intensiv 2001; 9(4): 142-150
DOI: 10.1055/s-2001-15727
1. Platz - intensiv-Pflegepreis 2001
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Lärm auf Intensivstationen und dessen Auswirkungen auf Patienten und Personal

Teil IIDaniel Schrader1 , Nicole Schrader2
  • Neurochirurgische Intensivstation, Universitätsklinik Düsseldorf
  • , Chirurgische Intensivstation, Universitätsklinik Düsseldorf
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Maßnahmen und Vorschläge zur Lärmreduzierung

Lärm auf Intensivstationen resultiert in erster Linie aus geräuschproduzierendem Verhalten des Personals und Lärmemissionen, die von medizinischen Geräten ausgehen, als kontinuierliches Arbeitsgeräusch oder in Form von akustischen Signalen. Zum Teil wird die Geräuschkulisse der Intensivstation durch ihre bauliche Struktur verstärkt, sei es durch die Verwendung von stark schallreflektierenden Materialien oder die schlechte Isolation der Station zur Außenwelt, so dass Straßen- oder Baulärm in das Innere der Station eindringen kann. Analog zur Ursache des Lärms müssen Maßnahmen zur Lärmreduzierung auf der Ebene der Mitarbeiter, am Gerätepark sowie an der baulichen Struktur der Intensivstation ansetzen.

Reduzierung des personalbedingten Lärms

Das Personal von Intensivstationen ist der Hauptverantwortliche für hohe Lärmpegel; über die Hälfte der Geräuschbelastung geht von den Mitarbeitern aus, obwohl entsprechende Maßnahmen zu einer bedeutenden Lärmreduzierung führen könnten, da personalbedingter Lärm die am besten beeinflussbare Lärmursache ist. Vielen Mitarbeitern ist ihre Rolle als Lärmverursacher vermutlich gar nicht bewusst, daher ist die Aufklärung und Information über die Problematik ein wichtiger Schritt in Richtung Lärmreduzierung. Es muss bei allen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Lärmproblematik auf Intensivstationen geschaffen werden, und zwar in allen Berufsgruppen, vom Reinigungspersonal bis zu den leitenden ärztlichen Mitarbeitern. Ist einem Mitarbeiter nämlich die Lautstärke typischer Tätigkeiten bewusst, besteht eine Chance, dass er sich bemüht, sich eine leisere Arbeitsweise anzueignen. Um ein solches Bewusstsein zu schaffen, sind breit angelegte Aufklärungsmaßnahmen notwendig. Die Lärmproblematik auf Intensivstationen muss Diskussionsgegenstand auf Kongressen und Symposien werden, des Weiteren muss dieses Thema in der Fachpresse behandelt werden. Um dem einzelnen Mitarbeiter das Ausmaß der Lärmbelastung aufzuzeigen, sind auf jeder Intensivstation Geräuschpegelmessungen notwendig. Anhand des dadurch ermittelten Ausgangswertes können Notwendigkeit und Möglichkeiten der Lärmreduzierung geplant werden. Diese Messungen sollten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen zu können.

Lärm hat großen Einfluss auf die Schlafqualität, die Folgen der Schlafstörungen sind ausführlich besprochen worden. Diese Auswirkungen sollten jedem Mitarbeiter von Intensivpflegebereichen bewusst sein, der Schlaf der Patienten muss als wichtiger Bestandteil der Intensivbehandlung akzeptiert werden, dann wird auch deutlich, warum Lärmreduzierung besonders während der Nachtstunden unbedingt erforderlich ist. Während der Nacht sollten lärmende Tätigkeiten wie das Auspacken und Auffüllen von Materialien, Müllentsorgung und Wartungsarbeiten an Geräten vermieden werden. Türen zu Patientenzimmern sollten geschlossen werden, wenn es der Zustand des Patienten erlaubt. Auch tagsüber sollten den Patienten längere Ruhephasen ermöglicht werden, hierbei ist die zeitliche Koordination von Pflegemaßnahmen, medizinischer Behandlung, Physiotherapie, diagnostischen Maßnahmen etc. zu beachten.

Viele einfach durchführbare Maßnahmen können zu einer deutlich spürbaren Abnahme der Geräuschbelastung führen. Laute Konversation führt zu hohen Spitzenpegeln und wird aufgrund des hohen Informationsgehaltes als besonders lästig und störend empfunden. Daher sollten keine Diskussionen am Patientenbett stattfinden, insbesondere dann nicht, wenn der Patient sich nicht beteiligen kann. Länger andauernde Besprechungen oder Unterrichte können stattdessen in Aufenthalts- oder Konferenzräumen abgehalten werden. Insgesamt sollte die Anzahl der im Patientenzimmer anwesenden Personen auf das Nötigste beschränkt werden. Lautes Rufen über den Stationsflur sollte unbedingt vermieden werden, das Tragen von Holzschuhen (häufige Patientenbeschwerde) sollte untersagt werden. In besonders lärmträchtigen Bereichen wie z.B. Versorgungsräumen können Hinweisschilder zu einer leisen Arbeitsweise appellieren.

Die genannten Maßnahmen können zu einer Reduzierung des Geräuschpegels von 2-4 dB führen, was zuerst als nicht besonders viel erscheinen mag, aber einen deutlich spürbaren Effekt bedeutet. Aufgrund der logarithmischen Darstellung der Dezibelskala entsprechen 3 dB einer Lärmreduzierung um die Hälfte.

Reduzierung des gerätebedingten Lärms

Gerätebedingter Lärm entsteht in erster Linie durch Alarme von medizinisch-technischen Geräten. Diese sind häufig unnötig laut, lassen sich zum Teil schwer unterscheiden und vermitteln dem Hörenden häufig nicht die Ursache des Alarmes. Gerätebedingter Lärm besitzt somit zwei verschiedene, störende Komponenten. Zum einen entsteht durch die hohen Spitzenpegel der Alarme eine hohe Geräuschbelastung, insbesondere für die Patienten, da sie sich in unmittelbarer Nähe der Geräte befinden. Zum anderen bedeuten akustische Alarme für das Personal der Station einen bedeutenden Stressfaktor, da es aufgrund der zum Teil geringen Spezifität der Alarme zu Verwirrung und Frustration kommt. Daher sollen im Folgenden Maßnahmen zur Reduzierung der Geräuschbelastung und Wege zur besseren Konfiguration von Alarmen beschrieben werden.

Reduzierung der Geräuschbelastung Grundsätzlich sollte die Monitorüberwachung eines Patienten auf das Nötigste beschränkt werden, ohne ihn einer Gefährdung auszusetzen. Je weniger Geräte in Betrieb sind, um so weniger akustische Alarmsignale sind möglich. Wie bereits erwähnt, sind Spitzenpegel von 65 dB in den meisten Fällen völlig ausreichend, so dass dieser Wert in der Grundeinstellung des Gerätes auch nicht überschritten werden sollte, im Bedarfsfall kann die Alarmlautstärke erhöht werden; viele Geräte besitzen allerdings keine variable Alarmlautstärke. Die meisten Geräte befinden sich in unmittelbarer Nähe des Patienten, was in vielen Fällen aufgrund der begrenzten Länge der Zuleitungen und Kabel auch nicht anders möglich ist, in Einzelfällen können Geräte aber auch weiter vom Patienten entfernt positioniert werden, zumindest sollte darauf geachtet werden, dass das Alarmsignal nicht auf Ohrhöhe des Patienten entsteht, was bei vielen Infusions- und Ernährungspumpen häufig der Fall ist. Patienten sollten auf jeden Fall über Sinn und Notwendigkeit von akustischen Alarmen informiert werden. Alarmgrenzen sollten sinnvoll eingestellt sein, sie sollen der Sicherheit des Patienten dienen, aber auch unnötig häufiges Alarmieren vermeiden. Daher sollten die Alarmgrenzen regelmäßig, am besten bei der Dienstübergabe am Patienten, überprüft und der aktuellen Situation des Patienten angepasst werden. Manche akustischen Alarme könnten durch visuelle Alarme ersetzt werden, die Koppelung von akustischen und visuellen Alarmen erleichtert zumindest die Zuordnung des Signals. Alarme im Patientenzimmer benötigen nur eine geringe Lautstärke, um die Aufmerksamkeit der anwesenden Personen zu erwecken. Zur Alarmierung außerhalb des Zimmers sollte das akustische Signal daher über eine zentrale Einheit verschaltet und gegebenenfalls verstärkt werden. Geräte, die nur intermittierend benötigt werden (z.B. Absaugung oder Sauerstoff), sollten bei Nichtgebrauch abgestellt werden. Telefone können so leise wie möglich eingestellt werden, Pieper sollten nur im Bedarfsfall (Notfälle) angefunkt werden oder, wenn möglich, in den Vibrationsmodus umgeschaltet werden. Grundsätzlich sollte bei der Neuanschaffung von Geräten auch auf die Lärmemission des Gerätes geachtet werden, dieses gilt auch für Geräte wie Reinigungsmaschinen und Warentransportanlagen. Wege zur besseren Unterscheidung von Alarmen Viele Autoren, die sich mit diesem Problem auseinander setzen fordern eine internationale Standardisierung von akustischen Alarmen; die Anzahl der möglichen Alarme muss reduziert werden, bestimmten Geräten müssen unverwechselbare Alarme zugeordnet werden. Wie bereits erwähnt ist der Mensch nur schwer in der Lage, mehr als zehn Alarmsignale zu unterscheiden, so dass in diesem Rahmen die maximale Anzahl der möglichen, akustischen Signale begrenzt werden sollte. So beschreibt z.B. M. Pownall [53] eine akustische Kodierung der Alarme, bezogen auf physiologische und technische Parameter wie Oxygenierung, Atmung, Herz-Kreislaufsystem, künstlicher Kreislauf, Infusionen und Medikamente und Körpertemperatur. Die Alarme sollen zwei Alarmstufen vermitteln, nämlich Warnung und Notfall. Es soll kein kontinuierliches Dauergeräusch auftreten, sondern nach einem kurzen, initial lauten Impuls soll der Alarm leiser werden und erst wieder lauter werden, wenn er ignoriert wird. Tonhöhe, Lautstärke und Geschwindigkeit der Alarmimpulse zeigen die Dringlichkeit der Situation an. A. J. Cropp und Mitarbeiter Literaturangabe ?? fordern ein graduiertes Alarmsystem, das situationsabhängig arbeitet. Die Alarme sollen bedeutungsvoll, aber angenehm klingen und in der Lautstärke variieren. Verschiedene Geräte sollen in eine Anlage integriert werden, der Einsatz von separaten Geräten mit einem eigenen Alarm soll vermieden werden. Bei vielen Geräten wäre eine individuelle Konfigurationsmöglichkeit wünschenswert, d.h., es sollte die Möglichkeit bestehen, aus verschiedenen Alarmmustern zu wählen. Dies wäre zum Beispiel bei Infusions- und Medikamentenpumpen sinnvoll. Je nach Medikament und dessen Bedeutung innerhalb der Therapie könnten besonders wichtigen und wirksamen Stoffen (z.B. Katecholaminen) bedeutungsvollere Alarme zugeordnet werden. Alle Funktionen wie die Alarmkonfiguration oder die Regelung der Alarmlautstärke müssen vom Personal leicht bedienbar sein, da diese Geräte sonst nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten genutzt werden. Des Weiteren sind regelmäßige Einweisungen und Schulungen notwendig, um den sicheren Umgang mit diesen Geräten zu vermitteln.

Bauliche Maßnahmen zur Lärmreduzierung

Neben der Reduzierung des personalbedingten und gerätebedingten Lärms können auch bauliche und planerische Maßnahmen zu einer geringeren Geräuschbelastung auf Intensivstationen beitragen. Besonders bei Neubauten von Krankenhäusern können im Voraus durch eine überlegte Planung die Einflüsse potenzieller Lärmquellen gemildert oder vermieden werden. Wenn möglich, sollte ein Krankenhaus an einem ruhigen Standort ohne Verkehrs- oder Industrielärm gebaut werden. Die Intensivpflegebereiche sollten in den oberen Etagen des Krankenhauses angesiedelt werden, da hier der Einfluss von Straßen- und Baulärm deutlich niedriger ist. Bei der Planung der Intensivstation sollten Personalaufenthalts- und Konferenzräume ausreichend beachtet werden. Die Arbeitsbereiche zur Lagerung, Versorgung und Entsorgung sollten außerhalb der Patientenräume liegen. Die Kommunikationsanlage, die zentrale Monitoranlage und die Stationscomputer sollten an einem Ort zentralisiert werden und mit einer Arbeitskraft besetzt werden. Eine gute Wand- und Deckenisolierung, insbesondere zu den Aufenthalts- und Besprechungsräumen, ist wünschenswert. Niedrige Decken führen zu einer geringeren Schallausbreitung. Wand-, Fußboden und Deckenbeläge sollten aus schlecht schallreflektierenden Materialien bestehen. Keramikfliesen, Edelstahl und Glasflächen sollten, soweit aus hygienischen Gründen möglich, vermieden werden. Große Mehrbettzimmer können durch Lärmschutzwände unterteilt werden.

Neben diesen aufwändigen Maßnahmen, bei vielen älteren Stationen sind diese auch kaum durchführbar, können auch weniger aufwändige Änderungen zu einer geringeren Geräuschbelastung führen, wie z.B. Türstopper an den Patientenzimmertüren.

Gedämpftes Licht führt zu einem insgesamt leiseren Verhalten des Personals.

Literatur

  • 1 Pownall M. Ringing the changes.  Nursing Times. 1987;  Feb 11 18-19

Daniel Schrader

Neurochirugische Intensivstation NI04
Universitätsklinik Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

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