physioscience 2018; 14(01): 1-2
DOI: 10.1055/s-0044-100527
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verwendung der Begriffe Machbarkeits- bzw. Pilotstudien

Slavko Rogan
,
Sven Karstens
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Publication Date:
06 March 2018 (online)

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Prof. Dr. Slavko Rogan, Herausgeber physioscience
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Prof. Dr. Sven Karstens, Herausgeber physioscience

Die Physiotherapie gehört zu den handlungsorientierten Berufsgruppen, die theoretische Kenntnisse mit praktischen Fertigkeiten verknüpfen, um zielgerichtet und begründet zu handeln. In den letzten ein bis zwei Dekaden ist die Anforderung an das Handlungsfeld der Profession Physiotherapie vielschichtiger geworden. Dies steht in Zusammenhang mit den steigenden Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Evidenzbasiertes Handeln nimmt in der Physiotherapie an Bedeutung zu.

Um die Anforderungen umzusetzen zu können, bedarf es wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese werden insbesondere durch randomisierte kontrollierte Studien bzw. zusammenfassende systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen gewonnen. In der Literatur finden sich viele sogenannte Phase-1- oder Phase-2-Machbarkeits- oder Pilotstudien, die bei geringen Stichprobenumfängen Hypothesen auf Effektivität überprüfen. Diese Bezeichnung sollte reflektiert werden.

Machbarkeits- bzw. Pilotstudien kommen zur Anwendung, wenn Prozesse überprüft werden sollen, indem die Durchführbarkeit des Studiendesigns evaluiert wird, oder die Ressourcen werden bewertet, um Zeit- und Budgetprobleme zu erheben, oder das Management wird beurteilt, wobei potenzielle Probleme bei der Personal- und Datenoptimierung analysiert werden, oder die Wissenschaftlichkeit wird bewertet, indem die Interventionssicherheit, Bestimmung der Interventionsdosis sowie eine Abschätzung des Interventionseffekts analysiert und interpretiert werden. Aus diesem Grund sind Phase-1- und Phase-2-Studien für die Profession Physiotherapie interessant durchzuführen. Die Begriffe der Machbarkeits- und Pilotstudie sind in der Literatur als austauschbare Begriffe zu finden.

Physioscience gibt Forschern die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse für praktisch tätige Physiotherapeuten für ein evidenzbasiertes Handeln zugänglich zu machen. Neben quantitativen (wie randomisierte kontrollierte Studien, Fallstudien) werden auch qualitative Studien publiziert. Ein methodischer Ansatz, der sich in der Literatur immer mehr findet, sind Machbarkeits- bzw. Pilotstudien. Das oben dargestellte Vorgehen, eine „kleine Interventionsstudie“ als Pilotstudie zu bezeichnen, entspricht nicht dem Sinne des Erfinders. Dem entgegen postulieren Thabane et al. [4] die „Criteria of Success“ (Kriterien für den Erfolg) zu erheben. Diese Kriterien beinhalten eine Analyse von Lösungsansätzen, die Identifizierung von Risiken und eine Abschätzung der Durchführbarkeit für zukünftige Studien. Eine statistische Hypothesenprüfung erfolgt lediglich sekundär.

Nach Thabane et al. [4] ist es wichtig, die „Kriterien für den Erfolg“ als primären Endpunkt darzustellen. Die Aspekte lassen sich an einem kürzlich in physioscience erschienenem Beitrag nachvollziehen [3]. So sollte anhand einer kleinen Stichprobe (n = 10) die Machbarkeit einer BWS-Mobilisationstechnik in anteriore versus posteriore Schubrichtung auf das sympathische Nervensystem untersucht werden. Hierfür wurden die Kriterien für den Erfolg als Darstellung der Durchführbarkeit hinsichtlich Rekrutierungsprozess, Adhärenz sowie die Sicherheit des Untersuchungsverfahrens Herzratenvariabilität, Herzfrequenz, Hautrötung und Hautdurchblutung als auch der Untersuchungsdurchführung evaluiert [3]. Eine andere Pilotstudie untersuchte die Wirkung eines wöchentlichen Gleichgewichtstrainings auf Airex-Matten mit zusätzlichem individuellen Heimprogramm auf das Gleichgewicht an 11 älteren Personen [2]. Als Kriterien für den Erfolg galten die Aspekte Rekrutierung, Randomisierung und Compliance [2]. Eine genaue Formulierung der Kriterien für den Erfolg lässt eine Interpretation der Ergebnisse der Machbarkeits- bzw. Pilotstudie zu, um zu entscheiden, ob die Hauptstudie aufgenommen werden kann.

Die Interpretation der Ergebnisse kann zu folgenden Schlüssen führen: (1) Stopp – die Hauptstudie ist nicht machbar; (2) eine Durchführung kann nur nach Modifikation der Studiendesigns erfolgen; (3) eine Durchführung kann ohne Modifikation, jedoch unter strengem Monitoring erfolgen oder (4) eine Fortsetzung ist ohne Modifikation möglich.

Möchte eine Forschungsgruppe eine Machbarkeits- bzw. Pilotstudie entwickeln, sollten die Kriterien für den Erfolg formuliert werden, um Studien mit lieferbaren Zielen zu entwerfen. Für die Veröffentlichung eines Artikels über eine Machbarkeits- bzw. Pilotstudie sollte sich die Forschergruppe nach Leitlinien für Berichterstattungen erkundigen, um Verzerrungen gering zu halten [1].

 
  • Literatur

  • 1 Eldridge SM, Chan CL, Campbell MJ. et al. CONSORT 2010 statement: extension to randomised pilot and feasibility trials. BMJ 2016; 355: i5239
  • 2 Rogan S, Baur H, Sargent A. et al. Machbarkeit eines Gleichgewichtstrainings auf Matten bei gesunden, moderat sportlichen Frauen im Alter. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2015; 48: 135-141
  • 3 Rogan S, Taeymans J, Zuber S. et al. Vergleich zwischen der Wirkung von BWS-Mobilisationstechniken in anteriore versus posteriore Schubrichtung auf das sympathische Nervensystem. physioscience 2017; 13: 129-132
  • 4 Thabane L, Ma J, Chu R. et al. A tutorial on pilot studies: the what, why and how. BMC Med Res Methodol 2010; 10: 1