intensiv 2002; 10(4): 149
DOI: 10.1055/s-2002-32514
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Professionalität und der Umgang mit Fachterminologie

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Publication Date:
27 June 2002 (online)

Professionalität ist seit einigen Jahren bei den Pflegenden in aller Munde. Einerseits geht es um die Ablösung der ritualisierten Pflege, die auf überkommene, aber nicht wissenschaftlich fundierte Methoden zurückgreift, durch „evidence-based practice”, also eine Pflege, die sich nach gründlicher Prüfung an den jeweils aktuellen Erkenntnissen der Forschung (sowohl der Pflegeforschung als auch der medizinischen und der sozialwissenschaftlichen Forschung) orientiert, um auf dieser Grundlage für die Patienten die jeweils besten Pflegeergebnisse zu erzielen. Zahlreiche Veröffentlichungen in den jeweiligen Fachzeitschriften zeugen davon, dass sich auch Pflegende verstärkt in der Forschung und der Übertragung ihrer Ergebnisse in die Praxis engagieren.

Professionalität und Professionalisierung stehen andererseits auch im Zusammenhang mit einem veränderten Selbstbewusstsein der Pflegenden und ihrer Stellung im therapeutischen Team. Hier geht es um eine neue Sozialisierung im Sinne von Emanzipation und Selbstbestimmtheit auch und gerade in der Beziehung zum ärztlichen Dienst. Pflegende wollen als eigenständige Berufsgruppe wahrgenommen werden, die einen entscheidenden Beitrag zur optimalen Patientenversorgung leistet. Hier wird fachbezogen argumentiert und auf das ganz eigene spezifische Pflegewissen (knowledge base) hingewiesen. Im Zuge dieser Bestrebungen hat sich eine eigene Pflegefachsprache herausgebildet. Durch eine solide Kenntnis der Fachterminologie, deren Grundlage in der Krankenpflegeschule geschaffen wird und die sich idealerweise durch lebenslanges Lernen erweitert, ist zudem eine effektive und präzise Kommunikation mit allen Mitarbeitern im therapeutischen Team gewährleistet.

Die einschlägigen Fachbücher aus den Bereichen Pflege und Medizin richten sich an dieser universellen Terminologie aus und auf dieser Grundlage ist auch das Lesen und Verstehen z. B. englischsprachiger Fachliteratur möglich. Eine Betrachtung der jeweiligen Fachzeitschriften jedoch offenbart eine Diskrepanz. Während in den medizinischen und den englischsprachigen Fachzeitschriften durchgängig die jeweilige Fachterminologie verwendet wird, findet sich in den deutschsprachigen Pflegefachzeitschriften in diesem Bereich eine Aufspaltung der Terminologie. Zwar berichten Autoren über Pneumonien, SIRS (systemic inflammatory response syndrome), Zytostatikatherapie und Dekubitusprophylaxe, führen dann aber oftmals noch im gleichen Satz Begriffe wie Lasix, Baypen oder Dormicum ein.

Wenn Pflegende es mit der Professionalisierung und Emanzipation ihres Berufsstandes ernst meinen, ist die konsequente Verwendung der Fachterminologie ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Schon lange heißt es nicht mehr: „Ich füttere jetzt Opa Müller”, sondern „Ich reiche jetzt Herrn Müller sein Essen”. Gleichfalls sollte nicht mehr von Lasix, sondern von Furosemid, nicht mehr von Baypen, sondern von Mezlocillin, nicht von Dormicum, sondern von Midazolam gesprochen werden. Jeder, der mit Medikamenten umgeht, und dazu gehören auch Pflegende, ist dafür verantwortlich, die jeweiligen Wirkstoffe, deren Normaldosierung und die eventuell zu erwartenden Nebenwirkungen zu kennen. So können Fehler bei der Medikation vermieden werden und Patienten vor den entsprechenden Konsequenzen geschützt werden. Pflegende dürfen sich im Interesse ihrer Patienten nicht hinter der Verordnungsverantwortung der Ärzte verstecken.

Vor diesem Hintergrund ist zu fordern, dass bereits in den Krankenpflegeschulen und besonders auch in den Pflegefachzeitschriften konsequent die korrekte Pharmakoterminologie verwendet wird. Im Hinblick darauf wäre es sicherlich auch sinnvoll, die Verordnungspraxis der Ärzte einer gründlichen Revision zu unterziehen. Ob in der jeweiligen Situation jedoch Tegretal oder Carbamazepin verordnet wird, Pflegende mit dem Anspruch auf Professionalität werden in jedem Fall wissen, wovon die Rede ist.

Karin Jandt

RN, BNcand., B101

Charlottenstraße 23

07749 Jena

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