Zentralbl Chir 2001; 126(10): 751-752
DOI: 10.1055/s-2001-18268
Editorial

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Chirurgie in Osteuropa

Surgery in Eastern EuropeJ. M. Müller
  • Chirurgische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Charité Berlin
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Publication Date:
06 November 2001 (online)

Auch mehr als 10 Jahre nach der Öffnung des eisernen Vorhangs sind für die überwiegende Mehrzahl der deutschen Chirurgen die experimentellen und klinischen Leistungen der Kollegen aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks ein weißer Fleck auf der Landkarte geblieben. Die Bemühungen, dies zu ändern, blieben bisher auf Einzelinitiativen beschränkt. Von den nationalen und internationalen Fachgesellschaften hat allein die noch junge European Society of Surgery die Integration und Förderung der Chirurgen aus Mittel- und Osteuropa in ihrer Satzung festgeschrieben.

Die Entwicklung der Chirurgie in den Ländern des „Westens” wurde in den letzten Jahren zweifelsohne wesentlich durch technische Innovationen (Videoendoskopie, Laser usw.) sowie aufwendige und auch kostenintensive Diagnostik (CT, MRT, PET) oder zusätzliche Therapiemaßnahmen (multimodale Therapie) bestimmt. Auf diesen Gebieten kann der Großteil der Kollegen aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks auf Grund fehlender finanzieller Ressourcen nicht mithalten. Dies gilt insbesondere für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Jeder, der einmal Kliniken in Alma Ata, Kiew oder Riga besucht hat, wird dies bestätigen. Um so beeindruckender sind die persönliche Leistung und der Erfindungsgeist der dort tätigen Kollegen sowie deren immense persönliche Erfahrung mit einzelnen Krankheitsbildern, insbesondere Karzinomen. Die von uns angestrebte Schwerpunktbildung ist in diesen Ländern durch die zentralistische Ausrichtung des Gesundheitswesens seit Jahrzehnten realisiert.

Dank der Initiative von Herrn Kollegen Grundmann war es möglich, in diesem Heft einen ersten Blick über die aus eigener Erfahrung immer noch als hoch zu bezeichnende „Mauer” zu werfen. Die Auswahl der Publikationen ist jedoch keineswegs repräsentativ, sondern gibt die Ergebnisse von Chirurgen und Kliniken wieder, die im eigenen Land und zum Teil international hohes Ansehen auf ihrem Spezialgebiet genießen. Die Arbeit von Popiela zum Magenkarzinom zeigt dies eindrucksvoll. In Krakau verlief nicht zuletzt durch eine enge Verbindung zu deutschen und amerikanischen Kliniken die Entwicklung der Magenkarzinomchirurgie nicht nur nahezu parallel zu der in westlichen Staaten, sondern muß darüber hinaus durch die ständige Überprüfung zusätzlicher onkologischer Maßnahen in randomisierten Studien als beispielhaft angesehen werden.

Wie Depolo zeigt, ist im kriegsgeschüttelten Kroatien die operative Versorgung von Magenblutungen der Standard, da endoskopische und medikamentöse Therapieverfahren nur begrenzt verfügbar sind. Wir, die wir unser Vorgehen bei der inzwischen zur Rarität gewordenen chirurgischen Versorgung von Magenblutungen aus der Historie oder persönlichen Kasuistiken ableiten, können von diesen Erfahrungen lernen.

Das Krankengut und die Ergebnisse der Arbeiten zum Ösophagus- und Kardiakarzinom von Vörös (Budapest), zur Exenteration des kleinen Beckens wegen fortgeschrittener Karzinome von Antos (Prag) sowie zur Blutreinigung bei schwerster Pankreatitis von Pupelis (Riga) könnten ebenso aus deutschen Universitätskliniken stammen und zeigen den hohen Standard einzelner Institutionen auf.

Unbefriedigt von den Ergebnissen der Leistenhernienchirurgie nach Bassini und Kirschner, die jedoch einer anderen Autorenschaft zugeordnet werden, und mangels der finanziellen Möglichkeiten, ein Netz zu implantieren, beschreibt Artschvadze (Tiflis) eine modifizierte Technik der Hernienreparation. Das Verfahren ist interessant, jedoch ist das Krankengut noch klein und die Nachbeobachtungszeit zu kurz, um hierzu sinnvoll Stellung nehmen zu können.

Es ist das gemeinsame Anliegen der Schriftleitung des Zentralblatts für Chirurgie, des Präsidiums der European Society of Surgery und der hier aufgeführten Autoren, das Zusammenwachsen zwischen Ost und West weiter zu fördern. Dieses Heft soll nicht nur deutsche Chirurgen zur Kontaktaufnahme mit ihren Kollegen in Mittel- und Osteuropa stimulieren, sondern zugleich einen ersten Schritt zu einem regelmäßigen Austausch von klinisch wissenschaftlichen Ergebnissen darstellen.

Prof. Dr. J. M. Müller

Chirurgische Klinik und Poliklinik

Universitätsklinikum Charité

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