Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(10): B 449
DOI: 10.1055/s-2004-837853
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Geriatrisches Assessment kommt

Hagen Sandholzer
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Publication Date:
22 December 2004 (online)

Nun kommt er doch, der EBM 2000 plus. Staunend finden wir im Leistungskatalog die Position 03341 - das hausärztlich-geriatrische Basisassessment. Zu dem obligaten Leistungsinhalt gehört „die Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen unter Berücksichtigung des kardiopulmonalen und/oder neuromuskulären Globaleindrucks mit Quantifizierung der Störung mittels standardisierter qualitätsgesicherter Testverfahren (z.B. Barthel-Index, PGBA, IADL nach Lawton/Brody, geriatrisches Screening nach LACHS), die Beurteilung der Sturzgefahr durch standardisierte Testverfahren (z.B. „Timed up & go”-Test) und die Beurteilung von Hirnleistungsstörungen mittels standardisierter Testverfahren (z.B. MMST, SKT oder TFDD). Die Leistung ist im Krankheitsfall höchstens zweimal berechnungsfähig. Summa summarum wird hier dem hausärztlichen Sektor eine Leistung zugeordnet, die aus der geriatrischen Klinik stammt. Hier steht genug Personal zur Verfügung, welches die umfangreichen Tests durchführen kann und -was viel wichtiger ist - die vom Assessment abgeleiteten Rehabilitationsmaßnahmen ohne Budget umsetzen kann. Soweit die erste Lesart des EBM - des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs.

EBM heißt aber auch Evidence Based Medicine, dort sieht das geriatrische Assessment etwas anders aus. Man weiß aus Metaanalysen, dass das geriatrische Assessment am wirksamsten in Form präventiver Hausbesuche stattfindet, während das Assessment in der Praxis wenig effizient war. Zum Einsatz kamen relativ simple Instrumente. Es besteht eine Dosis-Wirkungsbeziehung, sodass die Vermeidung von Heimaufnahmen infolge Pflegebedürftigkeit am besten durch regelmäßige Routinebesuche gelingt. Am besten ist es bei „wenig geriatrischen” Patienten wirksam, also eher bei den jüngeren und wenig beeinträchtigten Patienten. Studien zum funktionellen Assessment (Barthel-Index) verliefen in der ambulanten Versorgung meist negativ. Hätte man Evidenz Basierte Medizin dem EBM zugrunde gelegt, stünde da unter der Position 03341 wohl folgender Text: „Präventiver Hausbesuch. Obligater Leistungsinhalt: Beurteilung des medizinischen, kognitiven und sozialen Status, der Blutdruckeinstellung und des Impfstatus, der Hausapotheke und den Wohnbedingungen sowie Ableitung eines Behandlungsplans für die weitere hausärztliche Langzeitbetreuung”. Welche Tests nun wirklich sinnvoll sind, werden wir in einem Themenheft Anfang 2005 berichten.

Prof. Dr. med. Hagen Sandholzer

Leipzig

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