Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(10): 483
DOI: 10.1055/s-2004-820535
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Pneumologie im Wandel der Zeit

Pneumonology in the course of timeT. O. F Wagner1 , W. Seeger2
  • 1Abteilung Pneumologie/Allergologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt
  • 2Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Gießen
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 February 2004 (online)

Prof. Dr. T. O. F. Wagner

Prof. Dr. W. Seeger

Die Tatsache, dass Sie das Schwerpunktheft Pneumologie der DMW in Händen halten, ist Beleg für Ihr Interesse aber auch für die Bedeutung der Pneumologie und ihrer Themen.

Die hier zusammen gestellten Beiträge umfassen ein weites Spektrum und bieten doch nur einen kleinen Einblick in die Pneumologie. Ärzte dieses Fachgebietes versorgen einen großen Teil der Bevölkerung: Allein von den Volkskrankheiten Chronische Bronchitis (COPD) und Asthma sind mehr als 10 % der Menschen in Deutschland betroffen. In der WHO-Statistik der häufigsten Todesursachen weltweit, wird die COPD auf Platz 6 geführt (WHO-Vorhersage für 2020: Platz 3). In Deutschland erkranken jährlich ca. 800000 Menschen an einer Pneumonie, knapp ein Drittel davon muss (Angaben Statistisches Bundesamt) stationär aufgenommen werden. Damit führt die ambulant erworbene Pneumonie häufiger zur Krankenhausbehandlung als die bekannten Volkskrankheiten Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Pneumonie ist zur Zeit die sechsthäufigste Todesursache in Deutschland, in der WHO-Statistik sogar auf Platz 3. Hinzu kommt das Lungenkarzinom (Krebstodesursache Nummer 1, in der WHO-Statistik Platz 10, WHO-Vorhersage für 2020: Platz 5). Zusammen mit der Tuberkulose (WHO-Statistik: Platz 7) versorgen Lungenfachärzte vier der zehn häufigsten zum Tode führenden Erkrankungen.

Die wissenschaftliche Fachgesellschaft, die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie” gliedert sich in 14 Sektionen. Zum Fach Pneumologie zählen so unterschiedliche Bereiche wie Allergologie, Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Infektiologie und Tuberkulose, Onkologie, Thoraxchirurgie, Transplantation und Rehabilitation. Die moderne Pneumologie mit Beatmungstherapie, Schlafmedizin, Intensivmedizin und Endoskopie, Zell- und Molekularbiologie und vielen anderen Elementen wie Versorgungsaspekten und Qualitätsmanagement spannt einen Bogen von der Grundlagenforschung zur klinischen Medizin.

Wir haben ausgewiesene Spezialistinnen und Spezialisten zum aktuellen Stand sowohl von Volkskrankheiten wie Asthma, COPD und Pneumonie als auch zu seltenen Erkrankungen wie der Lungenfibrose zu Wort kommen lassen. Für alle Bereiche gibt es in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte. Beim Asthma ist das Verständnis durch intensive Grundlagenforschung, epidemiologische Studien und klinische Forschung geradezu sprunghaft angestiegen, und wir können davon ausgehen, dass der medizinische Fortschritt mit der Zunahme dieses Krankheitsbildes Schritt halten wird. Bei der COPD hat sich immer mehr ein einheitlicher internationaler Sprachgebrauch durchgesetzt, und die verschiedenen Vorstellungen konnten zusammengetragen werden zu einer allgemein verbindlichen und umfassenden Leitlinie. Mit der Förderung des Kompetenznetzwerkes „Ambulant erworbene Pneumonie” (Community acquired pneumonia, CAP-Netz) ist eine optimale Voraussetzung geschaffen, die Erkenntnisse aus vielen Untersuchungen zu Erreger-Organ- oder Wirt-Pathogen-Beziehungen in Verbindung mit verlässlichen epidemiologischen Daten aus Deutschland von vielen Tausend Pneumoniepatienten zu ergänzen und damit in der evidenz- und leitlinienorientierten Versorgung dieser Patienten große Fortschritte zu machen, wie der Beitrag über die Pneumonie aufzeigt. In der Intensivmedizin ist kaum ein Thema derart dynamisch und innovativ wie der Bereich der Beatmung, speziell der nicht invasiven Beatmung. Hier haben deutsche Pneumologen viel Vorarbeit geleistet, so dass der Beitrag zur europäischen und internationalen Entwicklung nicht zu übersehen ist. Die Lungenfibrose ist ein Beleg dafür, dass nicht nur dort, wo die Pharmaindustrie mit riesigem Einsatz Forschung und Entwicklung voran bringt, sondern auch bei seltenen Krankheiten, bei denen wirtschaftliche Interessen nicht zählen, durch Kooperation und sorgfältige Analyse der Daten Fortschritt möglich ist.

Viele weitere spannende Themen der Pneumologie hätten mit gleicher Berechtigung Inhalt dieses Heftes sein können oder - aus der Sicht mancher Betroffener oder Kollegen - sein müssen. Mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen (Integrierte Versorgung, hochspezialisierte Versorgung) muss versucht werden, Modelle, wie sie sich in der Versorgung der Mukoviszidose abzeichnen, zu sichern und auf andere Bereiche seltener Erkrankungen (Interstitielle Lungenerkrankungen, Pulmonale Hypertonie etc.) oder komplexe und schwere Krankheiten (Lungentransplantation, Lungenkarzinom usw.) auszudehnen. Im Überfluss ist die Auswahl immer schwierig, und vielleicht können ja weitere Themen in späteren Heften erscheinen.

Die Herausgeber wünschen viel Nutzen bei der Lektüre.

Prof. Dr. med. T. O. F. Wagner

Abteilung Pneumologie/Allergologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt

    >