intensiv 2001; 9(4): 151-158
DOI: 10.1055/s-2001-15732
3. Intensiv-Pflegepreis
3. Intensi-Pflegepreis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pflegefachsprache

Eine Analyse der EntwicklungHolger Beuse
  • Universitätsklinikum Münster
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die sprachlichen Anforderungen an Krankenpflegepersonal sind in den vergangenen Jahren sicherlich gestiegen, wenn man bedenkt, dass die Clemensschwestern 1808 von ihren Bewerberinnen lediglich erwarteten, ärztliche Handschriften entziffern und selber leserlich schreiben zu können [1].

Zusammenfassung

Die Pflege verfügt durchaus über eine eigene Fachsprache. Sie fußt zu einem großen Teil auf der medizinischen Fachlexik, hat sich aber auch Termini anderer Wissenschaften zu Eigen gemacht. Der Tradition eines zunächst praktischen Berufs zufolge sind pflegespezifische Ausdrücke zumeist der Allgemeinsprache entnommen. Modernere Begriffe sind oft Zusammensetzungen mit dem Wort „Pflege”.

Ein Manko der Pflegefachsprache ist die häufig fehlende eindeutige und einheitliche Definition von Fachtermini.

Die fachliche Umgangssprache, der Fachjargon, beherrscht den Alltag der Pflegenden auf den Stationen. Der Fachjargon wirkt auf Außenstehende, auch auf Ärzte, leider oft nicht sehr professionell. Dies liegt zum einen am hohen Anteil allgemeinsprachlicher Ausdrücke und verkürzter Floskeln. Andererseits lässt der Gebrauch der Fachsprache durch Pflegende auch häufig zu wünschen übrig.

Ursächlich ist hier vor allem die sprachliche Ausbildung. Selbst Pflegenden mit der Muttersprache Deutsch fällt es oft nicht leicht, ihre durchaus gute Arbeit adäquat zu verbalisieren. Die Autoren, die sich mit Pflegefachsprache befasst haben, sind sich mit dem Gros der Pflegepädagogen einig, dass die Pflegeausbildung hier zu verbessern ist. Der derzeitige fächerintegrative Ansatz zum Erwerb von fachsprachlicher Kompetenz - sofern dies ein bewusster Ansatz ist - reicht de facto nicht aus. Doch der Rahmen der gesetzlichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen lässt den Krankenpflegeschulen und Weiterbildungsstätten nur begrenzten Raum, Fachsprache zu vermitteln.

Da sich die Krankenpflege-Lehrbücher an den gesetzlichen Vorgaben orientieren, bleiben sie ebenfalls zum Thema sehr vage. Spezielle Literatur muss vom Einzelnen gesucht und bearbeitet werden.

So genannte sprachhygienische Forderungen, überkommene Begriffe und Unworte zu verlassen, sind ein Anfang und haben den Pflegealltag vielfach schon erreicht.

Doch eine weitergehende Korrektur des derzeitigen Umgangs mit der Pflegefachsprache ist auch aus berufspolitischen Überlegungen unabdingbar. Ansonsten wird alles Streben nach Professionalisierung von Außenstehenden nur als Steckenpferd mit ihrem Status hadernder Schwestern und Pfleger missverstanden werden. Der eingeforderten Selbstbestimmung ist die Pflege nur gewachsen, wenn sich nicht nur eine theoretisch-wissenschaftlich arbeitende Minderheit der Berufsangehörigen fundiert nach innen und außen darzustellen weiß.

Pflegeklassifikationssysteme wie das der NANDA und andere sind ein geeigneter Ansatz, eine definierte Nomenklatur zu schaffen. Diese muss auch für die elektronische Datenverarbeitung erfassbar sein. Die Pflegewissenschaft kann nur auf der Basis einheitlicher und vergleichbarer Daten erfolgreich arbeiten. Nicht nur Forschungen zu pflegerischen Maßnahmen und zur Qualitätssicherung können so effektiver betrieben werden. Auch können so gesundheitsbezogene Daten in politische Entscheidungen eingebracht werden, die sich nicht ausschließlich an medizinischen Kriterien orientieren.

Diese Anstrengungen muss die Pflege aus eigenem Antrieb und eigener Kraft vollbringen. Dabei muss nicht nur mit Gleichgültigkeit oder Widerstand seitens der Ärzteschaft und Administration gerechnet werden. Innerhalb der Berufsgruppe müssen Vorbehalte vor veränderten Anforderungen abgebaut und ein möglichst breiter Konsens geschaffen werden.

Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Man bedenke nur, wie viele Jahrzehnte es brauchte, bis das Instrument des Pflegeprozesses von der pflegetheoretischen Idee zur täglichen, selbstverständlichen Praxis wurde.

Literatur

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  • 23 Kunz W. Gesetzessammlung für die Krankenpflegeausbildung. Hagen; Brigitte Kunz Verlag 1991 4. Auflage
  • 24 Oelke U. Planen, Lehren und Lernen in der Krankenpflegeausbildung. Ein offenes, fächerintegratives Curriculum für die theoretische Ausbildung Basel/Baunatal; Recom-Verlag 1991
  • 25 Walther S, Weinhold C. Pflegedidaktik: Die Übergabe - ein Fachgespräch unter Pflegenden. Stuttgart; Thieme 1997
  • 26 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen. 49. Jahrgang, Nummer 33, ausgegeben zu Düsseldorf am 28. April 1995. 
  • 27 Pflege heute, Lehrbuch und Atlas für die Pflegeberufe. Schäffler A Stuttgart; Gustav Fischer 1997
  • 28 Thiemes Pflege, entdecken - erleben - verstehen - professionell handeln. Kellnhauser E et al Stuttgart/New York; Thieme 2000 9., völlig neu bearb. Auflage
  • 29 Juchli L. Pflege. Praxis und Theorie der Gesundheits- und Krankenpflege. Stuttgart; Thieme 1997 8. Auflage
  • 30 Arets J, Obex F, Vaessen J, Wagner F. Professionelle Pflege. Theoretische und praktische Grundlagen Bocholt; Eicanos Verlag 1996 Band 1
  • 31 Pflegehandbuch Herdecke. Sitzmann F Berlin/Heidelberg; Springer 1998 3. Auflage
  • 32 Larsen R. Anästhesie und Intensivmedizin für Schwestern und Pfleger. Berlin/Heidelberg; Springer 1999 5. Auflage
  • 33 Handbuch der Intensivpflege. Neander, Meyer, Friesacher Pflegerische Praxis und medizinische Grundlagen; Ein Lehr- und Arbeitsbuch für Mitarbeiter auf Intensivstationen Landsberg a. Lech; Ecomed Verlagsgesellschaft Grundwerk 1993
  • 34 Latasch L, Ruck K, Seiz W. Anästhesie Intensivmedizin Intensivpflege. München/Stuttgart; Urban & Fischer 1999 3. Auflage
  • 35 Sitzmann F. Mit wachen Sinnen auf Sprachhygiene achten - Elemente einer Sprachkultur in Pflege, Medizin und Gesellschaft. Zegelin A Sprache und Pflege Berlin/Wiesbaden; Ullstein Mosby 1997
  • 36 taz, die tageszeitung,. Berlin; 15.4.1999
  • 37 Clark J, Lang N. Nursing’s next advance: An international classification for nursing practice. International nursing review, 39 4: 109-112, zitiert nach Georg J. Klassifikationssysteme in der Pflege. Zegelin A Sprache und Pflege Berlin/Wiesbaden; Ullstein Mosby 1997
  • 38 Georg J. Klassifikationssysteme in der Pflege. Zegelin A Sprache und Pflege Berlin/Wiesbaden; Ullstein Mosby 1997

1 Interessanterweise zeigt die Analyse von Karrieremustern, dass leitende Funktionen auch im Pflegebereich häufig von Männern besetzt sind. Können

1 Männer sich hier besser durchsetzen oder lehnen Frauen Leitungspositionen gar aufgrund von Kommunikationsproblemen vermehrt ab [22]?

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Holger Beuse

Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie
Universitätsklinikum Münster

Weseler Straße 281

48151 Münster

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