ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2005; 114(9): 419
DOI: 10.1055/s-2005-919064
Chirurgie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hoch dosierte Bisphosphonattherapie und Kiefernekrosen - Einrichtung eines zentralen Kiefernekroseregisters

D. Felsenberg1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (ZMK), Freie Universität & Humboldt-Universität Berlin
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Publication Date:
07 October 2005 (online)

In den letzten Monaten häufen sich Berichte über das Auftreten von Kiefernekrosen unter einer hoch dosierten Bisphosphonattherapie. Dadurch werden Patienten und auch Ärzte beunruhigt. Bisher ist es weit gehend unklar, unter welchen Bedingungen die Kiefernekrosen entstehen. Die Zahl der berichteten Fälle (weltweit deutlich < 500) ist insgesamt noch recht gering. Ärzte und Wissenschaftler sind jedoch besorgt, da die Tendenz deutlich steigt.

Einzelfallberichte helfen nicht, die Ätiopathogenese der Kiefernekroseentwicklung zu erklären. Daher ist es erforderlich, ein zentrales Register einzurichten, um die möglichen Zusammenhänge zwischen Bisphosphonattherapie und Kiefernekroseentwicklung abzuklären. An der Charité Berlin hat sich daher das Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (ZMK) entschlossen, in Zusammenarbeit mit Kieferchirurgen, Zahnärzten, Genetikern, Unfallchirurgen, Internisten, Ingenieuren und Materialwissenschaft-lern sowie dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein zentrales Kiefernekroseregister einzurichten, um die Zusammenhänge zwischen Bisphosphonattherapie und Kiefernekrosen darzustellen. In diesem Register sind bereits über 130 Verdachtsfälle aus Deutschland und Österreich eingetragen worden.

Was kann bisher resümiert werden? Die Meldungen, die an das BfArM gesendet worden sind, sind zum größten Teil nicht ausreichend, um eindeutige Zusammenhänge zu formulieren, da die Angaben auch bei Basisinformationen (Angabe des Bisphosphonats, Dosierung und Dauer, Angaben zur Begleitmedikation, onkologischen Chemo- und Radiotherapie sowie zu Grund- oder Begleiterkrankung etc.) sehr lückenhaft sind. Diese Angaben müssen nun in detektivischer Kleinarbeit vervollständigt werden.

Trotzdem lassen sich orientierend bereits folgende Angaben machen:

Es handelt sich ausschließlich um stickstoffhaltige Bisphosphonate. 97 % der gemeldeten Patienten, von denen Daten vorliegen, sind Tumorpatienten (Mammakarzinom, Multiples Myelom). Bei Patientinnen, die unter der Diagnose Osteoporose gemeldet wurden, sind die Daten noch sehr lückenhaft. Insbesondere ist nicht sicher, welche Begleiterkrankungen und -medikationen noch vorgelegen hatten. Bei einer der Patientinnen, die unter der Diagnose Osteoporose gemeldet wurde, konnte nach weiterer Analyse ein Multiples Myelom gefunden werden. 97 % der Patienten/Patientinnen, die mit einem Bisphosphonat behandelt wurden, wurden mit einer 10- bis 15fach höheren Dosis behandelt, als dies bei einer Osteoporosetherapie üblich ist. Diese Dosierungen sind zur Prävention und Therapie ossärer Komplikationen bei verschiedenen onkologischen Erkrankungen klinisch überprüft und zugelassen und werden intravenös appliziert. Der Prozentsatz der chemotherapeutischen Medikation ist noch nicht sicher zu erfassen, liegt aber deutlich über 50 % der Patienten. Alle Patienten wurden zahnmedizinisch oder kieferchirurgisch behandelt, d. h., es war zumindest kurzfristig ein offener Zugang zum Kieferknochen gegeben.

Bei der Nachuntersuchung einiger Knochenproben konnte vereinzelt kein Nekrosematerial gefunden werden. Ein Zusammenhang zwischen Einnahmedauer der Bisphosphonate und einer Kiefernekrosebildung konnte noch nicht hergestellt werden. Einige der Patienten nahmen die Bisphosphonate erst wenige Tage bis Wochen ein.

Die Einrichtung eines wissenschaftlich geführten zentralen Regis- ters ist obligatorisch, um die Zusammenhänge zwischen Bisphosphonattherapie und Kiefernekrosebildung abzuklären. Die vorliegenden Daten reichen nicht aus, um eine Warnung für Osteoporosepatienten unter einer Bisphosphonattherapie zu formulieren. Es ist aber dringlichst geboten, einen schnellen, sorgfältig recherchierten und wissenschaftlich begleiteten Überblick zu verschaffen. Daher die dringende Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen, alle Verdachtsfälle entweder direkt dem ZMK oder dem BfArM zu melden, um ein vollständiges Register zu erstellen.

Die Meldung sollte mittels eines standardisierten Protokollbogens erfolgen, der unter der Internetadresse www.medizin.fu-berlin.de zmk/news oder im Zentrum für Muskel- und Knochenforschung, Charité - Campus Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin, abzurufen ist. Direkte Nachfragen können auch unter den Telefonnummern 030/8445-3046; 030/ 8445-4161; 8445-3498 gestellt werden, die an jedem Wochentag zwischen 9 und 15 Uhr verfügbar sind.

D. Felsenberg

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