Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(15): 974
DOI: 10.1055/s-2005-866775
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schädigung der Analschleimhaut durch anale Nassreinigung - Erwiderung

H. Rohde
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Publication Date:
05 April 2005 (online)

Der Leserbrief zu meinem Mediquiz [28] hat mich außerordentlich gefreut. Unsere Körperreinigung ist ein von Emotionen belegtes und belagertes Feld. Hier weiß jeder, was für ihn richtig ist - und für andere.

Ob die einzige richtige Analhygiene in der Benutzung von fließendem Wasser am Bidet besteht, ist nach meinem Dafürhalten völlig unklar. Proktologen weltweit sagen das, ob sie nun Chirurgen [1] [5] [7] [11] [17] [21] [24] [25], Internisten [8] [14-16] [19] [20] [26] oder Dermatologen [2] [4] [6] [24] [27] sind. Aber haben diese oder haben Sie einen Beweis für Ihre Annahme in der Hand?

Wasser kann, besonders wenn es vielfach täglich an einer Stelle verwendet wird, die Haut austrocknen (Summationseffekt). Was geschieht, wenn Seifen, Duschgels und Shampoos zusätzlich einwirken [9] [10], wenn zwischendurch auch noch Feuchttücher angewendet werden [3] [13] [22]? Kann es sein, dass die Haut unterschiedlicher Menschen unterschiedlich auf Externa reagiert? So wie z.B. rothaarige Menschen die Sonne nicht so gut vertragen wie Dunkelhaarige? Darüber hinaus ist die menschliche Sublimationsfähigkeit, besonders für diese Region, enorm. Dies jedenfalls ist eine meiner täglichen Praxiserfahrungen.

Im gleichen Brustton der Überzeugung wie Sie habe ich meinen Patienten jahrelang die Nassreinigung „gepredigt“, ohne jemals diesen Rat geprüft zu haben. Erst durch die Beobachtung eines 72-jährigen Patienten mit einem ausgeprägten Analekzem wurde ich selbstkritisch. Er sagte: „Meinen Hintern wasche ich täglich vielfach und gründlicher als mein Gesicht“. Ihn plagten Juckreiz, Brennen und Bluten. Ich konnte ihn überreden, versuchsweise nur Vaseline auf einem weichen WC-Papier für seine täglichen Reinigungen nach dem Stuhlgang an seinem wunden After auszuprobieren. Gleichzeitig bat ich ihn, vorübergehend bis zur Wundheilung, auch auf Dusche, Bad, Seifen, Duschgels, Feuchttücher, Sauna und Schwimmen zu verzichten. Er solle sich, so oft er wolle, überall mit dem Waschlappen reinigen, nur nicht im Bereich seiner entzündeten Afterregion. Es dauerte einige Zeit, aber durch Weglassen aller Externa heilte seine Analhaut.

Dies war die Initialzündung zu selbstkritischerem Vorgehen, zu intensiver Befragung bezüglich der Waschanamnese, den bisher lokal angewandten Medikamenten, zur aufmerksamen Prüfung anatomischer Gegebenheiten (Haare, Marisken, Trichteranus, vorausgegangene Operationen am After, hypertrophe Analpapille), zur Beachtung hygienischer, ästhetischer und psychologischer Faktoren als Motoren vermehrter Nassreinigung, zum Studium der Literatur über Analhygiene, zur Formulierung der in prospektiven Kohortstudien [12] oder, noch besser, in randomisierten, kontrollierten Studien [18] zu prüfenden Frage: Zu welchen Vorteilen und zu welchen Nachteilen führen Nassreinigungen am After?

Vom streng wissenschaftlichen Gesichtspunkt her werfen Sie mir zu Recht vor, einen medizinischen Rat zu publizieren, der unbewiesen ist. Noch laufen o. g. Studien, manche stehen kurz vor ihrem Abschluss. Ich bin jedoch auch Arzt. Täglich erlebe ich in meiner Praxis, dass Sie mit Ihrem Rat, nichts ist besser als reines, fließendes Wassers nach jedem Stuhlgang, nicht in allen Fällen Recht haben. Das strikte Verbot der Nassreinigungen kann nach meiner Beobachtung zur Abheilung des Analekzems führen.

Literatur

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  • 27 Wolff H H. Diagnostik und Therapie des Analekzems.  Therapiewoche. 1975;  20 2751-2760
  • 28 Rohde H. Schädigung der Analhaut durch Nassreinigung.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 2717-2718

Prof. Dr. med. Henning Rohde

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