JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2018; 07(01): 6-7
DOI: 10.1055/s-0043-123241
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Inventur gefällig?

Heidi Günther
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Publication Date:
08 February 2018 (online)

Aufräumen geschieht selten in aufgeräumter Stimmung.

(Walter Ludin (*1945), Schweizer Journalist)

Neulich habe ich folgendes gelesen: „Bei jeder Inventur tauchen immer wieder ,Langsamdreher‘ und ,Ladenhüter‘ auf. Dinge, die irgendwann einmal angeschafft wurden, für die sich jedoch danach nie wieder oder nur selten ein Abnehmer oder Verwendung fand …“ Es ist gerade so, als ob der Autor über mich geschrieben hat.

In meinem Kleiderschrank hängen sechs weiße Blusen. Baumwollblusen mit Kragen und Manschetten, die man auch immer schön bügeln muss. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Bügeln gehört nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung, zumal ich es besonders nervig finde, dass diese unliebsame Tätigkeit nicht gerade durch Nachhaltigkeit glänzt. Einmal angezogen, und die ganze Mühe war umsonst. Daher ziehe ich an normalen Werktagen meist nur Pullover oder T-Shirts an. Zum Glück habe ich davon auch ausreichende Stücke im Schrank, die allerdings – und ich weiß auch nicht genau, warum das so ist – meist nur in fröhlichem Grau bis zu tiefstem Schwarz bei mir zu finden sind. Dazu habe ich dann immer noch die Wahl zwischen fünf bis sechs Jeans – je nach aktueller Gewichtslage –, mit denen ich mein Outfit farbenfroh aufpeppen kann. Diese Ensembles machen mich übrigens zum Herbsttyp. In diesem Falle wohl eher ein sehr trister grauer Herbst. Aber abgesehen von den eben benannten Kleidungsstücken hängen und liegen in meinem Kleiderschrank unzählige Jacken aller Art, Westen, Hosenanzüge, Blusen und Shirts, die ich im letzten Jahr nicht ein einziges Mal getragen habe. Eine Inventur mit entsprechenden rigorosen Konsequenzen wäre hier wohl mal angebracht. Nun nennen wir diesen Vorgang im privaten Rahmen nicht gerade Inventur. Da ist es eher der Frühjahrputz oder das große Ausrangieren.

Leider klappt auch das bei mir nicht so. Im vergangenen Jahr haben wir renoviert. Ich war fest entschlossen, diese Gelegenheit zu nutzen und mich von einigen Büchern, die ich seit Jahren nicht angefasst hatte und die es dennoch nie zu antiquarischer Rarität bringen würden, zu trennen. Soweit die Idee. Zu Anfang war die Umsetzung auch ganz gut. Das Ende allerdings sehr inkonsequent. Erst konnte ich mich nicht entscheiden, welche Bücher das Zeitliche segnen sollen, und später bin ich zum Papiercontainer zurückgegangen und habe das eine oder andere Buch wieder rausgeholt, abgewischt und zurück ins Regal gestellt. Da stehen diese immer noch und fristen ihr unbeachtetes Bücherleben.

Im November vergangenen Jahres wurde, wie in jedem zweiten Jahr, in unserem Krankenhaus mal wieder eine Inventur fällig. Da wurde jede Tablette, jede Infusion, Wundauflage, Binde, jedes Pflaster, jeder Blasenkatheter, sämtliche Pflegeprodukte – einfach alles gezählt und in seitenlange Listen eingetragen. Eine solche Inventur ist ein üblicher betrieblicher Vorgang mit dem Ziel, einen aktuellen Bestand zu erheben und damit zu eruieren, wovon man in Zukunft mehr oder weniger braucht. Ich bin jetzt kein Betriebswirt oder Kaufmann, aber in deren Sprache heißt es in unserem Fall „Körperliche Inventur“ und die Ergebnisse fließen am Ende in die Gewinn- und Verlustergebnisse unseres Krankenhauses ein.

Jetzt denke ich, was für meinen Kleiderschrank, für unsere Station oder das Krankenhaus gut ist, kann ja für mich als Mensch auch nicht verkehrt sein. Da bietet sich ein Jahreswechsel geradezu an. Mit guten Vorsätzen habe ich es ja schon lange nicht mehr so doll. Aber mal so richtig ausmisten? Unnütze Dinge entsorgen, Automatismen, Gewohnheiten und Haltungen überdenken, das könnte interessant werden! Meine Mutter ist in solchen Fälle immer ein großer Fan von Pro- und Kontra-Listen. Damit könnte ich es einmal versuchen. Ich könnte aufschreiben, was in meinem Leben gut ist, was notgedrungen sein muss und worauf ich gut und gern verzichten könnte. Ich könnte das Ganze in beruflich und privat aufteilen. Wenn diese Liste dann fertiggestellt wäre, müsste ich erst mal sondieren. Sondierung – ein zurzeit sehr inflationär gebrauchter Begriff – steht für abklären, erforschen und erkunden. Aber keine Sorge, das alles bleibt ein Konjunktiv. Und niemand soll hier annehmen, dass ich mein kleines Ich mit den Mühen endloser Sondierungen unserer frisch gewählten Volksvertreter vergleiche. Das käme mir nicht in den Sinn und die täglichen Statements langweilen mich auch langsam. Wenn überhaupt, müsste ich das mal ganz allein für mich durchdenken. Ich würde auf große Sprüche im Vorfeld verzichten und mich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Wichtig ist doch das Ergebnis am Ende meiner ganz persönlichen Inventur!

Aber auch so weiß ich heute schon, dass ich mir in naher Zukunft keine weißen Blusen mehr kaufen werde, meine Bücher genau da lasse, wo sie sind, und dass wir auf Station keine „Ladenhüter“ horten. Bei Letzterem bin mir aber auch sehr sicher, dass darauf schon unser Controlling mit Argusaugen achtet.

In diesem Sinne, Ihre

Heidi Günther