neuem zu erwarten haben.

Die Artikel dieses Schwerpunktheftes geben einen repräsentativen Überblick über die aktuellen Entwicklungen der Hypertoniebehandlung. Sie zeigen, dass in der Behandlung der häufigsten internistischen Erkrankung (nach neuesten Daten haben etwa 40 % der erwachsenen Bevölkerung in den westlichen Ländern einen zu hohen Blutdruck) durchaus wieder Bewegung ist und machen vielleicht auch Appetit, um auf der diesjährigen Berliner Tagung tiefere Einblicke in die alte und neue Krankheit „Hypertonie” zu tun.

Prof. Dr. Walter Zidek

Direktor der Medizinischen Klinik IV
Universitätsmedizin Charité
Campus Benjamin Franklin

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin

Phone: 030/84452441

Fax: 030/84454235

Email: walter.zidek@charité.de

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