ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2004; 113(7/08): 301
DOI: 10.1055/s-2004-832246
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Adenauer lässt grüßen

Cornelia Gins
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Publication Date:
23 August 2004 (online)

Die Gesundheitsreform 2005 steht vor der Tür, die zahnmedizinischen Eckdaten sind soweit unter Dach und Fach, doch über die Finanzierung ist wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen. Noch im letzten Jahr wurde der gemeinsame Konsens zwischen Koalition und Opposition über die Ausgliederung des Zahnersatzes aus der allgemeinen gesetzlichen Krankenkasse als der Durchbruch schlechthin gefeiert, und kaum ein Jahr später wird wieder alles infrage gestellt. Was interessiert mich heute mein Geschwätz von gestern - ein Zitat, das bereits seit geraumer Zeit in unserer Politik eine ungeahnte Renaissance erlebt.

Da wird von der Politik der Reformunwille der Bürger bemängelt. Alle würden sich zu sehr an alten Besitzständen festklammern. Trotz des Signals zum Aufbruchs würden zu viele sitzen bleiben. Verständlicherweise ist erst einmal sitzen zu bleiben weitaus bequemer als aufzustehen. Durch das viele Hin und Her haben es die Parteien bis jetzt nicht geschafft, überzeugend die Aufbruchstimmung zu vermitteln. Zu viele Flops haben den Bürger an der Professionalität der Politik zweifeln lassen. Maut und Dosenpfand, wahrscheinlich auch die geplante Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die Chipkarte und nun auch noch die Umsetzung der Gesundheitsreform 2005 geben nicht gerade Anlass, Verzicht auf irgendetwas zu fördern. Der neue Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Antrittsrede angemahnt, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, das Ziel der Reformen zu erklären. Ich denke schon, dass das Ziel dem Bürger klar ist: Durch persönlichen Verzicht soll es der Gemeinschaft und damit auch ihm langfristig besser gehen. Es wird in diesem Zusammenhang gern die Nachkriegszeit als Beispiel für Solidarität und persönliche Opfer erwähnt. Doch wie die meisten Vergleiche hinkt auch der. Damals hatten die Bürger ohnehin nichts mehr zu verlieren, so war der Wiederaufbau eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Ziel. Wir als Nachkommen sollen nun begreifen, dass Verluste bei Einkommen, Freizeit und Sicherheit hingenommen werden müssen, um größere Verluste zu vermeiden.

Bekanntermaßen ist der Weg das Ziel. Die Crux ist, dass das Ziel zwar klar ist, aber der visionäre Weg uns bis dato verschlossen blieb. Regierung oder Opposition - keiner der beiden ist zurzeit in der Lage, ihren Weg als den Stein der Weisen verkaufen zu können. Ob die Vorstellung von Laurenz Meyer, Generalsekretär der CDU, dass Gesundheitsprämie und Rentenkürzung leichter zu vermitteln seien, wenn sie als nationale Aufgabe gesehen werden, Akzeptanz findet, ist sehr unwahrscheinlich. Zahnersatz fürs Vaterland - na, ich weiß nicht. Es fehlen in Deutschland Politiker mit Format und Charisma. Eine Reform kann nur jemand durchsetzten, der bereit ist, seine Ideen auch um den Preis einer Nichtwiederwahl zu vertreten. Mit Mut und Entschlossenheit das Neue wagen, wäre eine Möglichkeit, den viel zitierten Ruck zu bewirken. „Rumeiern” und das Fähnchen nach den jeweiligen Windströmungen ausrichten, macht mehr als unglaubwürdig. Viel Zeit ist verloren gegangen, ohne dass wirklich konkret „Butter bei die Fische” gelegt wurde. Nun ist inzwischen die Butter ranzig und der Fisch stinkt.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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