Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(34/35): 1791
DOI: 10.1055/s-2004-829029
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fortbildungsqualität und Leitlinienkultur

Quality of continuing education and guidelinesW. E. Fleig1
  • 1Universitätsklink und Poliklinik für Innere Medizin I, Halle
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eingereicht: 15.7.2004

akzeptiert: 19.7.2004

Publication Date:
16 August 2004 (online)

Prof. Dr. W. E. Fleig

Auch wenn viele der Ansicht sind, die Qualität unserer Fortbildung sei gut: Sie ist aus verschiedenen Gründen dringend verbesserungsbedürftig. Dabei gilt - wie im Weinbau -, dass ein erster, zwangsläufiger Schritt zur Qualitätsverbesserung die „Mengenbegrenzung” ist: Nicht jeder gastroenterologische (Verallgemeinerung auf andere Schwerpunkte und Gebiete sind zulässig) Chefarzt oder Universitätsprofessor, nicht jede Fachpraxis muss sich mit einer eigenen Reihe konventioneller Fortbildungsveranstaltungen profilieren, und nicht jede Ärztekammer und jeder Berufsverband muss das Angebot durch verstaubte Veranstaltungen auf einer kanarischen Insel erweitern.

Völlig unabhängig von möglichen Einflüssen der Industrie sind die Inhalte mancher Fortbildungsveranstaltungen von der aktuellen Datenlage weit entfernt: „Eminenzbasierte”, oft anekdotische Erfahrung ersetzt die Evidenz aus prospektiven Studien. Insbesondere bei der Beurteilung vermeintlich oder tatsächlich konkurrierender Methoden setzt oft eine systematische Fehlbeurteilung ein, die unpassende Information ausblendet. Hier ist allerdings auch eine grundlegende Verbesserung der Primärinformation nötig: Nirgendwo ist die Studienlage so schlecht wie im Bereich der Diagnostik durch Endoskopie, Ultraschall und andere Schnittbildverfahren.

Leider kann dieses Problem nicht einfach durch einen Rückgriff auf „Leitlinien” gelöst werden: Auch deren Qualität ist sehr verschieden. Dem einzelnen Fortbildungswilligen kann nicht erspart werden, sich selbst mit den grundsätzlichen Methoden des Erkenntnisgewinns in der klinischen Forschung auseinanderzusetzen. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten „Koordinierungszentren für klinische Studien” (KKS) bieten in diesem Zusammenhang Intensivkurse zu den Grundlagen und der Praxis klinischer Prüfungen an, die einem von der Arbeitsgemeinschaft der KKS formulierten Curriculum folgen (z.B. www.kks-halle.de/kurse.html). Schließlich muss der behandelnde Arzt die existierenden Leitlinien kritisch und in angemessener Weise in sein tägliches praktisches Tun integrieren. Dem individuellen Patienten wird nur gerecht, wer Wissen aus Studien (deren vielfältige Ausschlusskriterien die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse einschränken können) zusammen mit seiner persönlichen Erfahrung auf das spezielle Problem anwendet und sich darüber Rechenschaft ablegt, welche Anteile beides an seiner ärztlichen Entscheidung hat.

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wird diesen Herausforderungen durch zwei Maßnahmen begegnen:

Zum einen wird sie das Spektrum der zur Verfügung stehenden Leitlinien in den kommenden Jahren komplettieren und existierende Leitlinien auf den aktuellen Stand bringen; ihre Leitlinienkommission hat dazu einen Prioritätenkatalog erarbeitet. Dass dieser Prozess noch nicht weiter vorangekommen ist, ist den Schwierigkeiten einer unabhängigen Finanzierung der Leitlinienerstellung geschuldet. Zum anderen wird die DGVS noch in diesem Jahr zusammen mit dem Bundesverband Gastroenterologie Deutschland (BVGD) eine Fortbildungsakademie gründen, deren wesentliche Aufgabe in der Prüfung und Zertifizierung von Fortbildungsangeboten in der Gastroenterologie liegt. Dass dies in enger organisatorischer Abstimmung mit den dafür gesetzlich zuständigen Ärztekammern geschehen muss, ist selbstverständlich, dass darüber hinaus ein optimales Verhältnis zwischen Effektivität und dem unabdingbaren administrativen Aufwand zu finden ist, ebenso.

Das vorliegende DMW Schwerpunktheft versucht, Fortbildung zu aktuellen Problemen der Gastroenterologie mit exemplarischen Originalbeiträgen, Übersichten und Fallbeispielen zu betreiben. Ich wünsche Ihnen eine informative und unterhaltsame Lektüre.

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig

Universitätsklink und Poliklinik für Innere Medizin I, Martin-Luther Universität

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