Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(22): 1276
DOI: 10.1055/s-2004-826855
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prospektive Studie zum Vergleich von herkömmlicher und transnasaler Ösophago-Gastro-Duodenoskopie in der Routinediagnostik

Zum Beitrag aus DMW 3/2004
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 July 2004 (online)

Warum sollten ultradünne, transnasale Gastroskope nicht auf eine größere Patientenakzeptanz stoßen als die oral einzuführenden Geräte? Warum sollten sie nicht zumindest gleiche, vielleicht bessere, technische Eigenschaften haben als jene? Krakamp und Mitarbeiter haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet mit ihrem Vergleich von oraler und transnasaler Ösophago-Gastro-Duodenoskopie [6]. Aber ist das Design ihrer Studie überzeugend, sodass sich die von ihnen gezogenen Schlüsse nachvollziehen lassen?

Die drei Patientengruppen stimmen zwar bezüglich Symptomatik und demografischen Daten überein, aber über ihre Zuteilung zur transoralen bzw. transnasalen Gastroskopie „entschied die Geräteverfügbarkeit“ oder „wenn beide Gerätetypen gleichzeitig zur Verfügung standen, entschied die Reihenfolge des Erscheinens der Patienten in der Endoskopieabteilung“ [6]. Jedenfalls nicht der Zufall (Randomisierung).

Eine Fallzahlkalkulation vor Studienbeginn wurde nicht vorgenommen „da erst die erhaltenen Ergebnisse als Grundlage für eine solche dienen soll“ [6]. Dies, so zeigen die Ergebnisse, ist nicht möglich, da sich keine Unterschiede bei den drei Gruppen ergaben. Sie hätte darüber Aufschluss geben können, wie viele Patienten notwendig sind, um einen statistisch belegbaren Unterschied zwischen den Gruppen zu erreichen („power“). 63 untersuchte Patienten stellen eine sehr kleine Stichprobe dar, zumals sie sich auf drei Patientengruppen mit je 20 Patienten verteilen.

Wenn man bedenkt, wie viel Mühe, wie viel Detailarbeit, wie viel Aufwand in der Durchführung einer solchen Studie steckt, ist es ein Jammer, dass ihr kein adäquates Studiendesign zugrunde liegt. Denn die von den Autoren gezogenen Schlüsse sind wegen der Mängel im Design nicht überzeugend. Haben wir in Deutschland ein Defizit an methodologischem Wissen [7]?

1753 hat der englische Schiffsarzt James Lind die erste vergleichende Studie veröffentlicht. Damals starben jährlich hunderte von Seeleuten am Skorbut [2]. Er probierte sechs verschiedene Behandlungen aus: Apfelwein, Vitriolelexir, Essig, Seewasser, Abführmittel und Zitrusfrüchte. Nur letztere wirkten schnell und gut [2]. Damit war der Grundsatz geboren, nur aus dem Vergleich können Schlüsse gezogen werden. In den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts hat R. A. Fisher die Randomisierung als eines der Fundamente für ein experimentelles Studiendesign erarbeitet, mit dem es gelingt, vergleichbare Patientengruppen herzustellen [4]. Sir Austin Bradford Hill wandte die Randomisierung als erster beim Menschen in der berühmten Studie zur Behandlung der Tuberkulose mit Streptomycin an [3] [5]. Die Blindheit von Testperson und Untersucher stellte sich als unabdingbar bei der Durchführung randomisierter kontrollierter Studien heraus. Denn sonst ist dem Einfluss von Vorurteilen gegenüber der einen oder anderen Methode bzw. Behandlung Tür und Tor geöffnet [9]. Natürlich eignen sich hierfür nicht alle Fragen, die durch Studien beantwortet werden sollen. So wäre Blindheit in der von Krakamp durchgeführten Studie [6] nur bei der randomisierten Zuteilung des nasal oder des oral einzuführenden Endoskops möglich gewesen.

Nicht ohne Stolz schrieb der Herausgeber des British Medical Journals kürzlich: „Britain has given the world Shakespeare, newtonian physics, the theory of evolution, parliamentary government - and the randomised controlled trial“ [10]. Bezüglich des Designs und der Durchführung von randomisierten, kontrollierten Studien können wir von den Briten lernen [1]. Schließlich ist evidence-based-medicine, auch beim Vergleich unterschiedlicher Gastroskopietechniken das Ziel. Und deren Aussagen beruhen fast ausschließlich auf randomisierten kontrollierten Studien [8].

Literatur

  • 1 Consort statement . Revised recommendations for improving the quality of reports of parallel-group randomised trials.  Lancet. 2001;  357 1191-1194
  • 2 Currie C. Clinical arithmetic.  Brit med J. 2003;  327 1418-1419
  • 3 Doll R. Controlled trials the 1948 watershed.  Brit med J. 1998;  317 1217-1220
  • 4 Fisher R A. The design of experiments. London, Oliver and Boyo 1935
  • 5 Medical Research Council . Streptomycin treatment of pulmonary tuberculosis.  Brit Med J. 1948;  2 769-782
  • 6 Krakamp B, Parusel M, Saers T. Prospektive Studie zum Vergleich von herkömmlicher und transnasaler Ösophago-Gastro-Duodenoskopie in der Routinediagnostik.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 82-86
  • 7 Rohde H. Welche Studien, welcher Mangel?.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 571-572
  • 8 Sacket D L, Rosenberg W MC, Gray J AM, Haynes R B, Richardson W S. Evidence based medicine: what it is and what it isn’t.  Brit Med J. 1996;  312 71-72
  • 9 Schulz K F, Grimes D A. Allocation concealment in randomised trials: defening against deciphering.  Lancet. 2002;  359 614-618
  • 10 Smith R, Chalmers I. Britain’s gift: a „Medline“ of synthesised evidence.  Brit Med J. 2001;  323 1437-1438

Prof. Dr. med. H. Rohde

Praxis für Endoskopie und Proktologie

Friesenplatz 17a

50672 Köln

    >