Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(11): 675-676
DOI: 10.1055/s-2002-35118
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialG.  Singbartl1 , W.  Schleinzer2
  • 1AIT-Endo-Klinik Hamburg
  • 2IfAIS-Schweizer Paraplegiker Zentrum, Nottwil, Schweiz
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Publication History

Publication Date:
29 October 2002 (online)

Die autologe Transfusion wird juristisch gefordert [1] und sie ist gesundheitspolitisch gewollt [2]. Deshalb, aber auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Limitierung der für das Gesundheistwesen zur Verfügung stehenden Finanzmittel, gilt es, Nutzen und Risiken von Eigenblut und Fremdblut unter verschiedenen Aspekten und in Kenntnis neuer Ergebnisse sachkritisch und sachkompetent zu diskutieren:

Die Bedeutung der durch die Fremdblutgabe initiierten Immunmodulation ist weiterhin offen. Die in-line Leukozytendepletion führt zu einer qualitativen Produktverbesserung und ermöglicht die routinemäßige Anwendung hochwertiger autologer Vollblutkonserven mit verlängerter Haltbarbarkeitsdauer. Die Einbeziehung des potentiellen Risikos einer erhöhten Inzidenz post-operativer bakterieller Infektionen nach Fremdbluttransfusion bedingt eine erneute gesundheitsökonomische Bewertung der Eigenblutspende im Vergleich zur Fremdblutgabe anhand von Kosten-Nutzen-Analysen (“cost-effectivness-analysis”). Obgleich die maschinelle Autotransfusion ein seit langem bekanntes und etabliertes Verfahren darstellt, sind nicht alle Anwender mit dem dieser Maßnahme zu Grunde liegenden physikalischen Prinzipien und deren Bedeutung für das resultierende Blutprodukt vertraut. Die nach der maschinellen Aufbereitung von Wund-/Drainageblut resultierende Produktqualität wird durch Variation der Prozessierungsparameter sowie den Eingangshaematokrit entscheidend beeinflusst. Die klinische Relevanz einer mit der maschinellen Aufbereitung von Wundblut evtl. einhergehenden Leukozytenaktivierung ist noch offen. Bei Tumoroperationen wird die Sicherheit der maschinellen Autotransfusion mit anschließender Bestrahlung des aufbereiteten autologen Produktes und somit dessen Indikation bei dieser Patientengruppe unter arzneimittelrechtlichen Gesichtspunkten sowie der Bedeutung für den Patienten kontrovers diskutiert. Indikation und Kontraindikation zum Einsatz der maschinellen Autotransfusion bei speziellen Eingriffen und besonderen Begleiterkrankungen sind wenig bekannt. Klinische Daten bei kritisch Kranken geben Hinweise, auch bei dieser Patientengruppe den Transfusionstrigger differenziert und ggf. variabler als bisher üblich zu handhaben. Umso wichtiger ist die Kenntnis der Kompensationsmechanismen bei Toleranz der perioperativen Anämie. Die Dilutionskoagulopathie erlangt infolge der Akzeptanz niedrigerer Hb-Grenzwerte für die Indikationsstellung zur Bluttransfsusion eine zunehmende Bedeutung. Neben den qualitativen Einflüssen der kolloidalen Volumenersatzmittel auf die Blutgerinnung gewinnt somit auch die Verminderung von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren an Bedeutung als möglicherweise limitierende Parameter für das Ausmaß der Dilution. Prä- sowie peri-operativ eingesetzte Pharmaka sollen den Fremdblutbedarf sowie den operativen Blutverlust vermindern. BSE bzw. nvCJD stellen derzeit noch „offene Flanken” in der Sicherheit der homologen Transfusion dar. Künstliche Sauerstoffträger werden (immer noch/wieder) kritisch gesehen und sind von der klinischen Routineanwendung jedoch noch deutlich entfernt.

Im Rahmen des 2. interdisziplinären und internationalen Symposiums „Autologe Tranfsion - von der Euphorie zur Ratio: Praktisches Handeln aus wissenschaftlicher Erkenntnis”, welches am 18. und 19. Januar 2002 in Nottwil/Schweiz abgehalten wurde, wurden die o. g. Themenkomplexe kompetent und auf dem aktuellen Stand des Wissens diskutiert. Im Rahmen dieser Tagung sollten nicht nur Antworten auf „neue Fragen” gegeben, sondern gleichzeitig auch neue Fragen auf „alte Themen” provoziert und somit vermeintlich Etabliertes weiterhin kritisch hinterfragt werden.

Nur so wird unser praktisches Handeln in der „autologen” Patientenversorgung stets auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen basieren und die Praxis der autologen Transfusion an den jeweiligen Wissensstand adaptiert werden können. Ein derartiges Vorgehen ist nicht nur für den Patienten von Nutzen und somit medizinisch sinnvoll, sondern es ist darüber hinaus auch ökonomisch sinnvoll und dennoch ethisch. „Für viele Ärzte ist es unvorstellbar, daß zu der medizinischen Ethik auch eine ökonomische Ethik gehört. Nur was ich heute spare, kann ich morgen für Investitionen einsetzen, die übermorgen einen Segen bedeuten.”[3]. „Ökonomie und Medizin sind deshalb keine Gegensätze. Im Gegenteil, ökonomisches Denken und Handeln ist ethisches Handeln, wenn es zu einer sparsamen Verwendung und weniger Verschwendung der knappen Ressourcen beiträgt. Nur bei Knappheit zeigt sich die wahre Ethik.”[4].

Mit Zustimmung der jeweiligen Herausgeber der nachfolgend genannten wissenschaftlichen Fachzeitschriften ist es möglich, die bei diesem interdisziplinären/internationalen Symposium präsentierten Beiträge sowohl in Deutsch in „Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie” (Thieme Verlag, Stuttgart) als auch in English in „Infusion Therapy and Transfusion Medicine” (Karger Verlag, Basel) zu publizieren. Der Themenbereich der autologen Transfusion betrifft in gleichem Maße das Fachgebiet von Anästhesisten bzw. Transfusionsmedizinern. Aus diesem Grund wurde diese Art der Veröffentlichung in diesen zwei Fachzeitschriften von den Gast-Herausgebern dieses Mini-Symposiums gewählt. Da diese Arbeiten in zwei verschiedenen Sprachen publiziert werden, werden sie verlagsrechtlich nicht als „Doppelpublikation” bewertet. Die Organisatoren dieses Symposiums/Gast-Herausgeber dieses ‘Mini-Symposiums’ sind den Herausgebern dieser beiden wissenschaftlichen Fachzeitschriften für die Möglichkeit dieser Art der Veröffentlichung der Symposiumsbeiträge sehr dankbar; ebenso sind sie den Autoren für Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung in dieser Angelegenheit zu großem Dank verpflichtet.

Literatur

  • 1 Bundesgerichtshof .BGH-Urteil vom 17. 12. 1991 - AZ: VI ZR 40/91. 
  • 2 von Auer F. Autologous Transfusion - Pros and Cons from the Health Policy Perspective.  Infus Ther Transfus Med. 2002;  29 in press
  • 3 von Eiff W. Sparen im Krankenhaus.  In: Westfälische Nachrichten, Münster 21.01.2000
  • 4 von der Schulenburg J-M. Vorwort.  In: Ökonomie in der Medizin. Schulenburg v d JM (Hrsg). Stuttgart. ; Schattauer 1996

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. G. Singbartl

AIT - ENDO-Klinik

Hamburg

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