intensiv 2003; 11(1): 2-6
DOI: 10.1055/s-2003-37000
Intensivpflege
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Enterale Immunonutrition bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ALI/ARDS), Teil 1[*]

Unsere Nahrungsmittel sollen Heil-, unsere Heilmittel Nahrungsmittel sein. HYPOKRATESMargarete Reiter1
  • 1Bildungszentrum, Kliniken Landkreis Biberach/Riss GmbH
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Publication Date:
26 October 2007 (online)

Zusammenfassung

Neben der Respirator-, der Antibiotika- sowie der Kreislauftherapie stellt auch die frühe enterale Ernährung einen wesentlichen Bestandteil der Behandlung bei akutem Lungenversagen dar. Die Zufuhr immunmodulierender Substrate (Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien, Glutamin, Arginin, Nukleotide) während der frühen enteralen Ernährung beinhaltet dabei eine neue Dimension in der modernen klinischen Ernährungstherapie. Diese neue Form der Therapie wird heute mit dem Begriff der „enteralen Immunonutrition” umschrieben und wurde in experimentellen und klinischen Studien bereits vielfach untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien geben zu der Schlussfolgerung Anlass, dass insbesondere bei postoperativen und mangelernährten Patienten die Inzidenz von Infekten gesenkt, die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation sowie im Krankenhaus vermindert, die Beatmungszeit reduziert und die Dauer der Antibiotikatherapie verkürzt werden kann, sofern eine enterale Immunonutrition zur Anwendung kommt [1-4]. Es ist die Zielsetzung dieses Beitrags, die Bedeutung der frühen enteralen Immunonutrition für Patienten mit akutem Lungenversagen zu erörtern und die Übertragbarkeit der bereits bekannten Befunde auf die Belange dieser schwerst erkranken Patientengruppe zu hinterfragen. Die in der enteralen Immunonutrition zur Verfügung stehenden Substrate scheinen dabei nicht uneingeschränkt und in gleicher Weise zur Anwendung geeignet zu sein [5]. Für den Einsatz von Omega-3-Fettsäuren [3, 6] und Antioxidantien [5-7] gibt es ermutigende Befunde. Glutamin wurde bisher nicht eigens bei Patienten mit akutem Lungenversagen evaluiert; es gibt jedoch vielfältige Hinweise auf die positive Beeinflussung klinischer Endpunkte beim kritisch Kranken [8]. Arginin und Nukleotide sind als Einzelsubstrate beim kritisch Kranken nicht evaluiert [5]. Einige Studien, die Arginin sowie Nukleotide als Teil eines multimodalen immunmodulierenden enteralen Ernährungsregimes bei Patienten mit schwersten Verlaufsformen von SIRS und Sepsis untersuchten, weisen jedoch auf einen nachteiligen Trend in der Bewertung wichtiger klinischer Endpunkte hin [5]. Zudem konnte bislang durch keine der genannten Interventionen eine Reduktion der Mortalität zweifelsfrei nachgewiesen werden [9].

Vor dem Hintergrund der ermutigenden wie auch kritisch zu wertenden Befunde sind Pflegende in Intensiveinheiten aufgefordert, sich mit den Erkenntnissen neuer immunmodulierender Ernährungskonzepte vertraut zu machen, um deren klinische Anwendbarkeit mit bewerten zu können.

1 Als Vortrag gehalten beim 3. Symposium für Intensivpflege „Pflege und Therapie beim akuten Lungenversagen (ALI/ARDS)” im Krankenhaus Agatharied GmbH, Oktober 2001

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1 Als Vortrag gehalten beim 3. Symposium für Intensivpflege „Pflege und Therapie beim akuten Lungenversagen (ALI/ARDS)” im Krankenhaus Agatharied GmbH, Oktober 2001

Margarete Reiter

Krankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin (DKG), Lehrerin für Pflegeberufe, Kliniken Landkreis Biberach/Riss GmbH, Bildungszentrum

Ziegelhausstraße 50

88400 Biberach a. d. Riss

Email: margarete.reiter@kliniken-bc.de

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