ZFA (Stuttgart) 2005; 81(7): 269
DOI: 10.1055/s-2005-836814
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

CRP: Entlastung für unser Laborbudget

M. M. Kochen1
  • 1Abt. Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität
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Publication Date:
19 July 2005 (online)

Hand aufs Herz, liebe Leserinnen und Leser: Wie häufig lassen Sie in Ihrer Praxis das C-reaktive Protein bestimmen? Und wie oft erwarten Sie vom Ergebnis (z. B. im Falle eines Patienten mit respiratorischem Infekt) eine Unterscheidung einer viralen von einer bakteriellen Ätiologie?

Obwohl wir das in aller Regel klinisch entscheiden, wäre es schön, wenn wir mit Hilfe eines solchen Tests diese Differenzierung durchführen und entsprechende therapeutische Konsequenzen ziehen könnten.

Beim Blick in die internationale Literatur zur Frage des Nutzens der CRP findet man zum Teil widersprüchliche Aussagen: Etliche Studien fanden keinen Nutzen im Sinne der o. g. Fragestellung, einige wenige (insbesondere ältere) aber doch, und einzelne Untersuchungen sehen bei anderen Beurteilungskriterien (wie z. B. der Aktivität einer rheumatoiden Arthritis oder einer Polymyalgia rheumatica) die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) als nützlicher an als die CRP.

Eine systematische Übersichtsarbeit zur diagnostischen Akkuratesse und zur Unterscheidungskraft „viral versus bakteriell” der CRP bei radiologisch gesicherten „Fällen” von meist erwachsenen Patienten mit Pneumonie (publiziert im British Medical Journal vom 2. Juli 2005) kommt nun zu ernüchternden Ergebnissen.

Die Autoren aus den Abteilungen Allgemeinmedizin, Infektionskrankheiten und Entscheidungsfindung der Universität Leiden prüften in den beiden weltweit größten medizinischen Datenbanken Medline und Embase 17 Studien aus den letzten 38 Jahren, die sich mit diesen Fragestellungen befassten. Demnach ist die CRP weder ausreichend sensitiv, noch ausreichend spezifisch, um eine bakterielle Genese eines pneumonischen Infiltrates zu bestätigen oder auszuschließen. Der Wert der CRP als ergänzende diagnostische Maßnahme zur klinischen Untersuchung, um eine bakterielle Pneumonie zu erkennen, konnte nicht ausreichend beurteilt werden, da nur wenige Arbeiten mit meist zweifelhafter Methodik publiziert sind.

Trotz der Notwendigkeit, jeweils für einen einzelnen Patienten zu entscheiden, kann aus meiner Sicht die Konsequenz für unsere Praxen nur heißen, dass wir uns neben der klinischen Einschätzung noch mehr als bisher auch auf epidemiologische Erkenntnisse verlassen (und die besagen, dass - natürlich altersabhängig - die Mehrzahl der Atemwegserkrankungen viralen Ursprungs sind). Denn - wie eine andere Untersuchung ebenfalls aus einer allgemeinmedizinischen Institution in den Niederlanden zeigt - kann auch bei erfahrenen Hausärzten die Befragung und klinische Untersuchung von betroffenen Patienten relativ wenig zur Unterscheidung viral - bakteriell beitragen.

Die gute Nachricht dieser wissenschaftlichen eher enttäuschenden Erkenntnis aber lautet: Entlasten Sie Ihr Laborbudget (und potenziell auch Ihren Geldbeutel), in dem Sie noch kritischer prüfen, ob die Bestimmung der CRP wirklich notwendig ist. Für Verlaufsbeobachtungen, z. B. von Patienten mit einer behandelten Polymyalgie, ist die in der Praxis durchführbare BSG der CRP offenbar überlegen; ansonsten aber scheinen beide Bestimmungen gleich schlecht zu sein.

Ihr Michael M. Kochen

Prof. Dr. Michael M. KochenMPH, FRCGP 

Abteilung Allgemeinmedizin · Georg-August-Universität

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

Email: mkochen@gwdg.de

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