Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(8): 492-493
DOI: 10.1055/s-2002-33162
Die Kontroverse
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Antimikrobiell beschichtete
Venenkatheter - ein Muss? Pro

Antimicrobically coated Venous Catheters - a Must? ProP.  Gastmeier
  • Institut für Medizinische Mikrobiologie, Bereich Krankenhaushygiene,
    Medizinische Hochschule Hannover
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Publication Date:
07 August 2002 (online)

Einleitung

Mit Hilfe der Daten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) ist schnell hochzurechnen, dass pro Jahr auf deutschen Intensivstationen nicht weniger als 9000 zentrale Gefäßkatheter (ZVK)-assoziierte Sepsis-Fälle auftreten. Nach den Ergebnissen einer amerikanischen Metaanalyse verlaufen ca. 14 % dieser Infektionen tödlich, und in 19 % von diesen Todesfällen ist der Tod direkt auf die Sepsis zurückzuführen. Somit ist von nicht weniger als ca. 240 Todesfällen in diesem Zusammenhang pro Jahr in Deutschland auszugehen [1]. Dazu kommen erhebliche Kosten durch die Verlängerung der Verweildauer und zusätzliche therapeutische Maßnahmen. Deshalb haben Forschergruppen auf der ganzen Welt seit Jahren versucht, durch verschiedene antimikrobielle Beschichtungen das Eindringen und Vermehren von Mikroorganismen zu verhindern. Vor allem zwei Strategien sind dabei angewendet worden: Die Beschichtung mit Antiseptika und mit Antibiotika.

Für die Antibiotika-Beschichtung wurden zunächst Cefazolin, Teicoplanin und Vancomycin untersucht, die umfangreichsten Ergebnisse aus klinischen Studien liegen inzwischen für die Kombination Minocyclin/Rifampicin vor. Da die Studienergebnisse eine signifikante Reduktion der Katheter-assoziierten Sepsisraten bei Anwendung dieser Katheter gezeigt haben, werden diese an der Innen- und Außenseite mit dieser Antibiotika-Kombination beschichteten Katheter inzwischen in großen Stückzahlen in den USA verkauft [2]. Viele Experten sind aber sehr zögerlich, sie allgemein zu empfehlen, weil nicht absehbar ist, wie ein umfangreicher prophylaktischer Gebrauch sich längerfristig auf die Resistenzsituation auswirken könnte.

Die Alternative sind die antiseptisch beschichteten Katheter. Neben den bisher weniger untersuchten Anwendungen von Silber- und Benzalkoniumchlorid spielt hier vor allem der in der Vergangenheit nur auf der Außenseite mit Chlorhexidinsilbersulfadiazin beschichtete Katheter eine große Rolle. Mindestens 10 randomisierte kontrollierte Studien mit dem Endpunkt Katheter-assoziierte Sepsis sind zur Untersuchung des Vorteils dieser Katheter bisher publiziert worden, darüber hinaus wurden einige Abstracts dazu eingereicht sowie Studien mit dem Endpunkt der Katheter-Kolonisation veröffentlicht. Die meisten Untersuchungen haben nicht genug Patienten eingeschlossen, um einen signifikanten Effekt dieser Katheter nachweisen zu können. Doch wie fast immer in solchen Fällen wurde inzwischen auch mehrfach versucht, mit Hilfe von systematischen Reviews bzw. Metaanalysen die Studienlage zusammengefasst auszuwerten. Die bekannteste Metaanalyse zu diesem Thema ist die bereits 1999 durch Veenstra et al. publizierte [3]. Sie schließt 11 Studien mit einer durchschnittlichen Liegedauer der Patienten von 5 - 11 Tagen ein und ermittelte eine signifikante Reduktion der Menge der Katheter-assoziierten Sepsis-Fälle: Bei einem Odds ratio von 0,56 (Cl 95 0,37 - 0,84) ist von 44 % weniger Infektionsfällen auszugehen. Auf diese Untersuchung aufbauend haben dieselben Autoren dazu eine Kosten-Nutzen-Analyse nachgeschoben und konnten zeigen, dass die Chlorhexidinsilbersulfadiazin beschichteten Katheter auf jeden Fall auch von dieser Seite her zu empfehlen sind.

Als Einwand gegen die Anwendung dieser Katheter werden manchmal die inzwischen berichteten Einzelfälle von möglicherweise allergischen Reaktionen gegen diesen Katheter aus Japan und Großbritannien angeführt. Es ist sicher abzuwägen, in welchem Maße der Vorteil von vermiedenen Todesfällen durch Katheter-assoziierten Sepsis den Nachteil möglicher seltener allergischer Reaktionen überwiegt.

Auch die Qualität der vorliegenden Studien wird natürlich sehr kritisch hinterfragt. Hier ist vor allem die Kritik an der Definition der Katheter-assoziierten Sepsis zu nennen, die in einigen dieser Studien angewendet wurde. Es wird postuliert, dass durch die antiseptische Beschichtung der Nachweis von Erregern auf der Oberfläche der Katheterspitze, der neben dem Nachweis des identischen Erregers in der Blutkultur Voraussetzung für die Diagnose einer Katheter-assoziierten Blutstrominfektion in den Studien ist, deutlich eingeschränkt ist. Dieses Argument trifft aber durchaus nicht für alle entsprechenden Studien zu.

Im Jahre 1998 haben Randolph et al. eine Übersicht über die vorhandenen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) zum Thema Prävention der Katheter-assoziierten Sepsis erstellt [4]. Sie fanden insgesamt 102 RCTs. Die meisten dieser Studien untersuchten das Thema Verbandswechsel an der Kathetereintrittsstelle, weitere vor allem die Hautantiseptik und Katheterwechsel-Strategien.

Inzwischen gibt es mindestens 4 RCTs mit dem Endpunkt Katheter-assoziierte Sepsis zu den Antibiotika-imprägnierten Kathetern und mindestens 16 zu den Antiseptika-beschichteten. D. h. kaum eine Fragestellung auf dem Gebiet der Prävention der Katheter-assoziierten Sepsis wurde in der Vergangenheit so intensiv untersucht wie die Anwendung von imprägnierten Kathetern. Auch wenn nur wenige Studien für sich einen signifikanten Effekt nachweisen konnten, so zeigen doch fast alle einen Trend zu geringeren Infektionsraten in der Studiengruppe, und die vorliegenden Metaanalysen belegen durchgehend den Vorteil der Anwendung dieser Katheter.

Deshalb ist es nur konsequent, dass vor kurzem das amerikanische Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee (HICPAC), das im Auftrage der Centers for Disease Control and Prevention einen Entwurf für neue Leitlinien zur Prävention der Katheter-assoziierten Infektionen im Internet veröffentlichte, im Hinblick auf die Anwendung von imprägnierten ZVK folgende Empfehlung gab:

Verwendung von antibiotisch oder antiseptisch imprägnierten Kathetern, wenn

trotz vollständiger Beachtung der Präventionsmaßnahmen noch eine hohe Rate der Katheter-assoziierten Sepsis existiert, wobei hier eine Rate von drei Fällen pro 1000 ZVK Tage angegeben wird (Kategorie II) die Patienten als Hochrisikopatienten für eine Katheter-assoziierte Sepsis angesehen werden (totale parenterale Ernährung, Neutropenie oder intensivmedizinische Behandlung und erwartet wird, dass der Katheter mehr als 4 Tage Liegedauer hat (Kategorie II)

Keine Empfehlung wird ausgesprochen,

wenn bei anderen Patienten erwartet wird, dass der Katheter mehr als 4 Tage liegt (ungeklärte Frage) und zur Anwendung bei Kindern (ungeklärte Frage).

Bis vor kurzem hatten nur wenige Intensivstationen in Deutschland einen Überblick über ihre Katheter-assoziierte Sepsisrate. Inzwischen wenden immer mehr Intensivstationen die Surveillance-Methode des KISS an, so dass sie ihre Infektionsraten kennen. Nach den KISS-Referenzdaten haben ca. 20 % der Intensivstationen ZVK-assoziierte Sepsisraten, die über dem in der Empfehlung genannten Schwellenwert liegen, bei den medizinischen und pädiatrischen Intensivstationen ist dieser Anteil noch deutlich höher. Aber in der Literatur gibt es nur wenige Beispiele dafür, dass Intensivstationen es durch vollständige Beachtung der Präventionsmaßnahmen geschafft haben, eine hohe Katheter-assoziierte Infektionsrate signifikant zu reduzieren. Meistens lagen in diesen Fällen auch besonders hohe Ausgangsraten vor, so dass es fraglich ist, ob das Ergebnis dieser Bemühungen auch auf Intensivstationen mit mittleren Infektionsraten übertragbar ist [5].

Nach den Daten des KISS ist darüber hinaus bekannt, dass 42 % der Intensivstationen durchschnittliche Aufenthaltsdauern von mehr als 4 Tagen haben. Somit besteht auch entsprechend dieser Empfehlung eine Indikation für die Anwendung der imprägnierten Katheter bei einem großen Anteil der Patienten.

Deshalb gibt es inzwischen gute Gründe, die Anwendung von imprägnierten Kathetern für viele der eigenen Patienten in Erwägung zu ziehen. Wenn die antiseptisch imprägnierten Katheter demnächst nicht nur an der Außen- sondern auch auf der Innenseite beschichtet sind, dürfte der Effekt noch stärker zum Tragen kommen.

Literatur

  • 1 Byers K, Adal K, Anglim A, Farr B. Case fatality rate for catheter-related bloodstream infections (CRBSI).  Infect Control Hosp Epidemiol. 1995;  16 P 23
  • 2 Darouiche R O, Raad I I, Heart S O, Thornby J I, Wenker O C, Gabrielli A, Berg J, Khardori N, Hanna H, Hachem R, Harris R L, Mayhall G. The Catheter Study Group: A comparison of two antimicrobial-impregnated central venous catheters.  N Engl J Med. 1999;  340 1-8
  • 3 Veenstra D, Saint S, Saha S, Lumley T, Sullivan S. Efficacy of antiseptic-impregnated central venous catheters in preventing catheter-related bloodstream infection.  J Am Med Ass. 1999;  281 261-267
  • 4 Randolph A. An evicence-based approach to central venous catheter management to prevent catheter-related infection in critically ill patients.  Crit Care Clin. 1998;  26 773-781
  • 5 Eggimann P, Harbarth S, Constantin M-N, Touvenau S, Chevrolet J-C, Pittet D. Impact of a prevention strategy targeted at vascular-access care on incidence of infections acquired in intensive care.  Lancet. 2000;  355 1864-1868

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Petra Gastmeier

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Bereich Krankenhaushygiene, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

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