Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(3): 85-86
DOI: 10.1055/s-2005-837378
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stressverarbeitung: Bedeutung und Sinn in der Medizin

(Mal-)adaption after Stress: meaning and sense in medicineW. Schüffel1
  • 1Klinik für Psychosomatik, Klinikum der Philipps-Universität Marburg
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Publication Date:
14 January 2005 (online)

Sind Fibromyalgie und posttraumatisches Stresssyndrom (PTSD) zwei Äpfel vom selben Stamm? Ja, es sieht so aus. Die These der Autoren beider Artikel dieses Heftes über Stressverarbeitung ist, dass ausgeprägte funktionelle somatische Syndrome einschließlich Fibromyalgie (P. A. Berg, S. 107) bzw. eine Vielzahl von Belastungsstörungen einschließlich PTSD (F. Pedrosa Gil, S. 102) mit einer gestörten neuroimmunologischen Stressverarbeitung einhergehen. Beide stimmen weitgehend darin überein, dass gestörte Stressverarbeitung als ein durchgehendes Prinzip in der Medizin zu finden ist. Mit Methoden moderner neuroimmunologischer Stressforschung wird dieses Prinzip darstellbar. Es lassen sich, so weitere Thesen beider Autoren, wichtige (psycho-)therapeutische Schlüsse ziehen. Beide führen das von ihnen jeweils schwerpunktmäßig behandelte Krankheitsbild, die Fibromyalgie bzw. das posttraumatische Stresssyndrom, auf eine gestörte Stressverarbeitung zurück. Sie stimmen hierin mit Kennern der Krankheitsbilder überein. Ich würde hinzufügen: Das Verbindende zwischen beiden Krankheitsbildern ist Schmerz im körperlichen und im übertragenen Sinne. Eine erschütternde Infragestellung des Selbst bzw. ein erschütternder Verlust von zwischenmenschlichen Bezügen, allein und eingeengt zu sein, sich am Ende seiner Kräfte zu sehen und schließlich ein Dennoch, ein Ja zu Leben - das sind vier wesentliche Elemente, die derartige Patienten mit größter Regelmäßigkeit aufweisen. Bestimmend ist der Ihnen nicht bewusste, also der unbewusste und der geradezu überwältigende Drang, zwischenmenschliche Bezüge und noch stärker sich selbst erproben zu müssen.

Literatur

  • 1 Antonovsky A. Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well. Jossey-Bass Publishers, San Francisco, London 1987
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  • 5 Egle U T, Egle-Eckhard M L, Nickel R, van Hodenhove B. Fibromyalgie als Störung der zentralen Schmerz- und Stressverarbeitung.  Psychother PSYCHMED ppm. 2003;  53 1-11
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  • 8 Schüffel W, Brucks U. Ein Mann, der schwanger wurde und spielen lernte;. Ullstein Medical, Wiesbaden in: Schüffel, W., Brucks, U., Johnen, R., et al (Hrgs): Handbuch der Salutogenese - Konzept und Praxis 1998
  • 9 Schüffel W, Schunk T. PTSD and PTSD-O; Two twin disorders helping to understand coherence;. Atlantic Press, Baerum in: Disasters and After Effects; Disaster Psychiatry in a troubled world - A tribute to Lars Weisaeth 2001

Prof. Dr. med. W. Schüffel

Klinik für Psychosomatik, Zentrum für Innere Medizin, Klinikum der Philipps-Universität Marburg

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