Notfall & Hausarztmedizin (Notfallmedizin) 2005; 31(4): 141
DOI: 10.1055/s-2005-869546
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Trends in der Hypertoniebehandlung

Joachim Schrader, A. Kulschewski
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Publication Date:
09 May 2005 (online)

In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von neuen Studien erschienen und haben eine Reihe neuer Erkenntnisse gebracht. Dies spiegelt sich auch in veränderten Leitlinien der verschiedensten Fachgesellschaften wider. Probleme für den behandelnden Arzt entstehen durch teilweise widersprüchliche Interpretationen von Studien und leider auch von verschiedensten Therapien und Empfehlungen. Trotz aller wissenschaftlicher Diskussionen sind einige Schlussfolgerungen für den behandelnden Arzt relativ klar zu formulieren.

Die verschiedensten Studien im letzten Jahr haben deutlich gezeigt, dass eine streng normotensive Blutdruckeinstellung entscheidend für den Therapieerfolg ist. Der therapeutische Nutzen wird zum größten Teil durch das Erreichen des Therapieziels bestimmt. In den großen Therapiestudien führte die Blutdrucksenkung von wenigen mmHg zu einer deutlich verbesserten Senkung von kardiovaskulären und zerebrovaskulären Ereignissen. Eine zusätzliche Blutdrucksenkung von 2 mmHg im Mittelwert bewirkt bereits im Gesamtkollektiv eine Senkung der Schlaganfallrate um bis zu 15 %. Insbesondere Risikopatienten mit zusätzlichen Risikofaktoren, Begleiterkrankungen oder schon vorhandenen Hochdruckkomplikationen profitieren besonders von einer streng normotensiven Blutdruckeinstellung. Gerade vor dem Hintergrund der vielen nicht oder nicht ausreichend behandelten Hypertoniker liegt hier der größte erreichbare präventive Nutzung in der Behandlung von mehr hypertensiven Hochdruckpatienten oder einer verbesserten Hochdruckeinstellung.

Hilfreich, neu und überwiegend akzeptiert ist die Empfehlung, dass als Primärbehandlung bereits eine niedrig dosierte Kombinationstherapie eingesetzt werden kann. Diese seit zwei Jahren empfohlene Neuerung wurde von der Deutschen Hochdruckliga wie von den europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften in die Therapieempfehlungen eingeführt. Die Daten der niedrig dosierten Kombinationstherapien zeigen eine bessere Wirkung bei vergleichbarer, teilweise reduzierter Rate an unerwünschten Wirkungen. Diese Empfehlung ist sinnvoll, da in den verschiedensten Studien der letzten Jahre immer wieder deutlich wurde, dass zum Erreichen einer normotensiven Blutdruckeinstellung bei 60 bis 80 % der Patienten eine Kombinationstherapie notwendig ist. Auch vor dem Hintergrund, dass bei Hochrisikopatienten wie Diabetes mellitus der Blutdruck noch weiter abgesenkt werden sollte, ist eine Kombinationstherapie von Anfang an deshalb sinnvoll, um den Patienten schneller und besser einzustellen.

Auch dieses ist eine neue Erkenntnis, die sich aus der VALUE-Studie ergibt: Eine zügige Blutdruckeinstellung insbesondere bei Hochrisikopatienten bessert die Prognose. In der VALUE-Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten, die innerhalb von sechs Monaten normotensiv eingestellt wurden, eine stärkere Verminderung von kardiovaskulären und zerebrovaskulären Ereignissen aufwiesen, als Patienten, die nicht in dieser Zeit gut eingestellt worden waren.

Vielmehr kontrovers ist die Frage, welche Antihypertensiva bevorzugt primär zum Einsatz kommen können. Sind die modernen Antihypertensiva wie ACE-Hemmer, Calcium-Antagonisten, Angiotensin-II-Blocker den älteren Antihypertensiva überlegen? Die Studien zu diesem Thema haben uneinheitliche Ergebnisse erbracht. Die Interpretation ist schwierig, da der Blutdruck unterschiedlich gut eingestellt wurde. Da allerdings, wie oben ausgeführt, wenige mmHg zu erheblichen Unterschieden in der Ereignisrate führen, sind die Studien wie ALLHAT und VALUE nur bedingt verwertbar. Trotz unterschiedlicher Blutdrucksenkung waren die Gruppen gleich in der kardiovaskulären Risikoreduktion. Neue Erkenntnisse werden deshalb von der ASCOT-Studie erwartet, die im März vorstellt wurde. Diese Studie wurde vorzeitig abgebrochen. Aufgrund einer signifikanten Reduktion der Gesamtmortalität um 14 % zugunsten der modernen Antihypertensiva (Calciumantagonisten und ACE-Hemmer) gegenüber b-Blocker und Diuretika. Neben Reduktion der kardialen Endpunkte um 14 %, der Schlaganfälle um 23 % und der gesamten vaskulären Mortalität um 23 % wurde die Neumanifestation eines Diabetes mellitus um 32 % vermindert. Die endgültigen Ergebnisse werden im September 2005 vorgestellt werden. Aus bisherigen Daten lässt sich allerdings einiges ableiten. Die Angiotensin-II-Blocker zeigen in allen Studien bisher beste Verträglichkeit, wobei dies für die Compliance der Patienten sicherlich von Vorteil ist. Weiterhin sind Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems den anderen Antihypertensiva offensichtlich überlegen in der Prävention von neu auftretendem Diabetes mellitus und einer neu auftretenden Herzinsuffizienz. Zusammenfassend bedeutet das für den behandelnden Arzt:

Der Blutdruck muss normotensiv eingestellt werden, wobei sich der Zielblutdruck nach den individuellen Begleiterkrankungen des Patienten richtet. Diese Blutdruckeinstellung sollte möglichst innerhalb von 3-6 Monaten erfolgen, wobei auch initial Kombinationstherapien eingesetzt werden können. Die Auswahl der primär einzusetzenden Medikamente richtet sich nach den Begleit- und Vorerkrankungen des einzelnen Patienten. Patienten, die ein hohes Risiko für Entwicklung eines Diabetes oder einer Herzinsuffizienz haben, sollten primär immer mit Hemmstoffen des Renin-Angiotensin-Systems behandelt werden.

Prof. Dr. med. Joachim Schrader
Dr. med. A. Kulschewski

Cloppenburg

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