Klin Monbl Augenheilkd 2001; 218(1): 38-43
DOI: 10.1055/s-2001-11259
KLINISCHE STUDIE

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Titmus-Fliege - Beurteilung der subjektiven Sehtiefe mit einem einfachen Fingerzeigeversuch[1] [2]

Klinische Studie an 73 Patienten und ProbandenThe Titmus Fly-Test: Evaluation of subjectiv depth perception simply by finger pointing. A clinical study on 73 patients and volunteersHendrik Hasche1 , Roland Gockeln2 , Wilfried de Decker1
  • 1 Klinik für Orthoptik und Pleoptik, Universitätsklinikum, Hegewischstr. 2, 24105 Kiel (Direktor: Prof. Dr. W. de Decker)
  • 2 Augenklinik der Medizinischen Hochschule, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover (Direktor: Prof. Dr. R. Winter)
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Patienten mit unterschiedlichen Störungen des Binokularsehens wurden auf ihre stereoskopische Leistung untersucht. Zur Beschreibung der stereoskopischen Fähigkeit wurde hier nicht wie üblich die Bestimmung der kleinstmöglichen Querdisparation in Winkelsekunden genutzt, sondern die subjektiv empfundene Sehtiefe in Millimetern bei standardisierter Parallaxenvorgabe quantifiziert. Neben der von uns schon publizierten apparativen Messmethode zur Beurteilung der subjektiven Sehtiefe soll im Folgenden auf vereinfachte Testmöglichkeiten eingegangen werden, die sich besonders am klinischen Alltag orientieren.

Methoden Wir untersuchten 52 Patienten mit Binokularstörungen und 21 normosensorische Probanden in ihren stereoskopischen Leistungen. Als Grundlage für die stereoskopischen Untersuchungen diente uns der stark überschwellige Titmus-Fliegentest. Dabei entsprach die stereoskopische Leistung der subjektiv empfundenen Flügelhöhe der Titmus-Fliege. Die Quantifizierung der subjektiven Sehtiefe erfolgte auf unterschiedliche Weise: Mit dem Zeigefinger des Patienten, einer gehaltenen Kunststoffscheibe und über eine zwischengeschaltete Mechanik. Anschließend wurden die Ergebnisse der unterschiedlichen Messverfahren miteinander verglichen.

Ergebnisse Während bei den verschiedenen Testverfahren zwischen normosensorischen Probanden kein signifikanter Unterschied der subjektiven Sehtiefe nachweisbar war, zeigten sich bei Patienten mit Binokularstörungen deutliche Diskrepanzen. Im Vergleich zur mechanischen Quantifizierung der subjektiven Tiefenempfindung waren die Messwerte bei direktem Patientenzugriff (Finger, Plastikscheibe) während der Testsituation signifikant reduziert. Das Niveau der phänomenalen Sehtiefe hingegen korrelierte unabhängig vom angewandten Verfahren mit der Ausprägung des binokularen Defekts und der Stereoschwelle des Patienten.

Schlussfolgerungen Durch die Beurteilung der subjektiven Sehtiefe mit Hilfe des einfachen Fingerzeigeversuchs erhält der Untersucher eine schnelle Information über die stereoskopischen Fähigkeiten seines Patienten. Dabei tritt deutlich hervor, ob diese normal, subnormal oder anormal basiert sind.

Background Subjects with different binocular defects were tested for their stereoscopic achievement. The determination of the subjects limiting disparity (in seconds of arc) was not used to characterize their stereoscopic acuity, but the subjective depth perception as a simple clinical method.

Methods 52 subjects with different binocular defects and 21 normosensoric volunteers were examined for their stereoscopic achievement. In our stereoscopic measurement we ask the subjects to indicate the subjective plane of the fly's wings manually by their own finger, or by a hand-held plastic card, or with the aid of a mechanic instrument. The results of the different methods were compared with each other.

Results There were no differences between the results within the group of normosensoric subjects. The patients with reduced abilities exhibit significantly different results in depth perception when measured manually or by machinery. The subjective depth localization correlates well with the binocular defect and is independent of the used stereoscopic method.

Conclusions The basic finger test of the subjective level of the Fly's wings gives a quite reasonable approximation of local stereoscopic depth perception. In terms of practical investigation the finger test shows in convincing manner whether the individual sterescopic ability is based on normal, subnormal or anomalous binocular interaction.

1 Manuskript erstmalig eingereicht am 7. 6. 00 und in der vorliegenden Form angenommen am 7. 10. 00.

2 Herrn Prof. Dr. Guntram Kommerell zum 65. Geburtstag gewidmet.

Literatur

1 Manuskript erstmalig eingereicht am 7. 6. 00 und in der vorliegenden Form angenommen am 7. 10. 00.

2 Herrn Prof. Dr. Guntram Kommerell zum 65. Geburtstag gewidmet.

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