Viszeralchirurgie 2000; 35(1): 43
DOI: 10.1055/s-2000-11239
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ernährung bei Morbus Crohn

K. W. Jauch
  • Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Universität Regensburg
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Ernährungsfaktoren spielen bei mehr als der Hälfte unserer Patienten einen Pathogenitätsfaktor dar und eine ausgewogene Ernährung mit Vermeidung von Unter-, Fehl- oder Überernährung würde die kosteneffektivste Maßnahme in unserem Gesundheitssystem darstellen. Dieser präventive Ansatz ist im Bereich der Chirurgie weniger Gegenstand der alltäglichen Tätigkeit als vielmehr die Ernährung in der akuten oder chronischen Krankheitssituation.

Die künstliche Ernährungstherapie stellt bei vielen Erkrankungssituationen einen Basisbestandteil unserer Therapie dar. Dabei gilt es heute nicht mehr nur ein Kaloriendefizit und die daraus folgende Malnutrition mit ihren nachteiligen Folgen zu verhindern, sondern es stehen uns heute Substrate zur Verfügung, mit denen wir gezielt auf bestimmte Organe wie die Darmschleimhaut, oder auf spezielle Pathomechanismen wie die Inflammation und Zytokinantwort Einfluß nehmen können.

So oder ähnlich könnte man die Situation von der wissenschaftlichen Seite her betrachten. Aus klinisch praktischer Sicht stellt sich die Situation anders dar. Während in den meisten westlichen Ländern ausgebildete Ernährungsteams sich um Patienten, welche eine künstliche Ernährung benötigen, kümmern, obliegt diese Aufgabe bei uns allen einzelnen Fachgebieten in Eigenregie.

Im vorliegenden Schwerpunktheft zum Mb. Crohn finden sich vier Arbeiten, die sich mit den speziellen Aspekten der Ernährung bei entzündlichen Darmkrankheiten beschäftigen. Die Arbeiten entstammen aus Vorträgen eines Symposiums der DGEM (Deutsche Gesellschaft Ernährungsmedizin) zum Thema Ernährung und entzündliche Darmerkankungen. Diese allgemeinen Grundlagen sind Bestandteil unseres chirurgischen Wissens und Handelns, zumindest sollten sie es sein. Wenn wir die heute in der Medizin oft zuerst genannte Zielvorgabe Lebensqualität berücksichtigen, stellen Wohlbefinden, Rekonvaleszenz und Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit neben Komplikationsverhinderung als Korrelate zum Ernährungsstatus im Brennpunkt der Beurteilung auch aus chirurgischer Sicht. Dies unterstreicht die Bedeutung der Ernährung, obwohl nicht jedem der direkte Zusammenhang augenscheinlich ist und die Studienlage hierzu klare Daten meist vermissen läßt.

Stange gibt einen Überblick über die oft zu findende Ausgangssituation mit Mangelernährung und bestehenden oder drohenden Defiziten. Diese gilt es, wie in den Beiträgen von Bischoff und Buhr dargestellt, präoperativ auszugleichen bzw. zu vermeiden. Die Zeiten, als noch eine hochkalorische parenterale Ernährung bei enterokutanen Fisteln als Therapie der Wahl zum Fistelverschluß oder vor Operation gefordert wurde, sind vorbei. Eine situationsgerechte Substratzufuhr sollte jedoch Mangelzustände von Vitaminen, Spurenelementen oder Eiweißmangelzustände präoperativ beheben, um die postoperative Rekonvaleszenz zu beschleunigen bzw. die Morbidität zu senken. Die Wunschvorstellung, durch Zufuhr von antiinflammatorisch wirksamen Omega-3-Fettsäuren den Entzündungsprozess zu beherrschen, hat sich bis heute noch nicht durch ausreichende Studiendaten belegen lassen. Auch die Zufuhr von Substraten wie Glutamin und Nukleotide, welche den Abbau der Darmmukosa und die Translokationsmechanismen hemmen, kann noch nicht als Standard eingestuft werden. Hierzu sind gerade bei den chronisch entzündlichen Darmerkankungen weitere Studien erforderlich. Sicherlich kann jedoch auch bei Vorliegen einer Darmentzündung durch luminale Reize, enterale Ernährung und ev. Probiotische Substanzen bis hin zu apathogenen Keimen das Krankheitsgeschehen günstig beeinflusst werden. Es bleibt abzuwarten, ob in einigen Jahren durch die Möglichkeit der gentechnischen Ernährung im Sinne von Neutraceutics manche derzeitigen Standardmedikamente z. B. in der postoperativen Rezidivprophylaxe abgelöst werden.

Am Beispiel des Mb. Crohn kann die Relevanz der Ernährungsmedizin für operative Patienten augenscheinlich gemacht werden. Sie trifft jedoch nahezu alle Patienten mit großen Eingriffen oder schwerwiegenden Erkrankungen. Die Daten aus der Arbeitsgruppe um S. Mühlebach und F. Fasolini zeigen uns mit wie vergleichsweise wenig Aufwand aber großem Engagement diese interdisziplinäre Herausforderung angegangen und gemeistert werden kann. Diese Herausforderung sollten alle Chirurgen annehmen.

Dr. K.-W. Jauch

Klinik und Poliklinik für ChirurgieUniversität

Franz-Josef-Strauß-Allee 1193054 Regensburg

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