Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(20): 1278
DOI: 10.1055/s-2005-868717
Leserbriefe

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Ist die Fibromyalgie eine Erkrankung?

Zum Beitrag aus DMW 23/2004R. Hakimi
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Publication Date:
12 May 2005 (online)

Von einem versicherungsmedizinischen Standpunkt aus ist die Frage „Ist die Fibromyalgie eine Erkrankung?“ [1] [2] leicht zu beantworten: Die Fibromyalgie ist eine Erkrankung (wenn auch keine Entität), denn sonst würde sie keine medizinisch notwendige und damit erstattungsfähige Behandlung auslösen. Dass eine Fibromyalgie behandlungsbedürftig ist, ist unumstritten, Art und Umfang der Behandlung stellen den Versicherungsmediziner allerdings oft vor ein Problem.

Wenn ein Fibromyalgiepatient in einer anerkannten medizinischen Einrichtung therapiert wird, hält sich die versicherungsmedizinische Problematik meistens noch in Grenzen. Oft enttäuscht von der etablierten Medizin suchen Fibromyalgiepatienten aber auch gerne Heilpraktiker, Alternativmediziner und „alternative Umweltmediziner“ auf, die je nach eigener Präferenz die Ursache des komplexen Beschwerdebilds in einer Amalgambelastung, Candidamykose, einem Chronic Fatigue-Syndrome (CFS), einer Schwermetallintoxikation, Belastung mit Umweltgiften oder in einem Koenzym- und Aminosäurenmangel sehen.

Die Diagnose wird - ebenfalls ganz nach eigener Präferenz des Alternativmediziners - mit Elektroakupunktur, Thermoregulationsdiagnostik, angewandter Kinesiologie, aber auch ganz modern mit multiplen Kernspintomographien, PET und SPECT usw. gestellt. Darüber hinaus werden umfangreiche Speziallaboruntersuchungen auf verschiedenste Viren, Bakterien und Pilze, Hormone, Schwermetalle, Aminosäuren, Spurenelemente, Umweltparameter und Immunparameter durchgeführt, die oft mehrere 1000 Euro - in Einzelfällen mehrere 10 000 Euro - kosten. Stattdessen wird auf eine psychosomatische Diagnostik häufig verzichtet. Warum soll man einen Patienten auch psychosomatisch untersuchen, wenn die Ursache seiner Beschwerden doch eindeutig in einer Darmmykose oder einer Schwermetallbelastung liegt?

Oft übernehmen Krankenversicherer/Krankenkassen eine derartige Diagnostik nachvollziehbarerweise nicht oder nicht in vollem Umfang, weil eine medizinische Notwendigkeit für solches diagnostisches Tun nicht erkennbar ist.

Die geplagten Patienten haben dann zusätzlich zu ihrem Leiden noch ein Problem mit ins Haus stehenden Kosten, oder gar drohender Verschuldung. Dies wiederum kann die Symptomatik verstärken und zuspitzen. Die Rechtsabteilungen von Krankenversicherungen/Krankenkassen können die Patienten im Zusammenhang mit den entsprechenden Forderungen gut unterstützen.

Häufig ist es aber so, dass von der etablierten Medizin enttäuschte Patienten fest hinter ihrem alternativen Heilbehandler stehen und erleichtert sind, dass ihr Beschwerdebild nicht psychisch bedingt, sondern somatisch erklärbar ist. Insofern ist es besonders wichtig, dass Fibromyalgiepatienten möglichst bald einer qualifizierten ärztlichen Behandlung zugeführt werden.

Literatur

  • 1 Müller W, Stratz T. Ist die Fibromyalgie eine Erkrankung? - Pro.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 1336
  • 2 Gralow I. Ist die Fibromyalgie eine Erkrankung? - Contra.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 1336-1337

Dr. Rainer Hakimi

Leitender Gesellschaftsarzt, Hallesche Krankenversicherung a. G.

Reinsburgstraße 10

70178 Stuttgart

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