Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(7/08): B 363
DOI: 10.1055/s-2005-915491
Praxismanagement

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Gründung von Medizinischen Versorgungszentren sorgfältig abwägen

Chance und Risiko zugleichKlaus Schmidt
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Publication Date:
16 August 2005 (online)

Eigentlich wären Medizinische Versorgungszentren das ideale Eingangstor zur ambulanten Tätigkeit für Krankenhäuser. Tatsächlich aber halten sich diese bei der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) noch stark zurück. Als Gründer dominieren stattdessen niedergelassene Ärzte.

Ende März dieses Jahres gab es nach einer Übersicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Deutschland 126 MVZ. Diese neue Versorgungsform ist mit dem GMG 2004 eingeführt worden (§ 95 SGB V). Anders als erwartet ist die große Mehrheit der bestehenden MVZ nicht von Krankenhausträgern, sondern von niedergelassenen Ärzten gegründet worden.

MVZ entstehen meist aus Gemeinschaftspraxen

Meist wurden bestehende Gemeinschaftspraxen in MVZ umgewandelt, berichtete Dr. Klaus Meyer-Lutterloh, Vorsitzender des Bundesverbands Managed Care, während eines gesundheitspolitischen Symposiums in Baden-Baden. Typisch ist zum Beispiel die Kombination von einem Allgemeinarzt und einem Gynäkologen oder von zwei Internisten als Gründer mit einem angestellten Internisten und einem Praktischen Arzt. Die Durchschnittsgröße liegt bei 3,5 Ärzten pro MVZ.

Das MVZ nimmt als juristische Person an der vertragsärztlichen Versorgung teil und unterliegt der Bedarfsplanung. Erlaubt sind zwar alle zulässigen Organisationsformen, doch stößt das bereits auf Schwierigkeiten, weil das Landesrecht in einzelnen Bundesländern mit dem Bundesrecht kollidiert. So sind zum Beispiel Heilkunde-GmbHs oder Ärztegesellschaften nach der neuen Muster-Berufsordnung in verschiedenen Heilberufs- beziehungsweise Kammergesetzen nicht erlaubt.

Vor- und Nachteile der MVZ

Meyer-Lutterloh wies auf zahlreiche Risiken hin, die einer raschen Ausbreitung von MVZ im Wege stehen: Da sind einmal die hohen Anlaufkosten, dann verhindert die Bedarfsplanung Anstellungen von Ärzten im MVZ, der EBM benachteiligt sie bei der Abrechnung wegen des Abzugs gemeinsamer Fälle, und eine Privatabrechnung ist nicht erlaubt, da die MVZ ausdrücklich nur für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind und die private Krankenversicherung keine Leistungen juristischer Personen vergütet.

Dagegen sind die Chancen eines MVZ zu sehen: Die Organisationsform bietet den darin tätigen Leistungserbringern klare betriebswirtschaftliche Vorteile und Optimierungspotenziale. Wer als angestellter Arzt in einem MVZ arbeitet, kann sich ganz auf seine ärztliche Kernkompetenz konzentrieren und die Unternehmertätigkeit der Geschäftsführung überlassen. Den Patienten bieten sich kurze Wege, weil sie ein gebündeltes komplexes Versorgungsangebot unter einem Dach vorfinden. Die Kombination verschiedener Fächer und die enge Kooperation mit Krankenhaus, Reha- und Pflegeeinrichtungen bietet gute Voraussetzungen für ein Fallmanagement.

Krankenhausträger sollten keine Hausärzte in ihre MVZ einbinden

Für Krankenhausträger bieten MVZ den Einstieg in eine sektorenübergreifende Medizin sowie eine gute Steuerung der Vor- und Nachbehandlung, sagte Dr. Jörg Bader, Geschäftsführer der Helios-Kliniken GmbH, in Baden-Baden. Die Krankenhäuser können ihre Zuweisungen absichern und gemeinsam mit dem MVZ vorhandene Ressourcen nutzen. Risiken sehen die Klinikträger aber in den zu erwartenden hohen Personalkosten, insbesondere den hohen Arztkosten, sowie in einem hohen Gründungsaufwand. Sie müssen auch darauf achten, dass sie durch Gründung eines krankenhauseigenen MVZ nicht die vor Ort etablierten Ärzte gegen sich aufbringen und auf diese Weise Zuweisungen verlieren, auf die sie wirtschaftlich angewiesen sind. Nach den bisher gemachten Erfahrungen, so Bader, sind MVZ nicht unbedingt vorteilhaft für Krankenhäuser. Eine Gründung müsse sorgfältig abgewogen werden, insbesondere in Absprache mit den ansässigen niedergelassenen Ärzten.

Der Dortmunder Rechtsanwalt Dr. Martin Rehborn kann die Zurückhaltung der Krankenhausträger verstehen. Er rät ihnen, am besten keine Hausärzte in ihre MVZ einzubinden. Das könnte nämlich zur Folge haben, dass alle anderen Hausärzte in der Region in dieses Krankenhaus keine Patienten mehr schicken. Es hat verschiedentlich bereits Boykott-Aufrufe von Hausärzten gegen MVZ beziehungsweise Krankenhausträger gegeben. Bevor sie Ärzte an sich binden, empfahl der Anwalt auf dem Juristischen Seminar des Medcongress, sollten die Krankenhäuser sorgfältig ihre Einweisungsstatistik überprüfen und nachschauen, wo die Einweisungen herkommen.

Die Helios-Klinikgruppe, die an 25 Standorten in Deutschland Häuser hat, aber nur drei MVZ, strebt aus diesem Grunde eher eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit allen vor- und nachgelagerten Leistungserbringern an. Ihr Ziel ist laut Bader eine optimale Versorgung einer Region.

Aus Sicht von Meyer-Lutterloh ist die Einbindung der MVZ in die vertragsärztliche Versorgung der entscheidende Nachteil für eine Weiterentwicklung. Sie hätten aus seiner Sicht viel bessere Perspektiven, wenn man sie von diesen Fesseln befreien würde. Dann könnten sie nämlich Teil eines modernen umfassenden Gesundheitszentrums sein mit ergänzenden Angeboten außerhalb der GKV.

Klaus Schmidt

Planegg

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