Allgemeine Homöopathische Zeitung 2004; 249(6): 273-279
DOI: 10.1055/s-2004-834425
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

Fontane und die Homöopathie

Karl Otto Sauerbeck
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 December 2004 (online)

Zusammenfassung

Überall, wo ärztliche Bemühungen in Fontanes Werken geschildert werden, steht die Homöopathie im Vordergrund, obwohl der Dichter selbst sich nie homöopathischer Behandlung unterzogen zu haben scheint. Zwar macht er in den Gedichten keine Anspielungen auf die homöopathische Lehre. In seinen Romanen jedoch äußert er sich über sie und entfaltet genaue Kenntnisse: sowohl über die althergebrachte urtümliche Homöopathie der Kräuterweiber im „Stechlin” als auch über Hahnemanns Lehrgebäude in „Unwiederbringlich”. Dabei berücksichtigt er mehr Gesichtspunkte als die anderen Schriftsteller seiner Zeit. Der Leser ist auch deshalb tief beeindruckt, weil die Thesen der Homöopathie strittig erörtert werden und dabei die Figuren des Romans Profil gewinnen. Da ist gleichgültig, dass es sich auf den ersten Blick bloß um geselliges Geplauder ohne Bedeutung handelt. Der heutige Leser merkt, dass die Homöopathie die Öffentlichkeit in der wilhelminischen Ära stark beschäftigt hat.

Summary

In Fontane's works homeopathy plays a great part where medical endeavour is described, notwithstanding that the author did not make use of homoeopathic cure himself. He does not recur to homeopathic doctrine in verse, it is true. But he speaks of it in his novels with exact knowledge: of the primitive traditional homeopathy of female herbalists in „Der Stechlin”, and as well of Hahnemann's doctrine in „Unwiederbringlich”. He takes regard to more points of view than the other writers of his time, and because they are discussed and the persons are characterized in that way, the reader is much impressed though all seems at first sight pure small-talk uttered in society for pastime. We see that homoeopathy occupied people during the Victorian Age.

Anmerkungen

01 Brief an Ignaz Hub vom 31.12.1851, Briefe I, 69-71.

02 Brief an Wilhelm Wolfsohn vom 10.11.1847, Briefe I, 17-21: „In zwei Jahren hoff ich selbständig, d.h. Apothekenbesitzer, Gatte und resp. Familienvater zu sein.”

03 Sponholz sagt Digitalis, Dubslav (außer wenn er diesen zitiert) Fingerhut - so fein charakterisiert Fontane. Den Geschmack kennt Dubslav nicht, da er das Mittel nie zuvor benötigt hat - er nimmt an, dass es sich darum handeln muss.

04 Stechlin: 366.

05 Selbst Karl Strölin, nationalsozialistischer Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart (1933-45), anerkannte die besondere Einsatzfreude jüdischer Ärzte.

06 Stechlin: 389.

07 Die Nacht vom 30.4. auf den 1.5 mit angeblich besonderer Aktivität der Hexen.

08 Levisticum officinale.

09 Allium victoriale sollte nach dem Volksglauben sogar als Zaubermittel vor Verwundung durch Kriegswaffen feien. Allermannsharnisch heißt: „Rüstung für jedermann” (da billiger als ein Panzer).

10 Nach Schönfelder (1939) sind bei Wassersucht Brennnessel, Petersilie, Schöllkraut, Wacholder, Geißbart, Zwiebel indiziert. Bärlapp und Katzenpfötchen sind nicht aufgeführt. Der große Brockhaus (1957) gibt Katzenpfötchen als Mittel gegen Husten und Augenkrankheiten an.

11 Dasselbe Prinzip übersteigert die frömmelnde Katzlerin, Oberförstersgattin im Roman: „Sogenannte Medikamente sind und bleiben ein armer Notbehelf; alle wahre Hilfe fließt aus dem Wort (Gottes).”

12 Stechlin: 404.

13 Niederdeutsch für mittelhochdeutsch büezen „besser werden lassen, verbessern”.

14 Wenn für Dubslav Gott „der beste Assistenzarzt” ist, so denkt man sogleich an Goethes „Faust”: „… lässt es am Ende gehen, wie Gott will.”

15 Lentháric in Nîmes, ein hervorragender Homöopath, versicherte mir, er seinerseits erlaube Kaffee, sonst bliebe sein Sprechzimmer nahezu leer.

16 Theodor Heuss teilte - mündlich in einer Rede - die Ärzte ein in solche, die ihm das Rauchen erlauben und solche, die es ihm verbieten.

17 Der Dichter lässt Dr. Sponholz nur diskret sagen: „An seinem Namen - er heißt … Moscheles - dürfen Sie nicht Anstoß nehmen.”

18 Zu vergleichen ist Mörikes Absage bei einer Einladung: „An Eberhard Lempp”, Werke, hrsg. Hannsludwig Geiger: 160.

19 Schlaf, Bd. I: 144

20 Ebd.: 156.

21 Johann Christian Reil (1759-1813), Erforscher des Nervensystems, von dem Romantiker Ludwig Tieck (1773-1853) wegen Nichtigkeiten konsultiert, wurde kurz abgefertigt.

22 Schlaf, Bd. I: 187.

23 Wie er sich mehr gegen die Ärzte als für die Homöopathie der „weisen Frau” entscheidet, die Buschen also als Alibi benutzt, um ohne den Vorwurf völliger Sorglosigkeit Moscheles „ausbooten” zu können, so benutzt er Agnes, das Enkelkind der Buschen, um seine Schwester Adelheid zu vertreiben und von ihrer doch nutzlosen Pflege nicht molestiert zu werden.

Literatur

  • 01 Fontane Th. Gesammelte Werke. Jubiläumsausgabe. Eine Auswahl in fünf Bänden. Frankfurt; S. Fischer 1919
  • 02 Fontane Th. Briefe in zwei Bänden. Berlin; Aufbau 1980
  • 03 Mörike E. Werke. München; Emil Vollmer Verlag o.J.
  • 04 Schönfelder Br. Welche Heilpflanze ist das?. Stuttgart; Francksche Verlagshandlung 1939

Anschrift des Verfassers:

Dr. Karl Otto Sauerbeck

Eduard Steinle Str. 33

70619 Stuttgart

    >